Unternehmenspleite Aus für den Holzdiesel

Choren wollte im sächsischen Freiberg als weltweit erstes Unternehmen Biodiesel aus Holzabfällen herstellen. Mehr als 150 Millionen Euro wurden investiert. Im Juli ging Choren pleite. Ein Lehrstück über die Einführung neuer Technik.

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In der CHOREN Industries GmbH Quelle: dpa/dpaweb

Als Choren im Jahr 2008 sein Projekt Baumdiesel beginnt, ist hoher Besuch ins sächsische Freiberg gereist: Kanzlerin Angela Merkel hält eine Rede, der die Chefs von Daimler und VW und der Ministerpräsident von Sachsen applaudieren. Anlass ist die Eröffnung der weltweit erste Raffinerie, die im industriellen Maßstab Diesel aus Holzresten herstellen soll. 270 Millionen Liter Treibstoff im Jahr wollen die Freiberger zukünftig mit ihrer Anlage produzieren. Merkel nennt das Projekt "ein eindrucksvolles Beispiel für die Innovations- und die Leistungskraft deutscher Ingenieurkunst" und ein "Schmuckstück".

Biotreibstoffe werden gebraucht

Etwas mehr als drei Jahre später hat dieses Schmuckstück immer noch keinen Tropfen Treibstoff geliefert und Choren ist seit dem 9. Juli pleite. Ihr Gehalt haben die 290 Mitarbeiter nur für weitere drei Monate garantiert. Ein Insolvenzverwalter sucht zurzeit nach Geldgebern, die an die Technik aus Sachsen glauben - und daran, dass die mehr als 150 Millionen Euro, die bisher investiert wurden (unter anderem von der Gasification Holding, Daimler, VW und Shell), sich irgendwann bezahlt machen.

Dass dringender Bedarf für Treibstoffe á la Choren besteht, also für Biotreibstoffe der 2. Generation, ist unstrittig. Denn die 1. Generation, wie sie heute als Anteil an gängigem Kraftstoff an den Tankstellen zu haben ist (Stichwort E10) hat ein grundsätzliches Problem: Biosprit wird bisher aus Nutzpflanzen wie zum Beispiel Mais, Raps und Soja gewonnen, die auf Ackerflächen mit der Nahrungsmittelproduktion konkurrieren. Heutiges Biobenzin ist nicht nur klimaschädlicher als fossile Treibstoffe, wie mehrere EU-Studien kürzlich vorrechneten, sondern er treibt auch die Nahrungsmittelpreise in die Höhe. Dieses Phänomen ist als Tank-gegen-Teller-Problem bekannt geworden. Sprich: Womit wir unsere Autos antreiben, löst in ärmeren Ländern Magenknurren aus.

Technik war weltweit führend

Biokraftstoffe der 2. Generation haben dieses Problem nicht. Denn sie bestehen aus Pflanzenabfällen wie zum Beispiel Stroh oder Holzresten und konkurrieren nicht mit dem Nahrungsmittelanbau. Die Technik von Choren, die es ermöglichen sollte, aus Holzschnipseln Diesel zu machen, war weltweit führend. Andere Projekte mit dem gleichen Ziel, wie sie in Frankreich, Dänemark, den USA und auch am Karlsruher Institut für Technologie (hier unter dem Namen Bioliq) laufen, stecken noch in der Pilotphase. Die Frage ist, woran Choren letztlich scheiterte - und ob das Aus des Unternehmens die Entwicklung der neuen Biokraftstoffe insgesamt diskreditiert?

Shell-Vorstand Rob Routs (l) und Choren-Chef Tom Blades vor einer Flasche mit "SunFuel". F

Heiko von Tschischwitz sagt, die Zukunft des Projekts sei an „Nebenkriegsschauplätzen“ entschieden worden. Tschischwitz ist Geschäftsführer der Gasification Holding, dem Hauptinvestor von Choren. Einmal habe das Förderband für den Holzeintrag nicht funktioniert, dann seien Ventile kaputt gegangen, dann habe wieder die Software gestreikt. Zwischendurch musste die Anlage für Nachbesserungen immer wieder Monate lang stillgelegt werden. Das Umwandlungsverfahren selbst habe „gut funktioniert“, sagt Tschischwitz. Noch mehr Geld wollte die Holding aber nicht in die Hand nehmen, „ohne abschätzen zu können, wann genau die Technik funktioniert“. Aus dem Umfeld des Unternehmens hört man noch andere Theorien: Von „Managementfehlern“ spricht einer, der mit Choren vertraut ist, namentlich aber nicht genannt werden möchte. Der Ingenieur Robert Rapier, der das Projekt begleitete, schreibt in einem Blog-Beitrag, „dass es am Ende an Zeit und am Geld“ fehlte, um alle Probleme zu lösen. Dass die Probleme lösbar waren, davon ist Rapier, der sich seit Jahren mit Verfahren zur Herstellung von Biokraftstoffen beschäftigt, überzeugt.

Das Problem: Die chemische Zusammensetzung von Holz

Eigentlich sollte die Choren-Anlagen schon in diesem Sommer fehlerfrei laufen und im Herbst an erste Kunden ausgeliefert werden, wie Unternehmenssprecherin Ines Bilas noch kurz vor der Pleite sagte. Aber die Technik, um aus Holz ein Gas zu gewinnen, das später dann in Diesel umgewandelt wird, versagte kurz vor der letzten Testphase erneut.

Einfach ist das Verfahren nicht. Um reinen Diesel zu erhalten, muss das Gas immer dasselbe Verhältnis von Kohlenstoff und Wasserstoff aufweisen. Chemisch gesehen ist Holz aber nicht gleich Holz. Das Problem, im industriellen Maßstab aus unterschiedlichen Biomassequalitäten durchgängig hochwertiges Gas von gleichbleibender Zusammensetzung zu produzieren, schienen die Ingenieure aber in den Griff bekommen zu haben; um dann an den einfachen Aufgaben zu scheitern.

Das Verfahren funktioniert

Dass das Verfahren grundsätzlich funktioniert, hatte eine Pilotanlage in einem langen Testlauf zwischen 1998 und 2004 schon bewiesen. Autos von Mercedes und VW hatten den Holzsprit sogar schon getankt. Und die Technik, um aus Gas im zweiten Schritt Diesel herzustellen, war bewährt und stammte vom Ölmulti Shell (der stieg allerdings wegen erster Kostenprobleme schon 2009 aus). Eigentlich beste Vorraussetzungen, um ein solches Verfahren im industriellen Maßstab zu verwirklichen.

Jetzt ist es an den anderen Projekten zu beweisen, dass es im großen Stil möglich ist, Biosprit aus Pflanzenresten zu gewinnen. Die Investoren werden sich nach der Choren-Pleite aber noch besser überlegen, ob sie Geld in die Entwicklung ähnlicher Verfahren stecken. Das Beispiel Freiberg zeigt einmal mehr, wie aufwändig und langwierig der Weg vom Labormaßstab zur Industrieproduktion ist. Wagen sollte man ihn auch künftig. Denn Alternativen zu heute verfügbaren Biokraftstoffen werden dringend benötigt.

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