Der italienische Versicherungskonzern Generali baut sein Deutschland-Geschäft radikal um. Die bisherige Generali Lebensversicherung wird Anfang nächsten Jahres eingestellt. Die rund vier Millionen Lebensversicherungs-Verträge könnten danach auch an einen professionellen Abwickler verkauft werden, sagte Deutschland-Chef Giovanni Liverani am Donnerstag in München.
Der zweitgrößte Erstversicherer in Deutschland will sich damit von Zinsgarantien befreien, die er den Kunden teils vor Jahrzehnten gegeben hat und die wegen der Niedrigzinsen heute viel Kapital binden. Zugleich ordnet Generali das Dickicht seiner Marken neu: AachenMünchener und Central Kranken verschwinden dabei ganz vom deutschen Markt.
Generali-Policen werden künftig nur noch über den größten deutschen Finanzvertrieb DVAG verkauft, an dem der Konzern 40 Prozent hält. Die 2800 Generali-Vertreter sollen - wie schon vor Jahren die AachenMünchener-Vermittler - zur DVAG wechseln. Diese sorgt schon jetzt für 50 Prozent der Beitragseinnahmen von Generali, künftig könnten es nach Schätzungen der Analysten von Societe Generale zwei Drittel sein.
Die Internet-Tochter Cosmos Direkt soll ausgebaut werden und künftig verstärkt mehr Sach- und Krankenversicherungen anbieten. Die Tochter Dialog bleibt unabhängigen Maklern vorbehalten. AachenMünchener und Central werden in Generali umbenannt. "Generali ist die bekannteste Marke im Konzern", sagte Liverani.
"Jetzt gehen wir tiefer und bauen das ganze Geschäftsmodell um", kündigte Liverani an. Er sei vor drei Jahren angetreten, um den Zweiflern zu zeigen, dass es sich noch lohne, in Deutschland zu investieren. Seither hat er die Zentrale in München gebündelt und den Vorstand umgebaut. Nun sollen aus 14 Gesellschaften zwei und aus zehn "Produkt-Fabriken" drei werden. Damit gehe auch ein Stellenabbau unter den rund 10.000 Mitarbeitern einher. Das sei aber nur ein "Nebeneffekt", sagte der Italiener. Um Kostensenkungen gehe es nicht.
Für Käufer bleibt die Tür offen
Für die zusammen 40 Milliarden Euro schweren Verträge von Generali Leben gebe es durchaus Interesse, sagte Liverani. "Wir halten die Tür offen. Die Verhandlungen laufen noch." Reuters hatte im Juli berichtet, dass die Investmentbank Morgan Stanley die Handlungsmöglichkeiten für Generali prüfe. Der Versicherer erhoffe sich rund 900 Millionen Euro für das Portfolio. Die Experten von Societe Generale bezweifelen aber, dass es sich mittelfristig komplett verkaufen lassen wird.
Bisher hatten professionelle Abwickler wie Viridium und Frankfurter Leben in Deutschland nur eine Handvoll kleinerer Leben-Bestände übernommen. Im Frühjahr hatte der US-Aufkäufer Athene mit seinen Investoren wie Apollo zwei Milliarden Euro für Übernahmen in Europa eingesammelt.
Nun prüft auch der Versicherer Ergo, ob es einen Käufer für die abzuwickelnden sechs Millionen Leben-Policen von Ergo Leben (ehemals Hamburg-Mannheimer und Victoria) gibt. Die neuen Eigentümer müssen an den Garantien festhalten, setzen aber auf eine günstigere Abwicklung, unter anderem durch Größeneffekte.
Die solidesten Lebensversicherer
Untersucht wurden die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen der zwölf größten Lebensversicherer. Die Bewertungen stammen von Prof. Hermann Weidmann von der Zeitschrift für Versicherungswesen. Analysiert wurden dazu Kennzahlen der Vergangenheit (Erträge, Kosten, Risikoergebnis) sowie der Zukunft (Bewertungs- und Überschussreserven). Für beide Bereiche vergab Weimann Punkt, insgesamt konnten die Versicherungen maximal 1000 Punkte erreichen.
Stand; 19.9.2017
Platz 1: Allianz
Kennzahlen Vergangenheit (1): 500
Kennzahlen Zukunft (2): 350
Gesamtpunktzahl (3): 850
Bewertung: stark
1: Erträge, Kosten, Risikoergebnis
2: Bewertungs- und Überschussreserven
3: maximal 1000 Punkte
Platz 2: R+V
Kennzahlen Vergangenheit1: 400
Kennzahlen Zukunft2: 250
Gesamtpunktzahl3: 650
Bewertung: stark
1: Erträge, Kosten, Risikoergebnis
2: Bewertungs- und Überschussreserven
3: maximal 1000 Punkte
Platz 3: Zurich / Dt. Herold
Kennzahlen Vergangenheit1: 400
Kennzahlen Zukunft2: 200
Gesamtpunktzahl3: 600
Bewertung: stark
1: Erträge, Kosten, Risikoergebnis
2: Bewertungs- und Überschussreserven
3: maximal 1000 Punkte
Platz 3: Bayern Versicherung
Kennzahlen Vergangenheit (1): 300
Kennzahlen Zukunft (2): 300
Gesamtpunktzahl (3): 600
Bewertung: stark
1: Erträge, Kosten, Risikoergebnis
2: Bewertungs- und Überschussreserven
3: maximal 1000 Punkte
Platz 5: Debeka
Kennzahlen Vergangenheit (1): 200
Kennzahlen Zukunft (2): 350
Gesamtpunktzahl (3): 550
Bewertung: steigerungsfähig
1: Erträge, Kosten, Risikoergebnis
2: Bewertungs- und Überschussreserven
3: maximal 1000 Punkte
Platz 5: Axa
Kennzahlen Vergangenheit (1): 300
Kennzahlen Zukunft (2): 250
Gesamtpunktzahl (3): 550
Bewertung: steigerungsfähig
1: Erträge, Kosten, Risikoergebnis
2: Bewertungs- und Überschussreserven
3: maximal 1000 Punkte
Platz 5: Ergo
Kennzahlen Vergangenheit (1): 250
Kennzahlen Zukunft (2): 300
Gesamtpunktzahl (3): 550
Bewertung: steigerungsfähig
1: Erträge, Kosten, Risikoergebnis
2: Bewertungs- und Überschussreserven
3: maximal 1000 Punkte
Platz 5: Alte Leipziger
Kennzahlen Vergangenheit (1): 400
Kennzahlen Zukunft (2): 150
Gesamtpunktzahl (3): 550
Bewertung: steigerungsfähig
1: Erträge, Kosten, Risikoergebnis
2: Bewertungs- und Überschussreserven
3: maximal 1000 Punkte
Platz 5: Nürnberger
Kennzahlen Vergangenheit (1): 350
Kennzahlen Zukunft (2): 200
Gesamtpunktzahl (3): 550
Bewertung: steigerungsfähig
1: Erträge, Kosten, Risikoergebnis
2: Bewertungs- und Überschussreserven
3: maximal 1000 Punkte
Platz 10: Generali
Kennzahlen Vergangenheit (1): 350
Kennzahlen Zukunft (2): 150
Gesamtpunktzahl (3): 500
Bewertung: steigerungsfähig
1: Erträge, Kosten, Risikoergebnis
2: Bewertungs- und Überschussreserven
3: maximal 1000 Punkte
Platz 11: AachenMünchener
Kennzahlen Vergangenheit (1): 400
Kennzahlen Zukunft (2): 50
Gesamtpunktzahl (3): 450
Bewertung: relativ schwach
1: Erträge, Kosten, Risikoergebnis
2: Bewertungs- und Überschussreserven
3: maximal 1000 Punkte
Platz 12: Provinzial Nordwest4
Kennzahlen Vergangenheit (1): keine Angabe
Kennzahlen Zukunft (2): 250
Gesamtpunktzahl (3): keine Angabe
Bewertung (4): keine Angabe
1: Erträge, Kosten, Risikoergebnis
2: Bewertungs- und Überschussreserven
3: maximal 1000 Punkte
4: Versicherer hat nicht alle notwendigen Daten geliefert
Generali Leben galt schon lange als größtes Sorgenkind des Versicherers in Deutschland. "Jetzt ist es an der Zeit, dieses Problem für immer zu lösen, so dass es keine Bürde mehr für unser Wachstum und unsere Rendite ist", sagte Liverani. Es gehe darum, mit weniger Kapital mehr zu verdienen.
Das Neugeschäft mit klassischen Lebensversicherungen hatte die Generali Leben bereits Ende 2015 eingestellt und nur noch fondsgebundene und andere kapitalmarktnahe Produkte verkauft. Doch die Altverträge - unter anderem von der ehemaligen Volksfürsorge - belasteten die Bilanz weiterhin. Durch die Abwicklung werde so viel Kapital freigesetzt, dass die Solvenzquote im Deutschland-Geschäft um 26 Prozent steige, rechnete Generali vor.