Web 2.0 Die Internet-Szene läuft erneut heiß

Milliardenabschreibungen bei Ebay, Karteileichen bei Second Life, horrende Preise für Firmenübernahmen, dazu Geschäftsideen aus Absurdistan: Droht sich das Internet nach dem Crash im Jahr 2000 ein zweites Mal zu überschlagen?

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Der erfolgsverwöhnte Internet-Multiunternehmer Niklas Zennström aus Järfälla bei Stockholm musste kürzlich eine ungewohnte Niederlage einstecken. Anfang Oktober trat der 41-jährige Schwede als Chef von Skype zurück – wegen Erfolglosigkeit. Zennströms einstiges Unternehmen, der Anbieter von Internet-Telefonie, galt lange Zeit als eines der heißesten Startup-Unternehmen weltweit. Vor zwei Jahren kaufte ihm das US-Online-Handelshaus Ebay seine damalige Bude mit gerade mal 80 Mitarbeitern für sagenhafte 2,6 Milliarden US-Dollar ab – zuzüglich erfolgsabhängiger Bonuszahlungen bis zu 1,5 Milliarden. „Wir sind nicht der Meinung, zu viel zu zahlen. Skype weist eine grandiose Wachstumsdynamik auf“, sagte Ebay-Chefin Meg Whitman im Herbst 2005 und erhoffte sich, dass der Coup „unser traditionelles Geschäft beschleunigt“. Doch daraus wurde nichts. Zwar telefonieren inzwischen 220 Millionen Menschen weltweit mit Skype. Im vergangenen Quartal aber erbrachte das Geschäft immer noch nur 90 Millionen Dollar an Einnahmen – weniger als 50 Cent pro Kunde. Die 2005 angekündigte weitreichende Integration in die Ebay-Handelsplattform kam nicht zustande. Selbst Skype-Mitbegründer Zennström gibt inzwischen zu, dass er für sein Unternehmen einen überzogenen Betrag kassierte: „Wir haben es bei der Gesamtsumme wohl übertrieben.“ Whitman muss nun 1,4 Milliarden Dollar des Skype-Firmenwerts abschreiben, so viel wie ein Ebay-Jahresgewinn. Ihr einziger Trost: Von der vereinbarten Erfolgsprämie für die Skype-Altaktionäre in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar braucht sie jetzt nur noch 275 Millionen Dollar überweisen. Daraufhin ging der Kurs der Ebay-Aktie seit Langem mal wieder nach oben. Ist die sündhaft teure, missglückte Traumehe von Skype und Ebay ein erstes Anzeichen, dass die Internet-Branche auf eine zweite Krise zusteuert? Enthalten die neuen Geschäftsmodelle der Aufsteiger der jüngsten Zeit in erster Linie heiße Luft? Verspekulieren nach Ebay nun auch andere Größen im Web Milliarden mit Ideen, die schick bis schrill klingen, sich auf Dauer aber nicht in profitables Geschäft verwandeln lassen? Seit dem Skype-Deal vor zwei Jahren jagen sich wieder die Übernahmen von Internet-Firmen, steigen die Preise für die Unternehmen in einem Maß, das an die Endphase der New Economy im Jahr 2000 erinnert. Damals stürzten binnen weniger Wochen die Aktienkurse von Internet-Firmen, die Anleger kurz zuvor noch wie milliardenschwere Traditionsfirmen taxiert hatten, ins Bodenlose. Eine ähnliche Rally scheint auch jetzt wieder eingesetzt zu haben. Wenige Wochen bevor Ebay im Herbst 2005 Skype kaufte, schluckte der australische Medienzar Rupert Murdoch mit seiner News Corporation für 580 Millionen Dollar Intermix, die Holding der Internet-Kontaktbörse MySpace – schon damals einer der heißen Neuaufsteiger im Internet.

Keine drei Monate später, im Dezember 2005, stieg Google in den Run auf Internet-Firmen ein. Erst blätterte der Suchmaschinenprimus eine Milliarde Dollar für einen Fünf-Prozent-Anteil an dem Online-Dienst AOL hin. Dann, im Oktober 2006, holte Konzernchef Eric Schmidt für 1,65 Milliarden Dollar das Video-Internet-Portal YouTube ins Google-Reich. Noch ein halbes Jahr später, im April 2007, machte der Web-Moloch weitere 3,1 Milliarden Dollar locker, um den Internet-Werbevermarkter Doubleclick zu fressen. Mitte dieses Jahres schließlich schloss sich der Software-Riese Microsoft dem Übernahmereigen an, konterte Google und griff für sechs Milliarden Dollar nach dem Doubleclick-Rivalen Aquantive. Dass in den USA, vornehmlich in Kalifornien, wieder eine Internet-Blase entstanden ist, bestreitet dort inzwischen niemand mehr. „Bubble 2.0“ heißt das geflügelte Wort für die neuerliche Übertreibung nach dem Crash im Jahr 2000. Wie nervös die Börsianer bereits wieder sind, zeigte sich vor eineinhalb Wochen. Die Investmentbank J.P. Morgan hatte einen kritischen Report über das börsennotierte Internet-Portal Baidu.com aus China veröffentlicht, bis dahin ein Liebling der Investoren. Und schon verlor die Aktie rund zehn Prozent – und riss andere Börsen-Überflieger wie Apple oder den Blackberry-Hersteller Research in Motion mit. „Das könnte eine Mini-Ausgabe dessen werden, was sich Ende 2000 und Anfang 2001 auf dem Höhepunkt der Dotcom-Blase ereignete“, sagt Tim Beggam, Strategiechef des auf Aktienoptionen spezialisierten Online-Brokers Thinkorswim in Chicago.

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