Es waren sicherlich keine Kleinigkeiten, wegen denen sich Oliver Bäte, Chef der Allianz-Konzernmutter, und der Vorstandsvorsitzende der Deutschland-Tochter, Manfred Knof, immer wieder in die Haare gerieten. Es ging bisweilen ums Grundsätzliche: Wohin soll es mit dem 127 Jahre alten Versicherer gehen?
Bäte, der Europas größten Versicherer seit fast zweieinhalb Jahren führt, will die Allianz von Grund auf umbauen: Die rund 70 Landesgesellschaften sollen enger aneinander rücken, Produkte sollen vereinheitlicht, Prozesse digitalisiert werden. Da fürchtet so mancher Manager um Macht, Einfluss und Privilegien. Knof war sicherlich kein Bremser. Auch er weiß, dass sich das Traditionshaus dem digitalen Wandel nicht entziehen kann und sich ändern muss, will es im globalen Wettkampf mit immer neuen Start-ups der Insurtech-Szene bestehen.
Doch Bäte verlangt viel. Die Allianz Deutschland ist die wichtigste Tochter des Konzerns. Im vergangenen Jahr steuerte die Gesellschaft aus Unterföhring bei München rund 25 Prozent zum Konzerngewinn in Höhe von 7,4 Milliarden Euro nach Steuern bei. Knof hätten die Gewinnabführungen an die Mutter zunehmend genervt, heißt es; die Deutschland-Tochter fühlte sich bisweilen als Melkkuh. Gleichzeitig forderte Bäte von Knof Kostensenkungen sowie günstigere und einfachere Produkte, um die schrumpfenden Marktanteile etwa bei der Kfz-Versicherung aufzufangen.
Umsatz der wichtigsten Allianz-Geschäftsfelder
Leben/Kranken | 50.773 Mio. Euro |
Schaden/Unfall | 42.523 Mio. Euro |
Asset Management | 3.689 Mio. Euro |
Corporate und Sonstiges | 517 Mio. Euro |
Umsatzentwicklung der Allianz Gruppe unterteilt nach Segmenten. Abgebildet wird der gesamte Umsatz des Versicherungskonzerns, welcher die gebuchten Bruttobeiträge im Schaden- und Unfall- sowie die gesamten Beitragseinnahmen im Lebens- und Krankenversicherungsgeschäft, die operativen Erträge aus dem Asset-Management-Geschäft und den gesamten Umsatz aus Corporate und Sonstiges (Bankgeschäft) umfasst.
Quelle: Allianz Geschäftsbericht // Statista 2017
Leben/Kranken | 45.615 Mio. Euro |
Schaden/Unfall | 43.387 Mio. Euro |
Asset Management | 2.894 Mio. Euro |
Corporate und Sonstiges | 555 Mio. Euro |
Leben/Kranken | 57.098 Mio. Euro |
Schaden/Unfall | 43.895 Mio. Euro |
Asset Management | 4.986 Mio. Euro |
Corporate und Sonstiges | 587 Mio. Euro |
Leben/Kranken | 52.863 Mio. Euro |
Schaden/Unfall | 44.772 Mio. Euro |
Asset Management | 5.502 Mio. Euro |
Corporate und Sonstiges | 567 Mio. Euro |
Leben/Kranken | 52.347 Mio. Euro |
Schaden/Unfall | 46.889 Mio. Euro |
Asset Management | 6.786 Mio. Euro |
Corporate und Sonstiges | 590 Mio. Euro |
Leben/Kranken | 56.784 Mio. Euro |
Schaden/Unfall | 46.579 Mio. Euro |
Asset Management | 7.162 Mio. Euro |
Corporate und Sonstiges | 551 Mio. Euro |
Leben/Kranken | 67.331 Mio. Euro |
Schaden/Unfall | 48.322 Mio. Euro |
Asset Management | 6.388 Mio. Euro |
Corporate und Sonstiges | 556 Mio. Euro |
Leben/Kranken | 66.903 Mio. Euro |
Schaden/Unfall | 51.597 Mio. Euro |
Asset Management | 6.479 Mio. Euro |
Corporate und Sonstiges | 577 Mio. Euro |
Leben/Kranken | 64.636 Mio. Euro |
Schaden/Unfall | 51.535 Mio. Euro |
Asset Management | 6.022 Mio. Euro |
Corporate und Sonstiges | 551 Mio. Euro |
Nicht einfacher wurde die Zusammenarbeit der beiden Manager durch ihr ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Knof ist tief im Konzern verwurzelt und arbeitet seit 20 Jahren für die Allianz. Bäte hingegen kam von außen. Er stand zwölf Jahre lang in Diensten der Beratungsgesellschaft McKinsey. Im Frühjahr drohte der Streit der beiden schließlich zu eskalieren: Knof ließ wissen, er traue sich durchaus Bäte' Job zu. Aus Differenzen in der Sache drohte ein offener Machtkampf zu werden. Bäte wiederum – bekannt für sein hohes Tempo und bisweilen ungestümes Wesen – versuchte zu entschärfen und versprach, sich in Zukunft etwas zurückzunehmen, mehr zuzuhören und zu moderieren.
Jetzt allerdings will Knof abtreten, spätestens zum Jahresende, wie es heißt. Die Entscheidung ist im Sommer gefallen. Knof will sich eine Auszeit gönnen, im Konzern ist von gesundheitlichen Problemen die Rede. Doch die andauernden Differenzen mit Bäte haben auch eine Rolle gespielt.
Digital or dead: So überleben Sie die digitale Zukunft
Die Digitalisierung wird mittelfristig das Kerngeschäft der meisten Unternehmen beeinflussen. Führungskräfte müssen analysieren (lassen), wie sich die Spielregeln für ihre Branche verändern und die einzelnen Herausforderungen zu ihrer persönlichen Agenda machen.
Quelle: Digital or dead von Serhan Ili und Ulrich Lichtenthaler
Viele Firmen konzentrieren sich darauf, vor allem die Effizienz ihrer Produktion durch neue Technologien zu stärken. Wer sich aber ausschließlich auf technologiegetriebene Effizienzsteigerung konzentriert, verschenkt in Zukunft Wachstumschancen. Denn diese entstehen durch digitale und analoge Innovationen.
Führungskräfte müssen besonders vielversprechende digitale Lösungen für ihr Unternehmen identifizieren. Wenn sie ein oder mehrere Tools in der engeren Auswahl haben, sollten sie das Ausprobieren der Software im Unternehmen fördern.
Neben dem kurzfristigen Ausprobieren müssen Unternehmen auch langfristig für ihre IT-Zukunft planen. Schließlich sollen die neuen Softwarelösungen, die zum Geschäftsmodell passen, auch in die bestehende Unternehmens-IT integriert werden.
Der Ausgangspunkt der Digitalisierungsinitiative sollte keinesfalls die IT sein. Vielmehr sollten die damit befassten Entscheider zunächst ein klares Bild davon haben, welchen Nutzen die Digitalisierung dem Unternehmen bringen sollte. Auf dieser Grundlage sollte alsdann zunächst ein passendes Geschäftsmodell für die digitalen Aktivitäten entwickelt werden, bevor dieses dann innerhalb der IT tatsächlich umgesetzt wird.
Eine zentrale Gefahr für Industrieunternehmen ist das Auftreten neuer Komplettlösungsanbieter wie Uber, die direkt an der Schnittstelle zum Kunden arbeiten und diese besetzen. Umgehen kann man diese Gefahr mit der Entscheidung für eine interne Digitalisierungslösung.
Eine Stelle wie die des CDO zu schaffen, der die Digitalisierungsbemühungen koordiniert, ist sehr hilfreich. Der Chief Digital Officer braucht aber auch genügend Macht und Einfluss innerhalb des Unternehmens. Wenn sein Posten nur eine Alibifunktion innehat, nützt das wenig.
Über die koordinierende Funktion des Chief Digital Officers hinaus beinhaltet die Digitalisierung eines Unternehmens üblicherweise weitere, größere Veränderungen, die ein gewisses Maß an Beteiligung des ganzen Unternehmens erfordert. Die Unternehmenslenker müssen eine überzeugende Digitalisierungsgeschichte entwickeln, um die Einsatzbereitschaft aller Beteiligten sicherzustellen.
Unternehmen müssen bewegliche und flexible Innovationsprozesse anstoßen und weiterentwickeln - zumindest als Ergänzung für traditionellere, systematische Prozesse. Darüber hinaus ist es unabdingbar, ganze Produktlösungen innerhalb des geschäftlichen Umfelds zu optimieren, anstatt nur einzelne Produktspezifika zu verändern.
Digitalisierung erfordert neue Kompetenzen und beinhaltet oft die Veränderung bekannter und bewährter Geschäftsmodelle. Daraus folgt, dass Unternehmen offen für Hilfe von außen, nämlich von Digitalisierungsexperten, sein sollten, um den größtmöglichen Nutzen aus Innovation und den dazugehörigen Kompetenzen ziehen zu können.
Dass Knof seinen Posten räumen will, dürfte es dem Konzernchef einfacher machen, den so ehrgeizigen wie notwendigen Radikalumbau der Allianz mit ihren fast 150.000 Mitarbeitern umzusetzen. Schon der Knof-Nachfolger ist ein klares Signal: Den Job als Chef der Allianz Deutschland soll Klaus-Peter Röhler übernehmen. Er ist seit mehr als 20 Jahren im Konzern und begann seine Karriere bei der Allianz in Köln. Bislang ist er Italien-Chef des Münchner Versicherers – und Italien ist so etwas wie das Aushängeschild und Benchmark, wenn es um die Digitalisierung der Allianz geht. Vieles was Bäte plant, haben die Italiener schon vor Jahren erfolgreich umgesetzt.
Dass Knof eine Auszeit nehmen will, ist verständlich. Er gibt mehr oder weniger seit zwei Jahrzehnten Vollgas und hat sich unter anderem als erfolgreicher Krisenmanager für die Allianz in Russland betätigt.