Versicherer Die dubiosen Methoden der Volksfürsorge

Mit dubiosen Methoden drängt die fast 100 Jahre alte Versicherung ihre Kunden zu Policen, bei denen sie in vielen Fällen mehr verlieren als gewinnen. Ob die zweifelhafte Offensive das Überleben der Vertriebstruppe sichert, ist jedoch fraglich.

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Ein Versicherungsvertreter im Beratungsgespräch mit einer Kundin Quelle: dpa

Norbert F. sitzt in seinem heimischen Arbeitszimmer. Er will eigentlich schon jetzt nicht mehr, aber er muss. Einige Wochen zuvor hatte er als Vertriebsassistent im Außendienst der Volksfürsorge angefangen. Noch einmal atmet der Mittdreißiger tief durch und greift zum Hörer. Als an der anderen Seite der Leitung jemand abnimmt, spult er sein Programm runter: „Guten Tag, mein Name ist F. Ich bin Ihr Berater.“ Weiter kommt er nicht. „Wenn Sie noch einmal anrufen“, blafft ihn der Kunde an, „dann kündige ich alle Versicherungen bei der Volksfürsorge.“

Reaktionen wie diese musste Norbert F. an jenem Tag mehrfach über sich ergehen lassen. Die Kunden sind sauer, weil vor ihm schon viele andere Vertreter von der Volksfürsorge bei ihnen angerufen haben. Alle paar Monate melde sich ein anderer Berater. Mit jeder Abfuhr fällt es Norbert F. noch schwerer, sich zu einem weiteren Telefonat zu überwinden. Sechs Monate hielt er das aus, dann schmiss er hin – wie viele seiner Kollegen. Nach internen Unterlagen, die der WirtschaftsWoche vorliegen, sind von 100 Vertriebsassistenten bei der Volksfürsorge nach drei Jahren kaum noch welche hauptberuflich für das Unternehmen tätig.

Schwere Krise

Das Unternehmen mit dem wärmenden Namen steckt in einer schweren Krise. Eine gigantische Fluktuation macht die verbliebenen Mitarbeiter mürbe und frisst oft mehr Geld, als die Berater einbringen. Seit Jahresbeginn sind die Verkaufszahlen der Organisation in den Keller gerauscht. Nach Informationen der WirtschaftsWoche steuert das Unternehmen aus Hamburg erstmals seit seiner Umstrukturierung in 2009 auf einen Verlust zu. Die Volksfürsorge gab hierzu keine Stellungnahme ab. Schon fürchten Mitarbeiter, der Eigentümer, der italienische Versicherungskonzern Generali, könnte die Volksfürsorge dichtmachen, so wie sie es schon mit anderen Unternehmen der Gruppe gemacht hat.

Minusgeschäft für die Kunden

Um das zu verhindern, versucht der Vorstand der Volksfürsorge, die Verkäufertruppe mit Vorgaben auf die Erfolgsspur zu setzen, die für die Kunden oft von Nachteil sein dürften. Neuester Coup: Die Berater sollen ihre Kunden im Rahmen einer „Vertriebsoffensive“ zu Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsversicherungen beraten. Weil viele Versicherte in wirtschaftlich unsicheren Zeiten solche langfristigen Verträge mit fixen monatlichen Beiträgen scheuen, haben sich die Volksfürsorger für diese etwas Perfides einfallen lassen: Kunden, die etwa ihre Kapitallebensversicherung beitragsfrei gestellt haben, soll vorgeschlagen werden, diese Verträge zu kündigen. Der Rückkaufwert, den sie dafür erhalten, wird auf ein Depot bei der Generali eingezahlt. Mit dem Geld soll dann ein Teil der Prämien für die neue Berufs- und Erwerbsunfähigkeitspolice bezahlt werden.

Das Problem: Wer Lebensversicherungen kündigt und sich den bis dahin aufgelaufenen Rückkaufwert ausbezahlen lässt, macht meist ein Minusgeschäft. Denn ein solcher Vertrag muss im Durchschnitt zwölf Jahre laufen, damit der Kunde überhaupt sein Kapital zurückerhält. Fein heraus sind bei dem Tauschgeschäft jedoch die Berater, die für die neu abgeschlossenen Verträge eine Provision kassieren.

Marktanteile in der Lebensversicherung nach verdienten Brutto-Beiträgen 2010 Quelle: Bafin

Extrem hoher Druck

Die Idee des Policen-Wechsels ist der jüngste Höhepunkt einer fragwürdigen Strategie, die der traditionsreiche Versicherer seit Jahren fährt. Das fast 100 Jahre alte Unternehmen hat schon lange seine gewerkschaftlich-sozialdemokratischen Wurzeln gekappt. Spätestens mit dem Verkauf an die AachenMünchener 1988 und deren Übernahme durch den italienischen Versicherungskonzern Generali wurde die Volksfürsorge eine gewöhnliche Assekuranzfirma. Heute steht ihr Markenzeichen, eine stilisierte Sonne und der Werbespruch „Keine Sorge, Volksfürsorge“, nur noch für eine reine Vertriebsorganisation von Generali.

Damit ähnelt das Unternehmen Wettbewerbern wie MLP oder AWD. Nur dass die Volksfürsorge nicht wie MLP und AWD mit selbstständigen Handelsvertretern und einem breiten Angebot unterschiedlicher Anbieter arbeitet, sondern mit fest angestellten Beratern, die ausschließlich Policen der Generali-Gruppe verkaufen. Die Erträge der Volksfürsorge speisen sich somit nur aus Provisionen, die es für jede vermittelte Police gibt.

Obwohl Insidern zufolge Generali nicht von den Provisionen, sondern nur von den Verträgen profitieren will und von der Volksfürsorge keinen großartigen Gewinn erwartet, klagen Volksfürsorge-Mitarbeiter über extrem hohen Druck. „Der Vertrieb wird seit der Umstellung als Profitcenter gesehen“, sagt eine Führungskraft. „Es müssen ganz konkrete Ziele erfüllt werden.“ Inzwischen werden die Mitarbeiter von Existenzsorgen geplagt. „Wir haben Angst“, sagt eine Führungskraft, „dass die Volksfürsorge plattgemacht wird, wenn wir nicht genügend leisten.“

Raffiniertes Kalkül

Ein Schriftzug der Generali Versicherung Quelle: dpa/Picture-Alliance

Die Sorge ist nachvollziehbar. Immerhin hatte der Mutterkonzern Generali im vergangenen Jahr schon den Außendienst der Tochter Central-Krankenversicherung aufgelöst, die seit 1998 zur Gruppe gehört. Und auch den Vertrieb der einst stolzen Aachen-Münchener-Versicherung haben die Italiener an die Deutsche Vermögensberatung (DVAG) ausgelagert, an der Generali mit 40 Prozent beteiligt ist. Träfe es nun auch die Volksfürsorge, wäre das ein harter Schnitt für die Mitarbeiter. Die meisten müssten sich dann möglicherweise als freischaffende Vertreter durchschlagen, da die DVAG nur mit selbstständigen Beratern arbeitet.

6000 Euro Provision

Die Volksfürsorge hatte für Generali von Anfang an einen besonderen Reiz. Denn die fast 100 Jahre alte Marke ist in Deutschland sehr bekannt. Die wichtigsten Produkte sind Renten- und Lebensversicherungen. Diese werden meist für eine Laufzeit von mindestens 20 Jahre abgeschlossen und bescheren den Versicherern langfristig stabile Einnahmen. Die Vermittler erhalten daher für solche Verträge üppige Provisionen, die laut Branchenkennern bei einer Versicherungssumme von 100.000 Euro zwischen 3500 und 4500 Euro liegen. Die Volksfürsorge soll nach WirtschaftsWoche-Informationen für denselben Vertrag 6000 Euro bekommen – ein Betrag, den am Ende die Kunden bezahlen müssen. Die Volksfürsorge gab hierzu keine konkrete Stellungnahme ab.

Um die Einnahmen schnell und mit geringem Aufwand zu steigern, empfahl es sich für die Volksfürsorge, den Hebel an diesen Verträgen anzusetzen. Also beschloss der Vorstand kurz nach der Umstrukturierung 2009 eine sogenannte Bestandsmaßnahme durchzuführen, die bis Ende vergangenen Jahres lief. Dabei wurden, wie aus internen Dokumenten hervorgeht, zunächst 230.000 bestehende Renten- oder Lebensversicherungsverträge herausgefiltert, die vor 2002 abgeschlossen wurden.

Sodann wurden die Volksfürsorge-Mitarbeiter angehalten, Kontakt mit diesen Versicherten aufzunehmen und sie zu motivieren, zum Beispiel eine staatlich geförderte Riester- oder Rürup-Rente abzuschließen. Später wurde die Aktion auch auf Kunden mit neueren und fondsgebundenen Policen ausgeweitet. Dahinter steckte das raffinierte Kalkül, dass viele Kunden dafür kein Geld mehr hatten oder ausgeben wollten. In einem solchen Fall, heißt es in einem Brief des Vorstandssprechers vom 23. Februar 2009 an die Mitarbeiter, „kann der bestehende Vertrag beitragsfrei gestellt und ein geförderter Neuvertrag abgeschlossen werden“. Im Klartext: Der Kunde solle seine bisherige Versicherung ruhen lassen und die ersparten Beiträge in einen neuen, staatlich geförderten Rürup- oder Riester-Vertrag stecken. Die Volksfürsorge sagt hierzu: Ziel der Bestandsmaßnahme sei „die Beratung der Bestandskunden hinsichtlich der Schließung von Versorgungslücken“ sowie „ des Abschlusses von Neuverträgen über staatlich geförderte Produkte“ gewesen.

Rendite der Rentenversicherung Quelle: Aventus Finance

Vorteilhafte Altverträge

Auf den ersten Blick schien der Tausch attraktiv, schlimmstenfalls gefahrenlos. Immerhin erhielt der Kunde dadurch ein weiteres Standbein für seine Alterssicherung. Beim genauen Hinsehen erweist sich ein solcher Tausch jedoch als ziemliche Zitrone für viele Versicherte.

Grund: Alte Verträge sind oft vorteilhafter als neue. Seit 2000 wurde der Garantiezins für Kapitallebensversicherungen kontinuierlich von 4,0 auf aktuell 1,75 Prozent gesenkt. Während Beiträge in die Altverträge also weiterhin vergleichsweise attraktiv verzinst werden, ist dies bei neueren Policen nicht der Fall. Zudem müssen die Erträge aus Verträgen, die von 2005 an abgeschlossen wurden, im Gegensatz zu den Vorgängern versteuert werden. Vor diesem Hintergrund ist es höchst zweifelhaft, ob es sich aufgrund der staatlichen Förderung von Riester und Rürup für den Kunden lohnt, einen neuen Vertrag abzuschließen, statt den alten weiter zu bedienen.

„In der Regel ist das nicht sinnvoll, weil der neue Vertrag wieder Kosten produziert, die der Kunde über die Beiträge erst einmal abzahlen muss“, sagt Davor Horvat, Honorarberater in Karlsruhe, der nicht von Provisionen lebt, sondern sich von seinen Kunden direkt bezahlen lässt. Bei einer Lebens- oder Rentenversicherung sei die Gewinnschwelle oft erst nach zwölf Jahren erreicht, erst dann würden sämtliche Beitragszahlungen zum Großteil verzinst. Diesen Punkt hätten Kunden mit alten Verträgen ja oft schon erreicht.

Generali kann die Beitragsfreistellung von Altverträgen und die Umleitung der Prämien in neue Verträge nur recht sein. Denn die Italiener leiden wie ihre Wettbewerber unter den Altverträgen, für die sie den Kunden eine hohe Verzinsung versprochen haben. Seit der Niedrigzinspolitik im Zuge der Finanzkrise fällt es den Versicherern immer schwerer, die alten Zusagen zu erwirtschaften. Je weniger sie davon einhalten müssen, desto besser.

Fragwürdige Kettengeschäfte

Was gute und schlechte Vertreter ausmacht
AuftrittIn Strukturvertrieben wie AWD, der einmal von Carsten Maschmeyer geführt wurde, gelten strenge Kleidervorschriften für Vermittler. Die Berater wirken deshalb oft zum Verwechseln ähnlich: Dunkler Anzug, weißes Hemd, farblose Krawatte. Kritiker raten, hinter das seriös wirkende Äußere zu blicken. So zeigte der Film "Versicherungsvertreter" MEG-Vermittler, die sich erst beim Kunden auf Augenhöhe einschmeicheln und hinterher mit dem flotten Sportwagen abrauschen. Das Erscheinungsbild kann blenden und verrät nichts über Beratungsqualität. Quelle: ap
Beratung im BüroGehen Sie zu Ihrem Versicherungsvertreter und schauen Sie sich sein Arbeitsumfeld an. Vermittler, die am liebsten im Wohnzimmer des Kunden Kaffee trinken, in der Sonne Cocktails schlürfen oder im Cafe Kuchen essen, haben vielleicht keine eigenen Räumlichkeiten, sondern nur ein Großraumbüro. Dort sitzen sie mit anderen Verkäufern, die über das Telefon oder das Internet Geschäfte anbahnen und vor Ort mit einer Schmalspurberatung die rasche Vertragsunterschrift suchen. Zwar hat der Ort der Beratung nichts mit der Qualität der Beratung zu tun, doch auf die Arbeitsweise des Beraters könnte er Hinweise liefern. Quelle: dpa
Telefon? Nein Danke!Ein Versicherungsvertreter braucht eine solide Basis, um Geld zu verdienen. Er sollte einen festen Kundenstamm haben und in einem stabilen Umfeld arbeiten. Wenn er darauf angewiesen ist, über das Telefon Geschäfte anzubahnen, sollten Interessenten vorsichtiger werden. Es könnte sich um jemanden handeln, der nur einmal einen schnellen Abschluss machen möchte und dann nie wieder zu sehen ist. Quelle: dpa
Bieder feiernDie zum Ergo-Versicherungskonzern gehörende Hamburg-Mannheimer hat für ihre besten 100 Vertreter eine rauschende Sex-Party in Budapest organisiert, in der traditionsreichen Gellert-Therme. Wüstenrot fuhr mit seinen Vertretern nach Rio, dabei streiften sie auch ein zweifelhaftes Gebäude. Mit solchen Feiern belohnen Finanzkonzerne Power-Vertreter, die besonders viele Verträge verkauft haben. Oft kommt bei solchen Vermittlern die Beratung zu kurz, weil sie zu sehr ans Geldverdienen denken. Quelle: dpa
Ruhiges ArbeitsumfeldDer Verkaufsdruck in der Versicherungsbranche ist groß, manchmal tragen auch Kostensenkungsprogramme von Aktiengesellschaften dazu bei. Wo Versicherer im Innendienst Kosten senken, müssen Vermittler oft besonders viele Abschlüsse liefern. Denn der Versicherer will seine Gewinnmarge erhöhen. Das Bedürfnis der Kunden nach gutem Service und günstigem Versicherungsschutz muss da oft zurückstehen. Quelle: dpa-dpaweb
Orientierung am BedarfVerkäufer reden gerne und stellen ihren Kunden dann Fragen, die nur in ihrem Sinne beantwortet werden können. Das leitet dann meist schnell über in den Verkauf einer ganz speziellen Versicherung. Gute Berater erkundigen sich dagegen nach den Bedürfnissen und checken, ob ein Kunde die wichtigen Versicherungen hat, wie etwa eine private Haftpflicht oder einen Schutz gegen Berufsunfähigkeit. Als Kunde sollten Sie sagen, was Ihnen wichtig ist. Ob jemand eine Versicherung überhaupt benötigt, hängt auch von der Risikobereitschaft und dem Vermögen des Kunden ab. Wer finanziell gut dasteht, kann einen Schaden auch mal selbst tragen. Quelle: dpa
SelbstbewusstseinHochwertige Beratung ist nicht umsonst, auch wenn manche Versicherungsvertreter diesen Eindruck gerne erwecken. Seriöse Vermittler nennen daher vor der Beratung ihren Preis und lassen den Kunden entscheiden, ob er damit einverstanden ist. Das kann ein Honorar sein, das vorher vereinbart wird. Es kann aber auch eine Provision sein, die hinterher von den ersten Beiträgen an die Versicherung abgezogen wird. In jedem Fall sollte der Kunde wissen, was er bezahlt - und was er dafür bekommt. Denn die Kehrseite des Preises ist die Leistung, die jedoch sehr unterschiedlich ausfallen kann. Quelle: dpa

Wie sehr die Volksfürsorge die fragwürdige Aktion zulasten vieler Kunden forcierte, zeigt die Art und Weise, mit der sie dabei zu Werke ging. Stellt beispielsweise ein Kunde eine Lebens- oder Rentenversicherung beitragsfrei und schließt dafür einen neuen Vertrag ab, ist dies normalerweise „kein echtes Neugeschäft“, kurz: KEN, wie dies intern heißt. Dafür erhält der Berater üblicherweise keine Provision, hat also eigentlich kein Interesse an einem solchen Kettengeschäft. Deshalb wurde die Regelung bei der Volksfürsorge für diese Kampagne jedoch ausdrücklich ausgesetzt.

Führungsdruck auf Mitarbeiter

„Die Aktion hat auf den Vertrieb in etwa dieselbe Wirkung, wie wenn man einer Gruppe hungriger Wölfe ein Stück Fleisch hinwirft“, sagt eine Führungskraft. „Es stand für die Mitarbeiter gar nicht zur Debatte, ob sie da mitmachen“, sagt ein Kollege. Denn auch bei der Volksfürsorge wird die Vertriebsleistung jedes einzelnen Mitarbeiters gemessen, das heißt, er muss auch bestimmte Ziele erfüllen. Ergebnisse und Zielerreichung werden für jede regionale Vertriebsdirektion zusammengefasst und in einem bundesweiten Ranking, das sich „Vertriebs-Cockpit“ nennt, veröffentlicht.

Zudem wurde dokumentiert, wer die Kunden, die von der Zentrale für die Vertriebsaktion herausgesucht wurden, zu einem Vertragsabschluss bewegen konnte. Dadurch konnte sich kein Mitarbeiter leisten, die Aktion zu ignorieren oder daraus kein Geschäft zu generieren, sagen mehrere Berater. Die Volksfürsorge sagt hierzu, dass ihr keine Beschwerden über „Führungsdruck“ bekannt seien.

Schlechte Tipps der Volksfürsorge-Berater

Viele Berater bezweifeln, dass nur solche Kunden den Vertrag wechselten, für die es auch wirklich sinnvoll gewesen sei, etwa weil die staatliche Förderung den Steuernachteil nicht kompensiert. Die Nettorenten hätten die Berater ihren Kunden gar nicht vorrechnen können, weil die Software das nicht hergegeben habe. Doch das wäre für einen fairen Vergleich nötig. Die Volksfürsorge sagt hierzu, sie hätte sichergestellt, dass keine Vertragsumstellungen zum Nachteil der Kunden vorgenommen werden konnten.

Gefährliche Abwärtsspirale

Die dubiose Aktion war für die Volksfürsorge eine „Erfolgsstory“, wie Vorstandssprecher Felske im Intranet berichtete. Sodass das einstige Gewerkschaftsunternehmen die ersten beiden Geschäftsjahre als Vertriebsorganisation von Generali mit Gewinn abschloss. Auch im vergangenen Geschäftsjahr hat die Volksfürsorge ihre selbst gesteckten Ziele zu mehr als 100 Prozent erfüllt. Allerdings wurde das Geschäft Ende 2011 durch eine Art Schlussverkauf beflügelt, weil der Garantiezins zum Jahreswechsel von 2,25 auf 1,75 Prozent fiel.

Entsprechend mau läuft das Geschäft in diesem Jahr an. Laut interner Zahlen, die der WirtschaftsWoche vorliegen, hat die Volksfürsorge bis zum 18. Mai ihr Verkaufsziel lediglich zu 74 Prozent erreicht. In der für sie so wichtigen Produktkategorie Lebens- und Rentenversicherungen schaffte das Unternehmen die Vorgaben sogar nur zu 70 Prozent. Von knapp 3000 hauptberuflichen Mitarbeitern, die länger als fünf Monate dabei sind, gelten laut Vertriebs-Cockpit gerade einmal 772 als „produktiv“. Das heißt, sie haben ihre gesteckten Ziele im Vertrieb erreicht. 1778 Volksfürsorge-Mitarbeiter dagegen gelten bezogen auf die ersten fünf Monate dieses Jahres als nicht produktiv.

Damit droht dem Unternehmen eine gefährliche Abwärtsspirale. Denn geht ein Mitarbeiter mit einem dicken Minus ins zweite Halbjahr, wird er seinen Rückstand bis Ende Dezember kaum noch aufholen können. Aber nur dann bekommt er zu seinem festen Gehalt noch einen Bonus für jeden Vertragsabschluss. Die schlechten Aussichten sind geeignet, den Vertrieb für den Rest des Jahres zu lähmen.

Verschärft wird dieses Problem durch die hohe Fluktuation bei der Volksfürsorge. Von 100 Vertriebsassistenten sind laut einer internen Präsentation mit dem Titel „Unser Weg zur Vision 2015“ nach 36 Monaten nur noch 20 als hauptberufliche Verkäufer tätig und gerade mal sechs davon sind „produktiv“. In den ersten vier Monaten dieses Jahres kommen auf 91 neu eingestellte Vertriebsassistenten 106 Abgänge. Für das Unternehmen ist das ein Drama.

Erstens kostet die Ausbildung eines Mitarbeiters die Volksfürsorge laut Insidern im ersten Jahr rund 60.000 Euro. Die Volksfürsorge gab hierzu keine Stellungnahme ab. Das Geld ist futsch, wenn der neue Kollege gleich wieder geht. Zudem müssen sich die Kunden immer wieder an neue Ansprechpartner gewöhnen.

Hausgemachte Probleme

Wenn die Versicherung nicht zahlt
Ist der Hund über die Privat-Haftpflicht mitversichert? - Nein!In der Privat-Haftpflichtversicherung sind zwar Schäden von einigen Haustieren mitversichert. Würde die Katze zum Beispiel einem Besucher die Hand oder den Arm zerkratzen, würde sie berechtigte Ansprüche wie Arztkosten oder Schmerzensgeld übernehmen. Für Hunde aber ist eine eigene Tierhalter-Haftpflichtversicherung notwendig. Der Halter muss sogar dann für seinen Hund haften, wenn er an dem Vorfall keine Schuld trifft - das nennt sich unter Juristen „Gefährdungshaftung“. Bestenfalls wird ein Mitverschulden des Geschädigten zu Gunsten des Hundebesitzers berücksichtigt - meist aber erst nach einem langen und teuren Gerichtsverfahren. Ein anderes Missverständnis: Freunde oder Nachbarn, die mal auf einen Hund aufpassen, glauben mitunter, nur der Hundehalter könne haftbar gemacht werden. Richtig ist: Der Gesetzgeber hat im Paragraphen 834 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) eine spezielle Haftung des Tieraufsehers geschaffen. Anders als der Hundebesitzer kann der Hunde-Aufseher sich allerdings der Haftung entledigen, wenn er seine Unschuld nachweist. Immerhin ist das private Hüten fremder Hunde bei vielen Privat-Haftpflichtversicherungen mitversichert.Die Texte basieren auf Informationen aus einer Artikelserie, die die Gothaer Versicherung veröffentlicht hat. Autor der Serie ist der Versicherungsjournalist Andreas Kunze. Quelle: dpa
Reicht nach einem Einbruch eine Anzeige bei der Polizei? - Nein!Einbruchdiebstahl gehört zu den versicherten Risiken einer Hausratversicherung. Eine Schadenmeldung beim Versicherer sowie eine Anzeige bei der Polizei reicht aber nicht. Für die Schadenregulierung müssen Versicherungsgesellschaft und Polizei unverzüglich ein Verzeichnis der verschwundenen Gegenstände erhalten - im Versicherungsdeutsch „Stehlgutliste“. Dazu gehören möglich präzise Angaben. Für die Abgabe der Stehlgutlisten gibt es keine festen Fristen, es kommt jeweils auf die persönliche Situation an. Wenn ein Versicherungskunde zum Beispiel schwer erkrankt ist und sich sonst niemand kümmern kann, bleibt mehr Zeit. Wenn der Kunde sich zu lange Zeit lässt oder die Liste gar nicht erstellt, kann der Versicherer die Schadenregulierung ganz oder teilweise verweigern. Quelle: dpa
Ist das Rad versichert, wenn es im Garten steht? - Nein! In der Hausrat-Police sind Fahrräder generell mitversichert. Wird das Fahrrad also bei einem Brand zerstört oder bei einem Wohnungseinbruch entwendet, erhält der Besitzer grundsätzlich den Neupreis erstattet. Zu unterscheiden ist jedoch, ob es sich um einen „Einbruch-Diebstahl“ gehandelt hat oder um einen „einfachen Diebstahl“. Wurde in die abgeschlossene Wohnung, den abgeschlossenen Keller oder die abgeschlossene Garage eingebrochen, gibt es kein Problem. Doch wer einen umzäunten Garten hat und glaubt, das Fahrrad wäre dort genauso versichert, liegt falsch. Wenn das Fahrrad aus einem aufgebrochenen Gartenhäuschen verschwindet, wäre das wiederum ein versicherter Schaden. Wenn der einfache Diebstahl des Drahtesels mitversichert wird, kostet das in der Regel einen Prämienaufschlag. Das Fahrrad kann dann auch vor dem Kino oder dem Arbeitsplatz gestanden haben - allerdings natürlich gesichert. Quelle: dpa
Ist viel Schnee auf dem Dach ein Fall für die Gebäudeversicherung? - Nein!Drei Tage lang schneit es ohne Unterbrechung. Hausbesitzer Martin W. schippt fleißig die Wege, auf das Dach achtet er nicht - bis mit lautem Krachen Schnee- und Eisklumpen herunterstürzen und die Regenrinne sowie die Pergola demolieren. Ein Fall für die Gebäudeversicherung? Nicht direkt, denn diese gilt nur für Feuer, Sturm und Hagel sowie Blitzschlag. Für andere Elementargefahren wie beispielsweise Schneedruck braucht der Versicherte eine Elementarversicherung. Dann sind auch Schäden durch Überschwemmung, Rückstau, Erdbeben, Lawinen und Vulkanausbruch versichert. Die Elementarschadenversicherung kann gegen einen Aufschlag von etwa 20 Prozent zusätzlich zur Wohngebäude- oder auch Hausratversicherung abgeschlossen werden. Bezahlt werden dann beispielsweise die notwendigen Reparaturkosten, etwa für die Regenrinne von Martin W. Üblich ist eine Selbstbeteiligung. Der Hausbesitzer darf trotz allem aber nicht tatenlos zu sehen, wenn es schneit. Wenn nötig, muss der Hauseigentümer den Schnee beseitigen lassen. Wenn das unterbleibt, kann der Versicherer die Regulierung ganz oder teilweise verweigern. Quelle: ap
Sind Umzugshelfer versichert? - Nicht zwingend!Nach einem privaten Umzug steht manche Freundschaft auf der Kippe, weil einer der Helfer einen Schaden angerichtet hat und niemand dafür aufkommen will. Ist das dein Fall für die Haftpflicht? Der Grundsatz: Der Verursacher trägt die volle Verantwortung für Schäden. Ausnahmen für bislang gute Freunde sind nicht vorgesehen. Wer als Umzugshelfer den Fernseher fallen lässt, der muss dafür zahlen. Allerdings haben sich die Gerichte etwas einfallen lassen, um Umzugshelfer zu schützen. Bei geringer Schuld wird so getan, als sei ein Vertrag geschlossen worden, durch den auf Schadenersatzansprüche verzichtet wird. Konsequenz ist, dass der Geschädigte keinen Anspruch auf Schadenersatz hat. Es ist ein häufiges Missverständnis, dass eine private Haftpflichtversicherung indes immer zahlt. Wenn kein Schadenersatzanspruch besteht, ist der Kunde selber nicht haftbar und die Voraussetzungen für eine Schadenregulierung sind nicht erfüllt. Bei grober Fahrlässigkeit ist das anders. Einen schweren Fernseher alleine die Treppe hochzuschleppen, wäre etwa grob fahrlässig. Quelle: picture-alliance / Bildagentur-o
Ist ein Brandloch im Teppich ein Versicherungsschaden? - Nein!Zu den versicherten Risiken bei der Hausratversicherung zählt ohne Zweifel der Brand. Und der Teppich gehört ebenso eindeutig zum Hausrat und ist wie das Sofa oder der Fernseher mitversichert. Doch die Hausratversicherung zahlt nicht. Jedenfalls dann nicht, wenn es sich um eine Standard-Police handelt. Denn die Versicherer definieren den Brand als Feuer, das „ohne einen bestimmungsgemäßen Herd entstanden ist oder ihn verlassen hat und das sich aus eigener Kraft auszubreiten vermag“, so ein Hausratexperte der Gothaer Versicherung. Nehmen wir eine Zigarette: Fällt die Glut herunter, hat sie zwar den „bestimmungsgemäßen Herd“ verlassen. Das erste Kriterium wäre erfüllt. Doch: Das Feuer muss sich aus „eigener Kraft“ ausbreiten können. Wenn aber das Brandloch in etwa den Durchmesser einer Zigarette hat, dann hat sich das Feuer eben nicht ausgebreitet. Wer möchte, dass solche Schäden dennoch erstattet werden, muss „Sengschäden“ mitversichern. Quelle: dpa
Enden mit dem Tod automatisch die Policen? - Nicht immer!KFZ-Versicherung: Beim Tod des Versicherungsnehmers geht der Vertrag auf den oder die Erben über. Behalten sie das Auto, läuft die Versicherung weiter, die Prämie kann aber neu kalkuliert werden. Privat-Haftpflichtversicherung: Handelt es sich um eine Single-Police, so erlischt der Vertrag mit dem Tod. Eine Familienpolice läuft weiter. Hausrat-Versicherung: Die Police für den Hausrat geht auf die Erben über. Meist endet der Versicherungsvertrag aber zwei Monate nach dem Tod des Versicherungsnehmers. Wohngebäude-Versicherung: Die Police fürs Haus läuft weiter und wird auf den oder die Erben des Hauses umgeschrieben. Ein Sonderkündigungsrecht wegen des Todesfalls besteht nicht.Unfall-Versicherung: Diese Police endet mit dem Tod des Versicherungsnehmers, wenn er die einzige versicherte Person war. Risiko- und Kapitallebensversicherung: Mit dem Tod der versicherten Person endet der Versicherungsvertrag, die Leistung wird fällig. Private Rentenversicherung: Bei einem Tod vor Rentenbeginn stehen dem Berechtigten oder Erben je nach Vertrag die vereinbarte Leistung zu, zum Beispiel die eingezahlten Beiträge. Verstirbt der Versicherte nach Rentenbeginn, bestehen dann Ansprüche, wenn eine Rentengarantiezeit (z. B. 10 Jahre) oder eine Hinterbliebenenrente vereinbart wurden. Dann wird die Versicherungsleistung an den Berechtigten oder Erben gezahlt. Quelle: dpa

Offenbar sind die Probleme bei der Volksfürsorge zumeist hausgemacht. So kommen viele der neuen Mitarbeiter aus anderen Branchen. Statt den Einsteigern von der Pike auf die Kundenakquise beizubringen, kümmerten sich viele Mitarbeiter kaum um die frischgebackenen Kollegen, weil sie ohnehin nicht bleiben, heißt es aus dem Unternehmen. „Ich sollte Verwandte und Bekannte abgrasen“, erzählt ein Ehemaliger. „Als ich die durch hatte, war Schluss“, sagt er. „Wo hätte ich auf die Schnelle neue Kunden herholen sollen? Ich habe das ja nicht gelernt.“ Die Volksfürsorge gab hierzu keine konkrete Stellungnahme ab und verwies darauf, dass sie die Mitarbeiter fachlich und verkäuferisch qualifiziere.

Genervte Kunden

Norbert F. etwa kann sich noch gut an das Gespräch mit einem Bezirksdirektor der Volksfürsorge in Norddeutschland erinnern. Mit den Kunden, die er erhielt, könne er bei 30 bis 40 Stunden Arbeit pro Woche, „locker 3000 bis 4000 Euro brutto pro Monat verdienen“, habe sein Vorgesetzter behauptet. Doch rief Norbert F. bei den Kunden an, war er, wie sich schnell zeigte, nicht der Erste. „Die wurden vor mir schon von mehreren Vorgängern beackert“, sagt er. Von ähnlichen Erfahrungen berichten auch andere Vertriebsassistenten. Die Volksfürsorge sagte hierzu, dass dieses bei einem Beraterwechsel passieren könne.

Selbst bei erfahrenen Mitarbeitern verliert die Volksfürsorge in großem Umfang Personal. So kamen in den ersten vier Monaten dieses Jahres auf 268 neu angestellte hauptberufliche Mitarbeiter 317 Abgänge. Damit droht auch ein Schwund an Kunden. Geht ein langjähriger Berater zu einer neuen Organisation, wechseln viele Kunden mit ihm.

Verunsicherung unter den Angestellten

Die Gründe für die Abgänge sind unterschiedlich. Neue Vertriebsassistenten verlassen oft freiwillig das Unternehmen, wenn sie mit der Arbeit des Versicherungsverkäufers nicht zurecht kommen. Andere werden gefeuert. Weil das aber nicht nur Erfolglose trifft, macht sich in manchen Direktionen der Volksfürsorge Verunsicherung breit. Eine Handelsvertreterin, die im vergangenen Jahr mit einer Beitragssumme von 2,8 Millionen Euro zu den erfolgreichsten Mitarbeitern der Volksfürsorge zählte, wurde einen Tag vor einer Belohnungsreise nach Dubrovnik gefeuert. Ihr sei nicht einmal ein Grund genannt worden, sagt sie. Die Volksfürsorge behauptet, die Vertreterin sei „2012 nicht vermittelnd tätig gewesen“, keine Verträge eingereicht und keine Kunden betreut. Die betroffene Person bestreitet dies.

Mit einem anderen hochrangigen Mitarbeiter, einer Vertriebsdirektorin, liefert sich der Vorstand einen nervenaufreibenden Arbeitskampf. Erst erhielt die Frau zwei Änderungskündigungen, durch die sie degradiert und versetzt werden sollte. Dann gab es von einem auf den anderen Tag eine Versetzung von Saarbrücken nach Hamburg. Es folgten ein Hausverbot, die dritte Änderungskündigung und zwei fristlose Kündigungen. Die Volksfürsorge behauptet, sie habe der Mitarbeiterin einen Posten als Bezirksdirektorin angeboten, was diese abgelehnt habe. Der WirtschaftsWoche liegen Dokumente vor, die die Behauptung der Volksfürsorge widerlegen.

Einzelfälle? Aufgebauscht? Alles halb so wild?

Neue Offensive

Für Bernd Felske, der seit mehr als drei Jahren die Volksfürsorge als Vorstandssprecher leitet, ist die schlechte Stimmung im Haus alles andere als förderlich. Denn das Unternehmen soll noch einmal kräftig durchstarten – und zwar mit einer neuen „Bestandsmaßnahme“, die die erste aus dem Jahr 2009 offenbar toppen soll. Diesen Eindruck erweckt jedenfalls ein neuer Telefonleitfaden für die Berater, der der WirtschaftsWoche vorliegt. Danach sollen Volksfürsorge-Mitarbeiter die Kunden nach folgendem Drehbuch bearbeiten:

„Berater zum Kunden: Wissen Sie, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass Sie im Lotto gewinnen? Kunde: Ich glaube 1:10 Millionen oder so. Berater: Das war schon sehr gut. Bei einem Sechser ohne Superzahl sind es 1:14 Millionen. Ist Ihnen auch bekannt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass Sie in Ihrem Arbeitsleben berufsunfähig oder sogar ein Pflegefall werden? Kunde: Nein, keine Ahnung. Berater: Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie berufsunfähig werden, liegt bei circa 1:4, und dass Sie ein Pflegefall werden bei circa 1:5.“

Verbraucherschützer warnen

Streichpotenzial der Krankenkassen
Karten von Krankenversicherungen Quelle: AP
Ein Mund Quelle: Robert Kneschke - Fotolia.com
Bonusheft Quelle: dpa
Gymnastik Quelle: Robert Kneschke - Fotolia.com
Akupunktur Quelle: gms
Eine Impfdosis des Mittels Pandemrix gegen Schweinegrippe Quelle: dpa
Geschientes Bein Quelle: Peter Atkins - Fotolia.com

Sodann soll der Kunde, so der Leitfaden, bereit sein für einen Gesprächstermin. Bei dem Treffen bekommt er dann als Begrüßungsgeschenk einen bereits bezahlten Lottoschein.

Was dabei herauskommen soll, erinnert an die Aktion vor rund drei Jahren. Diesmal werden vor allem Kunden mit einer beitragsfrei gestellten Police angesprochen, allerdings jetzt, um ihnen eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsversicherung zu verkaufen. Der Trick auch hier: Wer nur wenig Geld übrig hat für eine neue Versicherung, soll seine stillgelegte Versicherung kündigen. Die Volksfürsorge sagt hierzu nur, dass die Aktion nicht gezielt auf beitragsfreie Verträge ausgerichtet sei.

Der Rückkaufwert wird diesmal auf einem Depot bei der Generali geparkt, um daraus einen Teil der monatlichen Raten für die neue Police zu bedienen. Die Summe solle so gestreckt werden, dass sie mindestens fünf Jahre reiche, „damit wir auf der sicheren Seite sind“, berichtet ein Berater. Denn will der Kunde nach diesem Zeitraum die Versicherung dann nicht mehr, kann der Berater, sprich: die Volksfürsorge, die Provision behalten. Das Unternehmen gab hierzu keine Stellungnahme ab.

Teure Rentenversicherungen

In den Bezirksdirektionen gibt es bereits Listen, welcher Berater wie viele „Besuchsaufträge“ bekommen hat. Zudem sollen die Vorgesetzten nachhalten, wie erfolgreich jeder Mitarbeiter war. „Wenn einer nicht mitmachen will, dann bekommt die Kundendaten ein anderer“, sagt ein Vertriebler. Die Volksfürsorge gab hierzu keine Stellungnahme ab. Und auch hier wurde die interne „KEN“-Regel ausgesetzt. Das heißt, der Berater bekommt dieselbe Provision wie für einen völlig neuen Vertrag. Zudem sollen die besten Verkäufer eines von 90 iPads 3 erhalten. „Legen Sie am besten gleich los, denn bei dieser Aktion zählt nicht Glück, sondern Fleiß!“, heißt es in den Wettbewerbsbedingungen.

Und der Kunde?

Jeder fünfte Arbeitnehmer wird laut Bund der Versicherten arbeits- oder berufsunfähig. Eine Absicherung kann deshalb sinnvoll sein. Verbraucherschützer verurteilen solche Vertriebsaktionen, wie sie die Volksfürsorge betreibt, dennoch. So etwas „habe mit bedarfsgerechter Beratung nichts zu tun“, sagt Axel Kleinlein, Vorstandsvorsitzender beim Bund der Versicherten. Mit den Produkten würden jeweils ganz andere Ziele verfolgt. „Eine Lebensversicherung zu kündigen ist fast immer schlecht für den Kunden“, warnt zudem Honorarberater Horvat. Das liegt unter anderem an den niedrigen Rückkaufwerten. Das Analysehaus Franke und Bornberg hat diese unter die Lupe genommen: Zahlt beispielsweise ein 30-jähriger Kunde monatlich 100 Euro in eine private Rentenversicherung der Generali ein, die 35 Jahre lang laufen soll, erhält er im Kündigungsfall erst nach 16 Jahren Laufzeit sein eingezahltes Kapital zurück.

Ausgedünnte Hierarchieebenen

Ob die neue fragwürdige Offensive der Volksfürsorge aus dem Tief hilft, ist offen. Deshalb plant der Vorstand vorsorglich eine neue Sparrunde. Um Details zu besprechen, hatten es sich die Chefs vom 21. bis zum 24. Mai mit den wichtigsten Führungskräften auf Mallorca gemütlich gemacht. Heraus kam dabei nach Informationen der WirtschaftsWoche, dass die Hierarchieebenen weiter ausgedünnt werden sollen. Mit einigen Führungskräften laufen bereits Trennungsgespräche. In dieser Woche, am 12. Juli, sollen die konkreten Maßnahmen bei einer Führungskräftetagung in Hamburg bekannt gegeben werden. Die Volksfürsorge gab hierzu keine Stellungnahme ab. 2010 hatte der Vorstand noch die Parole ausgegeben: „Wir sind der starke und dynamisch wachsende Vertrieb mit den zufriedensten Kunden und den erfolgreichsten Mitarbeitern.“

Erst recht muss es für die Kunden wie Hohn klingen, was Vorstandssprecher Bernd Felske vor wenigen Monaten in einem Interview sagte: nämlich dass die Volksfürsorge „den Menschen in den Mittelpunkt jedes Beratungsgesprächs“ und „und seine Ziele und Wünsche in den Vordergrund“ stelle.

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