Verhütung Umstritten und erfolgreich – fünfzig Jahre Pille

Vor fünfzig Jahren kam in den USA die erste Verhütungspille auf den Markt. Davon profitiert heute besonders der deutsche Bayer-Konzern. Risiken und Nebenwirkungen bleiben.

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Die Verpackung der ersten Quelle: AP

Sie hieß "Enovid" und stammte aus den Labors des damaligen US-Pharmakonzerns Searle. Zwei Mediziner der Harvard Medical School und der vor den Nazis aus Österreich geflohene junge Chemiker Carl Djerassi hatten die rosa Pille entwickelt.

Das erste Verhütungsmittel der Welt – selten hat ein Medikament für soviel Diskussionsstoff gesorgt.

Für das britische Wirtschaftsmagazin "The Economist" ist die Antibabypille eine der Erfindungen, die das 20. Jahrhundert entscheidend geprägt haben. Viele Frauen genossen die neue sexuelle Freiheit. Die Familienplanung wurde einfacher, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besser möglich.

Schließlich sank die Geeburtenrate ("Pillen-Knick"). Die katholische Kirche verteufelte die Pille – noch heute hat sich in vielen Regionen Afrikas und Lateinamerikas die Verhütung per Pille nicht durchgesetzt.

Schwerwiegende Nebenwirkungen

Von der amerikanischen Erfindung profitiert heute vor allem der im katholischen Rheinland beheimatete Bayer-Konzern.

Das Unternehmen aus Leverkusen ist mit einem Anteil von 35 Prozent Weltmarktführer bei Verhütungspillen. An die Top-Position gelangte Bayer, nachdem das Unternehmen vor vier Jahren den Konkurrenten Schering übernahm – damals eine der ersten Adressen im Geschäft mit Verhütungspillen. Scheirng hatte 1961 mit "Anovlar" die erste Pille auf dem deutschen Markt eingeführt.

Mit einem Jahresumsatz von zuletzt 1,28 Milliarden Euro zählen die Verhütungspillen rund um die Marken "Yasmin" und "Yaz" mittlerweile zu den umsatzstärksten Arzneien von Bayer. In den USA sieht sich das Unternehmen derzeit allerdings 2700 Klagen – wegen schwerwiegender Nebenwirkungen – gegenüber. Die Bayer-Pillen sollen das Thrombose-Risiko erhöhen. Bayer bestreitet das und beruft sich dabei auf zwei Studien, die allerdings vom Unternehmen finanziert wurden.

Hinter Bayer zählen der US-Konzern Merck & Co. ("Marvelon") und die israelische Teva zu den führenden Anbieter der oralen Kontrazeptiva, wie die Pillen im Fachjargon heißen. Auch Medikamenten-Hersteller wie Pfizer, Novartis oder Grünenthal tummeln sich in dem Markt.

Die Medikamenten-Hersteller sehen durchaus noch Potenzial – vor allem außerhalb von Westeuropa. Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung nehmen in Deutschland 55 Prozent der 20- bis 44-Jährigen Frauen die Pille, bei den 20- bis 29-Jährigen sind es sogar 72 Prozent. Weltweit nutzen mehr als 100 Millionen Frauen die Pille.

Doch in vielen Regionen der Welt hat sich die orale Verhütung noch nicht durchgesetzt. In Afrika nehmen nur acht Prozent der Frauen zwischen 15 und 49 Jahren, die in einer Beziehung oder Ehe leben, die Pille. In Asien sind es knapp sieben Prozent.

Bayer will jetzt mit seiner Pille Yaz den japanischen Markt erschließen. Dort gebe es aus kulturellen Gründen nur eine geringe Akzeptanz der Pille, heißt es im Unternehmen. Die japanische Arzneimittelbehörde hat die Zulassung allerdings nicht zur Empfängnisverhütung, sondern zur Bekämpfung "schwerer krampfartiger Regelschmerzen" (Dysmenorrhoe) erteilt. An behandlungsbedüftigen Regelschmerzen leidet in Japan etwa jede dritte Frau im fortpflanzungsfähigen Alter.

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