Bis Ende des Jahres will Bäte zusammen mit seiner Führungsmannschaft einen Plan für die neue Ausrichtung erarbeiten. Der neue Chef kommt nicht mit einem Stapel fertiger Blaupausen, sondern will erst mal zuhören und sich informieren. Bäte spricht auch mit Betriebsräten und legt, so ist im Konzern zu hören, großen Wert auf eine offene Kommunikation. Täuschen sollte sich in dem früheren McKinsey-Berater allerdings keiner. „Bäte kann, wenn es sein muss, auch emotionslos sein“, sagt einer, der mit ihm bei der Beratungsgesellschaft eng zusammengearbeitet hat.
Der dickste Brocken, das weiß Bäte selbst, ist die Digitalisierung des Allianz-Geschäfts. Bis Ende 2014 hat der Versicherer bereits 100 Millionen Euro in den Aufbau der IT-Infrastruktur und die Konfektionierung einer speziellen Kfz-Versicherung für den Online-Vertrieb investiert. Jetzt wollen die Münchner noch einmal 80 bis 100 Millionen Euro in die Hand nehmen. „Damit rüsten wir die Technik weiter auf“, sagt Vollert, „und optimieren weitere Produkte für den Online-Vertrieb.“ So sollen im kommenden Jahr eine spezielle Risikolebensversicherung für das Online-Geschäft und neue Produkte der Schaden- und Unfallversicherung fertig werden.
Einfach wird das nicht. Treibende Kraft hinter der Umstellung auf den Vertrieb im Web war bisher Markus Rieß, Chef der Allianz Deutschland. Weil dieser vergangene Woche hinwarf und im Oktober an die Spitze des kriselnden Düsseldorfer Konkurrenten Ergo und in den Vorstand des Mutterkonzerns Munich Re wechselt, fehlt Bäte auf einmal ein wichtiger Mann. Ganz überraschend war das nicht: Auch Rieß hatte sich Hoffnung auf die Diekmann-Nachfolge gemacht.
Um Ängste vor möglichen Jobverlusten durch die Digitalisierung des Geschäfts zu zerstreuen, beschwört die Allianz-Führungsriege gerne den hybriden oder den Ropo („Research online, Purchase offline“)-Kunden. Der nämlich informiere sich, wenn er eine Versicherung sucht, im Internet, wolle dann aber nach wie vor beim Vertreter auf dem Sofa den Vertrag unterschreiben und sich im Schadenfall auch dort beraten lassen. Die nackten Zahlen sprechen allerdings eine andere Sprache.
Weniger Mitarbeiter benötigt
So haben sich die Umsätze der Branche im Direktversicherungsgeschäft – also online, per Telefon und über Vergleichsportale wie Check24 – in den vergangenen Jahren verfünffacht. Die Umsätze über niedergelassene Vertreter sind dagegen um elf Prozent geschrumpft. „Durch Industrie 4.0 braucht man über den Zyklus 30 Prozent weniger Mitarbeiter“, sagte Noch-Chef Diekmann Ende Februar bei der Vorlage der Jahresbilanz und fügte vielsagend hinzu, wie das bei Versicherern sei, müsse man sehen.
Stephan Peters (Name von der Redaktion geändert) ist seit mehr als zehn Jahren selbstständiger Vertreter der Allianz. Seine kleine Agentur betreibt er in einem Dorf im westlichen Nordrhein-Westfalen. Die Vorgärten der Reihenhäuschen sind gepflegt. Es gibt eine kleine Kirche, zwei Pizzerien, einen Griechen und eine Volksbank-Filiale.
An einem sonnigen Frühlingsnachmittag sitzt Peters an seinem Küchentisch, vor sich ausgebreitet seine Geschäftspläne der vergangenen Jahre. Eine sogenannte Bestandsausschöpfungs-Quote von 17 Prozent für das laufende Jahr hat ihm der Konzern in den Plan geschrieben. Will sagen: Auf den Bestand an Sachversicherungen, den Peters in seinen Büchern hat, muss er in diesem Jahr 17 Prozent Neugeschäft hinzugewinnen. Erreicht er die Vorgabe nicht, wird es nichts mit der Geschäftsplan-Bonifikation, einem wichtigen Gehaltsbestandsteil. Zuletzt lag der für Peters bei etwa 10.000 Euro im Jahr.
Größte Versicherungen weltweit im Jahr 2013
Die Zurich Insurance Group aus der Schweiz hat im Jahr 2013 einen Umsatz von 72 Milliarden US-Dollar gemacht.
Quelle: Statista
Die neuntgrößte Versicherung weltweit ist die China Life Insurance. Sie hat im Jahr 2013 einen Umsatz von 80,9 Milliarden US-Dollar gemacht.
Die Prudential aus Großbritannien lag im Jahr 2013 auf Platz acht der weltweit größten Versicherungen – mit einem Jahresumsatz von 81,9 Milliarden US-Dollar.
Die Münchener Rückversicherung Munich Re ist mit einem Jahresumsatz von 83,8 Milliarden US-Dollar die siebtgrößte Versicherung weltweit im Jahr 2013.
Die italienische Generali verzeichnete einen Jahresumsatz von 115,2 Milliarden US-Dollar. Damit war sie 2013 die sechstgrößte Versicherung der Welt.
Die United Health aus Amerika machte 2013 einen Jahresumsatz von 134,6 Milliarden US-Dollar.
Die viertgrößte Versicherung weltweit ist im Jahr 2013 die deutsche Allianz. Sie machte einen Jahresumsatz von 134,6 Milliarden US-Dollar.
Die Japan Post Holdings machte 2013 einen Jahresumsatz von insgesamt 152,1 Milliarden US-Dollar. Damit war die drittgrößte Versicherung der Welt 2013.
Die AXA aus Frankreich war im Jahr 2013 die zweitgrößte Versicherung weltweit – mit einem Jahresumsatz von 165,9 Milliarden US-Dollar.
Mit einem Jahresumsatz von 182,2 Milliarden US-Dollar war die amerikanische Berkshire Hathaway die weltweit größte Versicherung 2013.
„Es wird immer schwerer, die Vorgaben zu erreichen“, klagt der Vertreter. Noch vor drei Jahren lag seine vorgegebene Bestandsausschöpfungs-Quote bei 15 Prozent. Der Vertreter glaubt, die Allianz wolle ihm das Geschäft vermiesen – mit dem Ziel, dass er von selbst aufhört.
Die jährliche Gewinnbeteiligung, über die die Vertreter in ihrer Facebook-Gruppe so bitter klagen, hat die Allianz in diesem Jahr sogar einmalig aufgestockt. In den Jahren zuvor allerdings hatte der Konzern die Zuwendung für die Vertreter Schritt für Schritt heruntergefahren. Bei den Sonderzuwendungen für hauptberufliche Vertreter handele es sich um eine freiwillige Leistung der Allianz Beratungs- und Vertriebs-AG, die sich nach dem geschäftlichen Erfolg des Vorjahres richtet, heißt es bei der Allianz. In den vergangenen Jahren sei das Budget dafür ebenso häufig angehoben wie abgesenkt worden. Peters sagt, bei ihm sei die Gewinnbeteiligung trotz steigender Konzerngewinne binnen vier Jahren von 1800 Euro auf 1250 Euro geschrumpft. Mit der Anhebung in diesem Jahr sei er gerade wieder auf seinem vorherigen Niveau.