Versicherungen Keine Allianz fürs Leben

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Deutschland fällt zurück

Obwohl Insider auch Besserungstendenzen sehen, lässt die zentralisierte Sachbearbeitung noch häufig zu wünschen übrig. „Wir nähern uns in der Qualität den Billiganbietern an“, schimpft ein Allianzler. Ein anderer spottet: „Schlechten Service bekommt man woanders billiger.“ In 60.000 Stunden hat die Allianz ihre Mitarbeiter für die neuen Aufgaben geschult. Offenbar reicht das immer noch nicht.

Kein Wunder, dass die Allianz die aktuellen Befragungen zur Versichertenzufriedenheit streng unter Verschluss hält. Immer deutlicher schrumpfte schon bis Mitte 2008 die Gruppe der Kunden, die die Allianz weiterempfehlen würden, in Relation zu den Kritikern. Von 100 befragten Kunden wollten nur 23 zur Allianz raten, 48 Versicherte nicht. Der Rest blieb unentschieden. Die Differenz aus Fans und Kritikern ergibt einen sogenannten Net Promoter Score von minus 25, im Vorjahr waren es noch minus 19. Zwar sind die Skeptiker auch bei ausgewählten Wettbewerbern in der Überzahl, aber Mitte 2008 nur mit 16 Zählern. In den Bereichen schießt die Allianz Private Krankenversicherung mit einem Net Promoter Score von minus 35 Prozent den Vogel ab, die Konkurrenz begnügt sich hier mit minus sieben Punkten.

Eigene Mitarbeiter geben Allianz schlechte Noten

Parallel zu den Kunden wollte die deutsche Allianz auch ihre Mitarbeiter regelmäßig zu ihrer Identifikation mit dem Unternehmen befragen. Die Erhebung ist derzeit überfällig – wegen der bisherigen schlechten Noten, munkeln Angestellte. Sie vermissen den früheren „menschlichen Führungsstil“, der die Allianz ausgezeichnet habe. „Die Gnadenlosigkeit, mit der der Umbau durchgeknüppelt wurde, hat vieles kaputt gemacht“, sagt selbst ein Leitender. Das Management biete kaum Motivation und Orientierung. Für Rupprecht, der in diesem Herbst 30 Dienstjahre bei der Allianz erreicht, sind dies Kinderkrankheiten: Sie verschwänden, sobald sich die neuen Strukturen eingespielt hätten. Interne Kritiker fällen dagegen ein vernichtendes Urteil: „Der Umbau ist gescheitert“, sagt einer.

Fest steht: Der Mutterkonzern sieht die ADAG bei den Sparvorgaben noch nicht auf der Zielgeraden. In einer Zwischenbilanz listet er die erwarteten Fortschritte seiner europäischen Töchter bis 2011 auf. Demnach hat die Deutschland-Tochter erst die Hälfte des Pensums geschafft und entwickelt sich 2009 gar nicht weiter. Einige Schwestergesellschaften, die von der ADAG lernen sollten, haben ihr Soll schon besser oder gar ganz erfüllt. Die Deutschen sind erst 2011 soweit.

Immer weniger Kunden wollen die Allianz fürs Leben eingehen

Schwund ohne Ende

Scheibchenweise revidiert Rupprecht daher seine Planungen: Bereits im vergangenen Jahr war klar geworden, dass rund 250 Stellen nicht bis Ende 2008 sozialverträglich gekappt werden können. Nun dreht der ADAG-Chef seine Streichpläne um weitere 650 Jobs zurück. Ein Teil der vorerst erhaltenen Stellen entfällt auf neue Geschäftszweige, etwa beim Direktversicherer Allianz24 oder der neu gegründeten Allianz-Bank. Der übrige Bedarf aber entsteht, weil das Management die Rationalisierungschancen im neuen Konzernmodell schlicht über- und die Anlaufschwierigkeiten unterschätzt hatte.

Derweil wird klar: Immer weniger Kunden wollen die Allianz fürs Leben eingehen. Bei den Riester-Rentenversicherungen haben die deutschen Generali-Töchter Aachen Münchener, Cosmos und Generali den Marktführer schon vom Thron gestoßen. Damit wollen sie sich nicht begnügen. Zur Umzugsfeier am neuen Standort in Köln am 15. Juni hatte Generali-Deutschland-Chef Dietmar Meister eine große Eins mitgebracht, bestehend aus den Markenlogos der Gruppe. „Sie steht für unser gewagtes Ziel: bei Vertriebskraft und Ertrag die Nummer eins im deutschen Privat- und Gewerbekundengeschäft zu werden“, sagte Meister. Den Marktführer erwähnte er mit keinem Wort – trotzdem war allen Gästen klar: Da bläst einer zum Angriff auf die Allianz.

Als nächstes dürften die Münchner ihre einst unangefochtene Führerschaft in der wichtigen Autoversicherung verlieren. Hier holt die HUK-Coburg mit rasendem Tempo auf. 2008 konnte sie 180.000 Privatfahrzeuge mehr versichern, die Allianz setzte ihren Schrumpfkurs fort. In den Sechzigern hatte der Riese einen Marktanteil von mehr als 32 Prozent. Ende 2008 ist er bei rund 16 Prozent angelangt – nur noch einen Prozentpunkt vor der HUK.

Diekmann forderte Revolution statt Evolution – und zielte auf den Beifall der Börse. Ein Sprung nach vorn kommt an den Märkten besser an als zehn Trippelschritte, zumal bei einem einst betulichen Versicherer. Zugleich wollte er mit der Axa in Paris seinen hartnäckigsten Konkurrenten abschütteln.

Kein Wunder, dass er nun ungeduldig auf Ergebnisse drängt. Denn wenn die deutsche Tochter ihre Ziele reißt, droht auch dem Konzern eine Schlappe. Einen Ertragsschwund der ADAG könnte sich der Mutterkonzern kaum leisten – schon gar nicht mitten in der Finanzkrise. Zwar betont Finanzvorstand Helmut Perlet die Solidität des blauen Riesen: Dank eines stark reduzierten Aktienanteils und des robusten Kerngeschäfts mit Versicherungen sei der Finanzkonzern auch in der Krise sehr sicher. Die Allianz verfüge über 161 Prozent des erforderlichen Sicherheitskapitals – mehr als noch vor einem halben Jahr.

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