Allianz-Nachhaltigkeitsrat Günther Thallinger „Mit den Veränderungen fangen wir bei uns selbst an“

Günther Thallinger ist Vorsitzender des Nachhaltigkeitsrats der Allianz, Quelle: imago images

Günther Thallinger, Vorsitzender des Nachhaltigkeitsrats der Allianz, achtet immer strenger auf die Klimaschädlichkeit von Investments. Aber das ist alles andere als einfach.

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Seit wann Nachhaltigkeit für Günther Thallinger „wirklich ein Anliegen“ ist, wie er sagt, lässt sich schwer feststellen. In einem Interview aus dem Jahr 2016 meinte der damalige Chef-Investor des Allianz-Konzerns mit einem „challenging environment“ das herausfordernde Niedrigzinsumfeld. Doch seit fast vier Jahren sitzt der 49-Jährige promovierte Mathematiker nicht nur im Vorstand des größten europäischen Versicherers. Er führt auch dessen ESG-Board, einen Nachhaltigkeitsrat, an. Als Vorsitzender des 2019 von den UN initiierten Netzwerks der weltweit größten Kapitalanleger (Net-Zero Asset Owner Alliance), die bis 2050 die Kohlendioxidemissionen ihres Anlageportfolios auf netto Null reduzieren wollen, untermauerte Thallinger den Anspruch auch anlässlich des UN-Klimagipfels in Glasgow.

Dass Kapitalanleger als Verfechter nachhaltiger Umweltziele zu Klimagipfeln reisen würden, schien vor Jahren undenkbar. Doch ohne Umorientierung der Finanzströme lässt sich die Klimakrise nicht bewältigen. Als Wortführer der inzwischen 56 Großinvestoren, die zusammen 9,3 Billionen US-Dollar managen, dringt Thallinger sogar zu weitergehenden Anreizen und Rahmenbedingungen für Schlüsselsektoren. Nur so lasse sich die Wirtschaft schneller verändern.

Verändern statt abstoßen

Die Forderung ist nachvollziehbar. Ohne Vorgaben tun sich selbst Großinvestoren schwer. Gerade Versicherer spüren die Auswirkungen des Klimawandels im eigenen Geschäft: Die Schäden durch Naturkatastrophen häufen sich.

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Die Allianz hat sich das Zwischenziel zur Klimaneutralität gesetzt, die Emissionen für ausgewählte Anlageklassen bis 2025 um 25 Prozent zu reduzieren. Als Basis dient das Jahr 2019. Doch von Investmentverkäufen als Druckmittel hält Thallinger wenig: „Desinvestment ist kein Hebel, den wir ansetzen wollen, um unser Portfolio zu managen,“ sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. „Was wir wirklich wollen, ist die Transformation der Assets“, also der Firmen, deren Aktien und Anleihen ein Investor kauft. Desinvestment bedeute für ihn hingegen, die Diskussion zu verlassen.

Die Net-Zero-Asset-Owner-Alliance zögert, die Forderung der Internationalen Energieagentur umzusetzen und nicht nur aus der Kohleförderung auszusteigen, sondern Öl und Gas ebenfalls auf den Index zu setzen. Dabei, räumt Thallinger ein, entferne der aktuelle Energiemix die Weltgemeinschaft von dem Ziel, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Neue Investments in Öl und Gas würden das Erreichen der auf dem Klimagipfel 2015 ihn Paris geschlossenen Übereinkunft „sehr, sehr schwierig“ machen.

Risiko ist tabu

Es bräuchte mehr alternative Investitionsmöglichkeiten. Für Versicherungskonzerne, die langfristig wirtschaften und für Rentenversicherungen und die Bestände der Lebensversicherungen Garantien aussprechen, ist das gar nicht so leicht. Riskante Investments sind da tabu. Staatsanleihen, die für solche Policen die klassische Grundlage bilden, sind von der 25-Prozent-Reduktion der Allianz vorerst ausgeschlossen. Für sie gibt es noch keine anerkannte Methodologie, um die in diesen Papieren eingebetteten Emissionen zu berechnen.

Bei den im Auftrag von Dritten verwalteten Geldern ist die Allianz auf das Klimabewusstsein der Anleger angewiesen. Allianz Global Investors, neben Pimco eine der beiden Kapitalgesellschaften des Versicherers, will von Dezember an die Politik des Konzerns für Eigenanlagen übernehmen. Das heißt: Publikumsfonds gehen raus aus Kohleinvestments, Streumunition und Antipersonenminen. Für alle anderen Fonds braucht die Allianz die Einwilligung der Kunden. Die Stimmung sei „klar positiv“. Mehr als die Hälfte habe bisher zugestimmt, sagt ein Sprecher. Man sei aber nicht allein Herrin des Verfahrens: „Wenn ein Regulator oder ein Kunde sich Zeit nimmt, dann bleibt es für die betroffenen Portfolien solange beim Status quo.“

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Auch Thallinger muss noch viel Überzeugungsarbeit leisten. „Mit den Veränderungen fangen wir bei uns selbst an – um dann andere zu unterstützen, sich in Richtung der Klimaneutralität zu entwickeln,“ sagt er. Dass der Profit unter einer Verringerung der Portfolio-Emissionen leidet, fürchtet er nicht – im Gegenteil: „Wir glauben, dass es das Risiko-Rendite-Profil klar verbessert, wenn man das Thema Nachhaltigkeit bei den Investmententscheidungen so umfänglich wie möglich berücksichtigt.“

Am 18. November wird der Entscheidungsmacher im Rahmen eines exklusiven Dinners in Frankfurt gekürt. Mehr über diese Veranstaltung und auch die Anmeldung finden Sie hier: https://anmeldung.me/enma/

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