"Vier-Generationen-Käufer" Best Ager - Superkunden des Mittelstands

Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise suchen Unternehmen verstärkt nach Konzepten und Ideen, um ihren Absatz zu fördern. Eine Kundengruppe hat es den Firmen dabei besonders angetan: Die Über-50-Jährigen. Die sogenannten "Vier-Generationen-Käufer" verfügen tendenziell über hohe Kaufkraft und sind daher auch für mittelständische Anbieter eine lukrative Käuferschicht.

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In der Marketing-Kommunikation empfiehlt es sich, die Generation 50plus nicht explizit auf ihr Alter anzusprechen. Sie fühlen sich häufig weitaus jünger. Quelle: handelsblatt.com

DÜSSELDORF. Friedrichshafen feiern in diesem Jahr 868 Personen ihren 70. Geburtstag. Angenommen die Jubilare laden jeweils durchschnittlich 20 Personen ein, sind es insgesamt 17 360 Geburtstagsgäste. Wenn eine Hälfte zu Hause und die andere Hälfte im Lokal feiert, kommen rund 260 000 Euro zusammen - bei Kosten für den Partyservice in Höhe von 20 Euro pro Person beziehungsweise 40 Euro für den Restaurantbesuch. "Hinzu kommen dann noch Ausgaben für Geschenke, Reisekosten, Kleidung und Friseurbesuche", rechnet Guido Hunke, Geschäftsführer der A.GE Bodensee - Agentur für Generationen-Marketing, vor. "Der "70. Geburtstag" ist ein Wirtschaftsfaktor für mittelständische Unternehmen." Der Berater verwendet gerne dieses Beispiel in Kundengesprächen, um deutlich zu machen, welches Potenzial die Zielgruppe 50plus hat und wie unterschiedliche Branchen hiervon profitieren können.

Bereits heute ist knapp ein Drittel der Gesamtbevölkerung über 55 Jahre alt - 2050 wird nach Angaben des Statistischen Bundesamtes jeder Dritte über 60 Jahre alt sein. Zum Vergleich: 1910 waren keine zehn Prozent der Bevölkerung älter als 64 Jahre. Gerade jetzt in der Wirtschaftskrise suchen die Unternehmen verstärkt nach Konzepten und Ideen, um möglichen Umsatzrückgängen in diesem Jahr vorzubeugen. Hunke empfiehlt seinen Kunden, über 50-Jährige als attraktives Kundensegment zu begreifen, da sie sich durch eine hohe Kaufkraft auszeichnen. Jeder Vierte über 55 Jahren verfügt nach Angaben des Statistischen Bundesamtes über ein Geldvermögen von mindestens 50 000 Euro. Nach Informationen des Deutschen Instituts für Alterforschung vererbt die ältere Generation zehn Prozent ihres Erbvolumens bereits zu Lebzeiten an ihre Kinder oder Enkelkinder.

Hunke bezeichnet die 50- bis 60-Jährigen als "Vier-Generationen-Käufer": Sie geben nicht nur Geld für sich selbst aus, sondern auch für ihre Eltern, ihre Kinder und Enkelkinder - indem sie ihnen finanzielle Unterstützung für ein Eigenheim oder Pflegeheim bieten, mit ihnen verreisen und Geschenke kaufen. "Dieses Beispiel bringe ich ganz gerne, um Unternehmen zu verdeutlichen, dass es nicht nur darum geht, spezielle Produkte und Leistungen für ältere Menschen anzubieten, sondern es können auch Produkte und Leistungen für die Kinder und Enkelkinder sein, die Großeltern als Käufer ansprechen - etwa ein Fahrrad für das Enkelkind, Bekleidung, Parfümerieartikel für die Tochter oder den Sohn", so der Berater

Wie Unternehmen erfolgreich wachsen können, zeigt das Beispiel von drei Lebensmittel-Großhändlern, die das Franchise-Nahversorgungskonzept "Um`s Eck" vor zehn Jahren für selbständige kleinflächige Lebensmittel-Märkte und Convenience-Shops in ländlichen Regionen entwickelt haben. Immerhin 57 Millionen Menschen leben in Orten unter 100 000 Einwohnern - darunter viele ältere Menschen, die nicht mehrere Kilometer mit dem Auto fahren wollen, um ihre täglichen Einkäufe zu erledigen. Hinzu kommt, dass der Bedarf für den Großeinkauf in den Einkaufszentren am Stadtrand zunehmend schwindet. Wal-Mart hat sich bereits aus Deutschland verabschiedet. Außerdem steigt Umfragen zufolge mit zunehmendem Alter der tägliche Einkauf pro Woche.

Das Konzept sieht ein breites Sortiment vor - von Butter bis Körperpflege -, die mit neuen Produkten ergänzt werden. "Sie überlegen derzeit auch Senioren-Handys und andere altersgrechte Produkte ins Produktportfolio aufnehmen", so Guido Hunke. Hervorzuheben ist die einfache, aber sehr durchdachte, barrierefreie und freundliche Ladengestaltung. Wichtig ist den Franchisegebern, dass die Ladeninhaber den Kundenwunsch nach Service ins Zentrum ihrer Vertriebsaktivitäten stellen- vergleichbar mit den Tante Emma-Läden von früher. Das Personal nimmt regelmäßig an Schulungen teil, die ihnen den professionellen Umgang mit den älteren Kunden vermitteln. Ein Außer-Haus-Service wird ebenfalls angeboten. Mittlerweile haben 200 Ladeninhaber in Bayern und Baden-Württemberg das Konzept umgesetzt.

Auch Handwerker stellen sich auf die Älteren ein, um ihnen die Hemmschwelle vor Umbaumaßnahmen zu nehmen- etwa in der Region Tübingen: Dort legt die Kreishandwerkerschaft großen Wert auf einen seniorenfreundlichen Umgang. "Ausreichend Bedarf ist vorhanden", sagt der Experte. Beispiele dafür sind der barrierefreien Umbau von Wohnungen, die Installation von Kommunikationsanlagen, Farb- und Raumgestaltung sowie die Erneuerung von Fenstern und Türen. Einer LBS-Studie zufolge bauen jedes Jahr eine Millionen Menschen ihre Wohnungen barrierefrei. Für die Umbaumaßnahmen geben sie im Durchschnitt 15 000 Euro aus. Alles aus einer Hand bietet www.rufdenprofi.de. Das ist eine Initiative, in der sich verschiedene Handwerker aus unterschiedlichen Gewerken zusammengeschlossen haben und ihren Kunden einen Rund-um-Service aus einer Hand anbieten. Hunke begrüßt diesen Service, weil der Kunde nur einen Ansprechpartner hat, der alles koordiniert und somit auch die Gespräche und Abstimmungen mit den anderen Handwerkern übernimmt.

"Viele mittelständische Betriebe machen sich Gedanken über spezielle Produkte für die älteren Kunden. Das ist aber häufig nicht notwendig. Entscheidend ist zunächst eine intensive Sensibilisierung der eigenen Mitarbeiter für die Wünsche und Bedürfnisse der älteren Kunden", rät der Experte. Neben der Schulung der Mitarbeiter sollten Unternehmen den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten auf die Bereiche Service, Kommunikation und Vertrieb legen.

In der Marketing-Kommunikation empfiehlt es sich, die Generation 50plus nicht explizit auf ihr Alter anzusprechen. Sie fühlen sich häufig weitaus jünger. Das bestätigt Joachim Strauch, Leiter des ZDF-Werbefernsehens: "Allen Mediaverantwortlichen sollte heute bewusst sein, dass erwachsene Menschen jeden Alters sich um zehn Jahre jünger fühlen; dass sich Frauen über 50 mit Iris Berben (58) und Männer über 50 sich mit Thomas Gottschalk (58) identifizieren. Auch Jens Emmer, Geschäftsführer beim Wort & Bild Verlag, in dem die "Apotheken Umschau" und der "Senioren Ratgeber" erscheinen, sieht ebenfalls in der Generation 50plus keine - durch ihr Alter bedingte - homogene Zielgruppe. "Sie lässt sich nicht unter einen Hut bringen."

Entscheidend sind die Lebensumstände: ob jemand noch berufstätig oder Rentner ist, mit Kindern und Enkelkindern unter einem Dach wohnt oder allein in seinen vier Wänden. Diese Rahmenbedingungen haben enormen Einfluss auf das Kaufverhalten, weniger die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Altersgruppe. Auch sei es ein Fehler, ältere Menschen zwischen 50 und 60 Jahren "? in einen Topf mit hoch betagten 80-Jährigen zu werfen", sagt ein Experte. Der Unterschied zwischen 50- und 80-Jährigen sei mindestens genauso groß wie der Unterschied zwischen 20- und 50-Jährigen.

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