Techniker-Kasse erstattet Beiträge Geldsegen für sechs Millionen Versicherte

Die zweitgrößte deutsche Kasse, die Techniker Krankenkasse, will für kommendes Jahr bis zu 120 Euro Prämie ausschütten. Allerdings verdient das Finanzamt kräftig mit. Doch andere Kassen stehen jetzt unter Druck.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die Tricks der Krankenversicherer
Mit günstigen Preisen lockenWer sich im Internet für Krankenversicherung interessiert, findet ganz schnell auch Anzeigen, in denen eine private Krankenversicherung für 49 Euro im Monat versprochen wird. Experten raten ab: In nur ganz wenigen Fällen kommen solche Beiträge überhaupt zustande. Wer so wirbt, hat meist nur ein Ziel: Die Daten des Interessenten einsammeln. Quelle: dpa
Adressen weiter verkaufenIm Internet sind viele professionelle Adressenhändler unterwegs. Wer seine Daten in einem scheinbar unabhängigen Portal für einen kostenlosen Vergleich eingibt, muss damit rechnen, dass er später mit Emails oder Anrufen bombardiert wird. Denn die Adressensammler verkaufen die Kontaktdaten an interessierte Vermittler weiter, die genau wissen, wie sie einen Versicherungsvertrag am besten verkaufen. Quelle: gms
Gierige Vermittler rausschickenNur wer eine private Krankenversicherung tatsächlich auch verkauft, verdient in der Vermittlerbranche Geld damit. Denn nur dann kassiert er Provision. Das Prinzip dabei: Je höher der Monatsbeitrag des Kunden, umso besser die Provision des Verkäufers. Nach den neuen Regeln wird der Monatsbeitrag hier in der Spitze mit dem Faktor neun multipliziert. Früher ging es bis zum Faktor 15 hoch. Quelle: dpa
Hohen Eigenanteil aufbrummenDas Prinzip in der privaten Krankenversicherung: Je mehr der Kunde im Falle einer Krankheit selbst bezahlt, umso niedriger wird sein Monatsbeitrag. Wer also einen Selbstbehalt von mehreren hundert bis zu 1000 Euro vereinbart, hat die Chance auf Prämien von weniger als 200 Euro. Quelle: dpa
Rechnungen nur teilweise zahlenJeder Versicherer hat seine eigenen Bedingungen. Daraus ergibt sich, was er im Zweifel bezahlt und was nicht. Für den Kunden ist das von vornherein schwer ersichtlich, deshalb haben die Analysten von Franke & Bornberg einen Index mit typischen Krankheiten gebildet und so das Leistungsniveau von unterschiedlichen Tarifen simuliert. Oft liegt das Erstattungsniveau der Billigtarife dabei nur zwischen 50 und 70 Prozent. Quelle: dpa
Teure Krankheiten ausschließenDie private Krankenversicherung (PKV) wirbt gerne damit, dass sie deutlich mehr leistet als die gesetzliche Krankenversicherung. In Billigtarifen wird jedoch die Leistung für bestimmte Krankheiten von vornherein ausgeschlossen. Dazu zählen etwa Behandlungen durch Psychologen, Wahlleistungen im Krankenhaus, Zahnleistungen oder die freie Arztwahl. Quelle: dpa
Prämien schnell erhöhenViele Krankenversicherer lockten Kunden in Billigtarife und hoffen, dass sie bald in höherwertige und teurere Tarife wechseln. Diese Rechnung ist in vielen Fällen jedoch nicht aufgegangen. Im Gegenteil: Viele Kunden in Einsteigertarifen zahlen sogar gar nichts mehr. Die Kosten tragen alle Versicherten im jeweiligen Kollektiv. Die Folge sind satte, zweistellige Prämienerhöhungen. Quelle: dpa

Die zweitgrößte deutsche Krankenkasse, die Techniker-Kasse (TK), will ihren Mitgliedern für kommendes Jahr eine Prämie von bis zu 120 Euro ausschütten. Der noch recht neue Vorstandschef der Kasse, Jens Baas, möchte den Geldsegen werbewirksam unter die bisherigen Mitglieder bringen und neue damit anlocken. "Wir wollen den Versicherten nahebringen, dass sie mit dem Geld nicht unbedingt Zigaretten kaufen müssen, sondern etwas Gesundes tun können." Dazu soll es Anregungen geben, welche Fitnesskurse empfehlenswert sind oder wann eine Zahnreinigung sinnvoll sein kann.

Durch seine frühe Ankündigung setzt Baas darauf, dass die Aussicht auf eine Rückerstattung bereits zum Jahresende neue Mitglieder bringt. Über die endgültige Höhe der Prämie soll am 12. Oktober erst der Verwaltungsrat der Kasse entscheiden. Die volle Höhe können alle Mitglieder bekommen, die das gesamte Jahr 2013 bei der TK versichert sind. Prämien werden nur an die Mitglieder ausgeschüttet und nicht an die (kostenlos) mitversicherten Familienangehörigen. Bei der TK sind 8,2 Millionen Menschen versichert, 5,9 Millionen davon als zahlende Mitglieder.

TK schwimmt in Geld

Doch nicht alles von der Erstattung wird bei den TKlern ankommen. "Das Geld muss versteuert werden", räumt Baas ein.  "Das ist nicht schön." Bei der Rückerstattung wird der persönliche Einkommensteuersatz fällig, wäre der Beitrag an sich niedriger, würde das Finanzamt nicht mit verdienen.

Die Techniker Krankenkasse ist in einer beneidenswerten Lage: Sie schwimmt im Geld. Weil die Kasse seit Jahren mehr einnimmt als sie braucht, hat sie weit mehr Reserven angehäuft als sie überhaupt dürfte. Das hält die Aufsicht, das Bundesversicherungsamt, für völlig überzogen und kritisiert, Krankenkassen seien keine Sparkassen. Das Geld gehöre den Versicherten.

Hohe Strafen und wenig Belohnung

Streichpotenzial der Krankenkassen
Karten von Krankenversicherungen Quelle: AP
Ein Mund Quelle: Robert Kneschke - Fotolia.com
Bonusheft Quelle: dpa
Gymnastik Quelle: Robert Kneschke - Fotolia.com
Akupunktur Quelle: gms
Eine Impfdosis des Mittels Pandemrix gegen Schweinegrippe Quelle: dpa
Geschientes Bein Quelle: Peter Atkins - Fotolia.com

Vorstandschef Jens Baas spricht mit breiter Brust: "Wir haben in den letzten Jahren regelmäßig mehr Beiträge eingenommen als wir benötigen."  An ihre Mitglieder ausgeschüttet hat die Kasse bisher allerdings noch keine Prämien. Denn, so antwortet der ehemalige Unternehmensberater und gelernte Arzt kühl kalkulierend: Kassen, die einen Zusatzbeitrag von ihren Mitglieder einziehen müssen, werden "überproportional bestraft", andere, die eine Prämie ausschütten, aber "wenig belohnt". Das heißt, muss die Versicherung extra die Hand aufhalten, wechseln die Kunden in Scharen, gibt es im Monat fünf Euro als Prämie erstattet, fällt das kaum auf und kaum ein Kunde lässt sich gewinnen. Baas‘ Fazit ist da wenig schmeichelnd für einen Bundesgesundheitsminister von der FDP, der wie Daniel Bahr eigentlich Sparsamkeit und Effizienz predigt: "Der Beitrag ist falsch festgelegt worden."

TK setzt andere Kassen unter Druck

Das klingt nach verkehrter Welt. Ständig scheint zu wenig Geld im Gesundheitssystem zu sein. Klagen gehört zum Geschäft von Kassen und Kliniken, Ärzten und Apothekern. Sie alle leben hauptsächlich von Deutschlands 72 Millionen gesetzlich Krankenversicherten. Kassenmitglieder zahlen seit Einführung des Gesundheitsfonds von der Bundesregierung festgelegte einheitliche Beiträge - zurzeit sind es 15,5 Prozent vom Bruttolohn.

Könnte die Techniker selbst ihren Beitrag festlegen, wäre der mit 14,9 Prozent wohl noch gut bemessen. Eine Jahresprämie von 120 Euro für die Mitglieder entspricht 0,6 Punkten Beitragssatz.

Mit ihrer Ankündigung setzt die Hamburger TK andere gesetzliche Versicherungen wie die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK), die Barmer, die DAK oder Betriebskrankenkassen unter Druck. "Die anderen werden jetzt sicher keine Sammelbildchen von mir kleben", frotzelt Baas in Richtung seiner Kollegen bei anderen gesetzlichen Versicherungen. Bisher erstatten nur wenige kleine oder nicht frei wählbare Kassen ihren Mitgliedern eine Prämie. Die Bremer HKK zahlt zum Beispiel 60 Euro im Jahr zurück, die geschlossene Betriebskrankenkasse der Unternehmensgruppe Würth erstattet sogar 120 Euro.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%