Normalerweise ist er immer für einen flotten Spruch zu haben. Doch bei einem Thema windet sich Maximilian Zimmerer. Immer, wenn es um die Geldanlage seiner Versicherung geht, redet der Finanzvorstand der Allianz kein Tacheles. Dabei wäre es doch eigentlich so einfach. Er könnte zum Beispiel sagen, was Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret heute gesagt hat, als er den Finanzstabilitätsbericht vorgestellt hat: „Das Niedrigzinsumfeld wird mehr und mehr zu einer Belastung für das deutsche Finanzsystem.“ Oder: „Es wird angesichts der niedrigen Zinsen für Lebensversicherer immer schwieriger, die Garantieverzinsung zu erwirtschaften.“ Punkt.
Die Allianz ist der größte Erstversicherer in ganz Europa. Doch Zimmerer adressiert die Probleme nicht direkt, bleibt vorsichtig. Zugegeben: Seine Situation ist vertrackt, selbst für so einen Anlageprofi wie ihn, der zuvor sechs Jahre lang die deutsche Lebensversicherung der Allianz geleitet hat. Was heute als einigermaßen sichere Anlage gilt, ist längst kostspielig – Bundesanleihen zum Beispiel hat die Allianz kaum mehr im Depot, die seien „überteuert“, findet Zimmerer. Und selbst Unternehmensanleihen, die die Allianz in den vergangenen Jahren stets als Heilsbringer gegen niedrige Zinsen pries und eifrig kaufte, sind nicht mehr en vogue: „Bei Unternehmensanleihen sind immer weniger Erträge möglich, die bauen wir bei neuen Investitionen nicht mehr auf“, sagt der Vorstand.
Was soll er auch sagen, wenn selbst die Bundesbank seiner Branche dafür schon öffentlich eins über den Deckel gibt – im aktuellen Finanzstabilitätsbericht heißt es: „Um ihre Anlageergebnisse aufzubessern, haben die Versicherer, anders als Banken, das Gewicht der am Markt schon recht hoch bewerteten Unternehmensanleihen in ihren Portfolios deutlich angehoben. (…) Aus dieser Anlagepolitik können sich Belastungen für die Versicherer ergeben, falls sich die derzeitigen Bewertungen im Niedrigzinsumfeld als nicht haltbar herausstellen, sich die recht niedrigen Risikoaufschläge ausweiten und Zahlungsausfälle bei Unternehmensanleihen zunehmen sollten.“
Die niedrigen Zinsen werden jetzt mehr und mehr zum Problem für die Versicherer. Allein die Allianz muss im Schnitt grob geschätzt 300 bis 500 Millionen Euro pro Arbeitstag neu anlegen – es ist das Geld aus Beiträgen und zurückgezahlten Anleihen. Einerseits legen Versicherer das Geld besonders lange an – bleiben die Zinsen nur kurz unten, gleicht sich das aus und ist nicht weiter schlimm. Nun aber, nach fünf Jahren Finanzkrise, liegen die niedrigen Kupons wie Blei in den Portfolios. Um noch einen Tick höhere Zinsen zu bekommen, hat die Allianz länger angelegt als üblich. Und genau das könnte – wenn die Zinsen wieder steigen – die Leiden der Versicherer verlängern. „Wir sind ein schwerer Tanker und können nicht von heute auf morgen umschichten – daher dreht sich unser Portfolio nur, wenn wir neues Geld anlegen“, gibt auch Zimmerer zu. Sein Dilemma: Er muss aufpassen muss wie ein Luchs, dass die rund 533 Milliarden Euro seiner Versicherung sich mehren.
Hoffnung auf alternative Investments
Die Anlagemanager der Allianz setzen nun auf alternative Investments. Zimmerer schickt seine Leute etwa nach Schweden, sie sollen neue Projekte für Windkraftanlagen ausloten. In Deutschland sei da nichts mehr zu holen, da „schon genügend Stängel in der Landschaft“ stünden und die besten Standorte längst vergeben seien, sagt Zimmerer. Seine Versicherung setzt jetzt auch auf Infrastrukturprojekte im europäischen Ausland, lässt etwa ein Gefängnis in Belgien bauen oder kauft eine Pipeline in Tschechien. Allein: Was hilft es, wenn rund 90 Prozent des Geldes in Zinspapieren stecken?
Selbst Immobilien will Zimmerer gemessen am gesamten Wert seines Portfolios nur spärlich ausbauen: gerade einmal zwei Milliarden Euro brutto will er in den kommenden Jahren jährlich in Büro- und Einzelhandelsimmobilien stecken. Selbst beim Thema Immobilien gibt die Bundesbank den Spielverderber: Es sei „nicht auszuschließen“, dass Immobilienbesitzer durch Preiskorrekturen „Vermögensverluste erleiden“, sagte Dombret. Und als Versicherungsmanager will man sich später wohl kaum vorwerfen lassen, dass man die Warnungen nicht ernst genommen hätte.
So richtig hellt sich das Gesicht des Finanzvorstandes überhaupt nur bei einem Thema auf: Aktien. „Ich halte Aktien fundamental betrachtet für attraktiv, obwohl die Märkte schon um 20 Prozent gestiegen sind. Wir haben in diesem Jahr Aktien ausgebaut und aktiv gekauft“, sagt Zimmerer. Die Allianz hat in den ersten neun Monaten 2013 rund zwei Milliarden Euro in Aktien investiert. Die Aktienquote der Allianz liegt bei rund sechs Prozent – im Vergleich zu Wettbewerbern, die nur rund drei Prozent halten, ist das ausgesprochen hoch. Für Aktien spreche vor allem, dass „die Dividendenrendite über den Anleihezinsen liegt“, das sei ein Indiz dafür, dass Aktien nicht überbewertet seien, sagt Zimmerer. Erst, wenn die Zinsen wieder stiegen, drohten Kursverluste bei Aktien.
Und so gibt dann auch Zimmerer am Ende zu: „Die wenigsten Märkte erfüllen unsere Anforderungen, aber trotzdem müssen wir anlegen.“
Bundesbanker Dombret hätte es vermutlich anders ausgedrückt: Wenn die Zinsen auf Sicht von zwei Jahren nicht nachhaltig steigen, steht die Bundesregierung vor der nächsten Rettungswelle. Doch dann sind es keine Banker, die um Steuergelder betteln, sondern Versicherungsmanager. Auch, wenn die Allianz als finanzstarker Konzern dann wohl nicht ganz vorne in der Schlange stehen dürfte.