Die Verbraucherzentralen fordern von der künftigen Bundesregierung einen besseren Schutz vor steigenden Zuzahlungen bei der Pflege. „Die Kostensteigerung drückt die Menschen“, sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, der Deutschen Presse-Agentur. Nötig seien daher automatische Anpassungen der staatlichen Pflegeleistungen in kürzeren Abständen - etwa jährlich nach festgelegten Kriterien.
Hintergrund ist, dass die Pflegeversicherung nicht alle Kosten deckt und Pflegebedürftige einen Eigenanteil tragen müssen. Es gelte aber, ein bestimmtes Qualitätsniveau zu erreichen, betonte Müller. „Das sind wir den betroffenen Menschen und ihren Angehörigen schuldig.“
Nötig sei auch mehr Transparenz bei Pflegeverträgen. Darin stünden oft „viele Begriffe, die einem unbekannt sind, wo man sich selber oder seinen Vater, seine Mutter hineingibt“. Erforderlich sei daher der Ausbau einer Rechtsberatung für unabhängige und qualifizierte Unterstützung wie etwa schon beim Mietrecht. „Auch die Frage, welches Personal für gute Pflege sorgen kann, ist eine Herausforderung“, sagte Müller. „Und das hat etwas mit den Löhnen dort zu tun.“
Sechs Bereiche bei der Begutachtung zum Pflegeantrag
Hierbei wird hinterfragt ob der potenziell Pflegebedürftige in der Lage ist, sich innerhalb der eigenen Wohnung zu bewegen und ggf. Treppen zu steigen. Bei schwerwiegenden Fällen kommen der Positionswechsel im Bett, sowie das Aufstehen und umsetzen und die stabile Sitzhaltung noch hinzu.
(Macht zehn Prozent des Pflegegutachtens aus.)
Hier werden zwei Bereiche zusammen gezählt. Zum einen gilt es zu überprüfen, wie sicher die potenziell pflegebedürftige Person im Alltag klar kommt: bei der Haushaltsführung, bei der Orientierung im näheren Umfeld des Zuhauses, beim Treffen von Entscheidungen, bei der Erkennung und Bewertung möglicher Risiken. Dahinter steht vor allem die Frage: Kann der Mensch sich im Alltag zurecht finden, Gefahren erkennen, Ordnung halten, Informationen, die er erhält, richtig verarbeiten? Ebenfalls schwer wiegen Verhaltensauffälligkeiten und psychische Problemlagen, wie nächtliche Unruhe, selbstschädigendes Verhalten, verbale Aggression, Wahnvorstellungen, aber auch Antriebslosigkeit, depressive Stimmungen und sozial inadäquates Verhalten.
(Macht 15 Prozent des Pflegegutachtens aus.)
Vor der aktuellen Pflegereform hatte dieser Aspekt noch mehr Gewicht. Nun ist er weiterhin sehr bedeutsam, aber nicht mehr allein ausschlaggebend. Es geht um die ganz normalen Dinge des Alltags: die Körperpflege (vom Waschen übers Haare-kämmen bis zum Zähneputzen), das An-, Aus- und Umziehen und die Nahrungsaufnahme. Hinzu kommen noch besondere Bedingungen wie Probleme beim Stuhlgang oder ähnliches.
(Macht 40 Prozent des Pflegegutachtens aus.)
In diesem Aspekt wird begutachtet, ob die potenziell pflegebedürftige Person Medikamente und Wundversorgung selber gewährleisten kann oder Hilfe braucht. Das kann etwa bei der Einnahme von Medikamenten sein, aber auch der Verbandswechsel. Ebenfalls Beachtung findet hier, wenn die Person Therapie- oder Arztbesuche nicht mehr alleine erledigen kann – sei es, weil die Anfahrt nicht möglich ist oder aus psychischen/inhaltlichen Gründen eine Begleitung notwendig.
(Macht 20 Prozent des Pflegegutachtens aus.)
Um für die Berechnung des Pflegegrads hier Punkte zu erhalten, muss der potenziell Pflegebedürftige Schwierigkeiten mit der Struktur des eigenen Tagesablaufs und im Kontakt mit Menschen außerhalb des direkten Umfelds haben. Das heißt, es fällt schwer, zur richtigen Zeit ins Bett zu gehen und sich Dinge vorzunehmen. Veränderungen werden nur schwer angenommen und der Kontakt zu unbekannten Menschen fällt erheblich schwerer als zuvor und eigentlich üblich.
(Macht 15 Prozent des Pflegegutachtens aus.)
Die Verbraucherzentralen dringen zudem auf eine grundlegende Reform der privaten Altersvorsorge. „Wo man in Niedrigzinszeiten ansetzen muss, ist einfach die Kostenstruktur“, sagte Müller. Bei der Riester-Rente gehe „ein zu großer Anteil für Marketing, Vertrieb und Werbung der Versicherungen drauf“. Angeboten werden solle daher ein effizientes „Standard-Produkt“, das nicht beworben werden müsse.
Denkbar wäre, dass jeder automatisch mit dabei sei, wenn er einen Arbeitsvertrag unterschreibe - außer man wolle dies explizit nicht. „Wir möchten, dass alle Arbeitnehmer an den guten Erträgen auf dem Kapitalmarkt teilhaben können“, sagte Müller. „Es soll eben nicht nur den sogenannten Besserverdienenden vorbehalten sein oder denen, die schon viel Übung mit Aktienkultur haben.“
Insgesamt solle die Regierung auch angesichts des Wahlergebnisses mit dem Einzug der AfD in den Bundestag die „Alltagsunsicherheit“ vieler Menschen in den Blick nehmen. „Verbraucherschutz ist ein Beitrag zu einer höheren Vertrauenskultur in Deutschland“, sagte Müller. Dazu gehörten Wahlfreiheit und bessere Orientierung etwa auch durch Kennzeichnungen bei Lebensmitteln oder digitalen Angeboten.