Markus Rieß Was der neue Ergo-Chef alles umkrempeln muss

Seite 3/3

Die Digitalisierung war sein zweites großes Projekt

Nach seinem Start als Chef der Allianz Deutschland 2010 brachte er zunächst das angeschlagene Sachversicherungsgeschäft auf Vordermann – mit durchschlagendem Erfolg: Die Prämieneinnahmen der Sparte kletterten bis 2014 um eine halbe Milliarde Euro auf 9,5 Milliarden Euro. Den operativen Gewinn konnte Rieß auf 1,3 Milliarden Euro mehr als verdoppeln. Den Anteil von Schadenregulierungen und Kosten an den Prämieneinnahmen drückte er von 100,8 auf 91,5 Prozent – auch durch konsequentes Kostenmanagement in der Verwaltung und eine gnadenlose Vereinfachung der Prozesse bei der Schadenregulierung. Dabei gingen auch rund 400 Jobs verloren. Auf einer jeweils zweiwöchigen Sommerreise durch die Standorte informierte sich der Chef jedes Jahr über den Fortgang.

Rieß, der als extrem ehrgeizig gilt, will jetzt auch zumindest auf einem der Ergo-Problemfelder einen schnellen Erfolg. Er dürfte sich daher zunächst die Mobilisierung des Vertriebs vornehmen. „Mithilfe von Kooperationen etwa mit Banken und einer noch konsequenteren Verzahnung der Einzelvertriebe ließe sich relativ schnell eine Wirkung erzielen“, sagt ein Ergo-Kenner.

Dass auf den Vertrieb größere Veränderungen zukommen, deutete sich bereits Anfang August an. Da gab die Ergo bekannt, dass Vertriebsvorstand Rolf Wiswesser geht. Den Job übernimmt bis auf Weiteres ein Mann, der schon Anfang der Neunzigerjahre bei der Allianz den Vertrieb von Lebensversicherungen verantwortete: Markus Rieß.

Dieses Geschäft leidet darunter, dass Ergo wie alle Versicherer auf ältere Policen Garantiezinsen von bis zu vier Prozent zugesagt hat, die sich bei dem extrem niedrigen Zinsniveau kaum erwirtschaften lassen. Hier dürfte der neue Ergo-Lenker mit weiteren Produkten ohne Garantien gegensteuern.

Angst vor dem Stellenabbau

Für den breit angelegten Umbau der Ergo braucht Rieß viel Geld, um etwa in neue Produkte investieren zu können. Die Analysten von JP Morgan erwarten daher, dass die Munich Re ihre Tochter Ergo mit einer Kapitalspritze von 450 Millionen Euro stärken wird. Munich Re kommentiert das nicht.

Ohne Stellenabbau dürfte der grundlegende Umbau der Ergo nicht zu machen sein. Bisher weiß die Arbeitnehmerseite nicht, was passiert. Doch im Betriebsrat in Düsseldorf rechnet man mit „schnellen Botschaften“ von Rieß. „Die Befürchtungen in der Belegschaft“, dass es zu einem Jobabbau komme, seien groß, heißt es in Arbeitnehmerkreisen. Es hat bereits mehrere Kündigungsrunden gegeben, die jüngste läuft noch: Bis 2018 fallen 1300 Stellen weg, vor allem im Vertrieb.

Rieß wird sein Charisma brauchen, um die Belegschaft trotzdem für seine Ziele zu motivieren. Mit seinem empathischen Wesen versteht es der neue Ergo-Chef, der auch heute ab und an mit seinen Söhnen kickt, seine Umgebung schnell für sich einzunehmen. „Oletzky ist ein reiner Kopfmensch, Rieß ist auch Bauchmensch, eher der moderne Manager“, sagt einer, der beide kennt.

Doch täuschen sollte man sich in Rieß, den ein anderer Wegbegleiter als kompromisslos und „Mensch mit zwei Gesichtern“ – hier der gesellige Kumpel, dort der eiskalte Sanierer – bezeichnet, nicht. Vor harten Entscheidungen, auch wenn es um sein persönliches Fortkommen geht, schreckt Rieß nicht zurück. Der Mann ist noch jung und will wohl noch mehr werden als nur Ergo-Chef.

Schon in München galt Rieß, der nach einem Abstecher zur Beratung McKinsey 1997 zurückkehrte, als möglicher Nachfolger von Konzernchef Michael Diekmann. Doch den Vorzug bekam – wohl auch auf Diekmanns Drängen– Oliver Bäte.

Jetzt zieht Rieß, anders als Vorgänger Oletzky, zugleich in den Munich-Re-Vorstand ein. Dessen Chef Nikolaus von Bomhard wird im kommenden Jahr 60, Ende 2016 läuft sein Vertrag aus. So schnell dürfte Rieß jedoch nicht an die Munich-Re-Spitze rücken: „Er wird erst zeigen, dass er die Ergo gedreht kriegt, und nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun“, sagt einer, der mit ihm gearbeitet hat. Da fügt es sich gut, dass von Bomhard für sich künftig einjährige Vertragsverlängerungen favorisiert.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%