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Umbruch bei Versicherern - Herr Kaiser hat ausgedient

Holger Geißler
Holger Geißler Psychologe, Werbepsychologe

Der sympathische Versicherungsvertreter um die Ecke verliert durch die zunehmende Internetnutzung an Bedeutung. Erlebnisse mit Marken im Internet werden dagegen immer wichtiger. Das verändert die Versicherungslandschaft

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Welcher Versicherung die Kunden weglaufen
Stetoskop auf Geldscheinen Quelle: dpa
Axa Versicherung Quelle: REUTERS
Hansemerkur Versicherung Quelle: dpa
HUK-Coburg Quelle: dpa
Debeka-Versicherung Quelle: dpa
Gothaer Versicherung Quelle: dpa-dpaweb
Bayerische Beamtenkrankenkasse Quelle: dpa

Der sympathische Herr Kaiser als Prototyp des deutschen Versicherungsvertreters hat sich nicht nur aus der Werbung verabschiedet. Die klassische Versicherungsagentur der zahlreichen deutschen Versicherungsgesellschaften steht seit einigen Jahren in der Kritik von Verbraucherorganisationen und Politik. Intransparente Provisionen und Vertragskosten insbesondere bei Produkten der privaten Altersvorsorge sind seit einigen Jahren immer wieder hochbrisante Medienthemen.

So bewerten Kunden ihre Krankenversicherungen

Hinzu kommt, dass sich Verbraucher immer häufiger über das Internet informieren. Bei einer Suche nach bestimmten Versicherungen findet der erste Markenkontakt zumeist im Internet statt. Vergleichsrechner mit einer klaren Fokussierung auf die Suche nach dem billigsten Tarif heizen den Trend noch weiter an. Tatsächlich hat sich der Anteil der Internet-Versicherungsabschlüsse in den letzten zehn Jahren von drei Prozent in 2004 auf elf Prozent in 2014 fast vervierfacht. Bei jungen Leuten bis 30 Jahren liegt die Quote mit 19 Prozent am höchsten und macht deutlich, was perspektivisch auf die Branche zukommt.

Wen haben die Deutschen im Kopf, wenn es um Versicherungen geht?

Von allen 30 Versicherermarken im YouGov BrandIndex erzielt die HUK-Coburg derzeit bei Verbrauchern insgesamt die höchsten Werte im Relevant-Set. Jeder fünfte Deutsche (20 Prozent) zieht die HUK-Coburg für den Abschluss einer Versicherung in Betracht. Die langjährige Markenstrategie der Preisgünstigkeit, über Jahrzehnte durch Produktwerbung für Kfz-Versicherungen kommuniziert, hat sich damit ausgezahlt: Nach Verträgen ist die HUK-Coburg seit einigen Jahren zumindest bei den Autoversicherungen führend und sie wächst weiter.

Jedoch hat der Marktführer Allianz die mit Abstand höchste Qualitätsbeurteilung aus Verbrauchersicht, bleibt aber in der Gunst der Kunden auf dem zweiten Platz mit 15 Prozent Markenpräferenz zurück.

Eine ultramoderne Internetstrategie, die Internet-User in nur drei Klicks zu einer ersten Preisschätzung führt, soll unter anderem die Allianz ins digitale Zeitalter führen und zeigt auch schon erste Wirkung: Die Markenpräferenz für die Allianz ist seit März 2015 um einen Prozentpunkt gestiegen.

Andere Agenturversicherer wie AXA (10 Prozent Präferenz unter den Deutschen), DEVK (9 Prozent) und ERGO (9 Prozent) folgen der Allianz mit einigem Abstand. Unter den Direktanbietern stehen HUK24 (13 Prozent), CosmosDirekt (9 Prozent) und ERGO Direkt (8 Prozent) recht nahe beieinander. Dies sind aktuelle Ergebnisse der Repräsentativbefragungen für den YouGov Markenmonitor BrandIndex, der u.a. die Präsenz, Word-to-mouth, Werbeerinnerung, Markengesundheit und Beliebtheit von über 700 Marken in Deutschland täglich erhebt.

Das Internet steigert Markenattraktivität

Die zunehmende Bereitschaft, Versicherungen direkt über das Internet, telefonisch oder bei Bedarf bzw. in Kombination schriftlich abzuschließen, eröffnet nicht nur klassischen Direktversicherern eine Chance zur Neukundengewinnung. Durch zunehmende Online-Werbung konnten Direktanbieter wie HUK24, CosmosDirekt und ERGO Direkt ihre Markenpräferenz in der direktaffinen Zielgruppe um rund vier Prozentpunkte in den letzten sechs Monaten steigern.

Gewinner und Verlierer der Krankenkassen
Gesetzliche KrankenversicherungNie zuvor gab es mehr Mitglieder als zum 1. Juli 2015 – rund 53,55 Millionen Menschen sind Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Basierend auf Daten des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) veröffentlichte der Dienst für Gesellschaftspolitik (Dfg) ein Ranking der Krankenkassen mit dem größten Mitgliederschwund und den größten Zuwächsen. Wir zeigen die fünf Gewinner und Verlierer der vergangenen sechs Monate. Quelle: dpa
Verlierer: IKK SüdwestEinen Mitgliederschwund von 10.682 Personen hat die IKK Südwest zu beklagen. Insgesamt sind circa 650.000 Menschen dort versichert. Quelle: dpa
Gewinner: Techniker KrankenkasseDen mit Abstand größten Mitgliederzuwachs bekam die Techniker Krankenkasse: 145.825 neue Mitglieder durfte die größte deutsche Krankenkasse seit dem 1. Januar begrüßen. Quelle: dpa
Gewinner: pronova BKK37.805 neue Mitglieder konnte die pronova BKK gewinnen. Die Krankenkasse schloss sich zum 1. Juli 2015 mit der Vaillant BKK zusammen. Quelle: Screenshot
Gewinner: HandelskrankenkasseEin Plus von 28.613 Mitgliedern verbuchte die Handelskrankenkasse (hkk). Die Ersatzkasse gliederte Anfang 2008 die IKK Weser-Ems ein und hieß fortan „hkk“. Seit dem 1. Juli 2014 wird wieder der alte Name „Handelskrankenkasse“ geführt. Quelle: PR
Verlierer: Deutsche BKKEin Minus von 14.070 Mitgliedern verbuchte die Deutsche BKK. Die Betriebskrankenkasse entstand 2003 durch eine Fusion der Volkswagen BKK und der Betriebskrankenkasse Post. Quelle: PR
Verlierer: DAK-GesundheitÄhnlich schlecht lief es bei der DAK-Gesundheit: Zur Jahresmitte hatte die Krankenkasse 30.532 Mitglieder weniger als noch zum 1. Januar. Zuletzt sorgten Uneinigkeiten mit Pflegediensten für negative Schlagzeilen. Quelle: dpa

Im selben Zeitraum holen auch die DEVK (+ 5 Prozentpunkte auf 11 Prozent Markenpräferenz), ERGO (+3 PP, auf 11) und Gothaer (+3 PP auf 10) durch ihre vertrieblichen und kommunikativen Online-Strategien in dieser Zielgruppe auf. Damit vollziehen die Versicherer das, was die Kunden schon seit geraumer Zeit wünschen: Der Online-Dialog soll ein Kommunikationsweg zur Versicherungen sein wie jeder andere auch.

Die Generation Y ist in Versicherungsfragen markenfokussierter

Das große Wachstumspotenzial für das Privatkundengeschäft im Versicherungsmarkt liegt jedoch bei den jungen Leuten bis 30 Jahre. Sie werden mit Berufseinstieg, Familiengründung und Immobilienerwerb weitere Risiko- und Altersvorsorgeprodukte abschließen wollen. Trotz aller Medienkompetenz fehlt diesen potenziellen Neukunden aber häufig noch die notwendige Versicherungskompetenz, um sich durch den Versicherungsdschungel im Internet einen Weg zu bahnen. Deswegen ist die Markenorientierung in dieser Zielgruppe wesentlich stärker ausgeprägt als bei älteren Versicherungsnehmern. So ist es nicht verwunderlich, dass bei den bis 30-Jährigen die Allianz das Ranking der Markenpräferenz mit 20 Prozent anführt.

Es folgen vier weitere Marken mit Service- und Beratungsangeboten zu Hause oder in einer Versicherungsagentur: HUK-Coburg, AXA, ERGO und Gothaer. Unter den Top Ten der Markenpräferenz bei jungen Menschen ist nur eine Direktversicherung zu finden: die HUK24.

Der Aufbau und die Pflege der Markenattraktivität insbesondere über Online-Präsenz wird in den nächsten Jahren immer wichtiger werden – auch für Versicherungsgesellschaften. Hierfür haben die Traditionsmarken in der Branche eigentlich eine wesentlich bessere Ausgangssituation als reine Direktversicherer. Doch es wird sich zeigen, ob das alleine auf Dauer ausreicht.

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