Wein Edle Tropfen aus Steillagen

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Ein Weinbauanbaugebiet bei Quelle: AP

Bernd Kreis aus Stuttgart braucht keine Wanderwege. Für ihn ist die Arbeit im Hang Ausgleich genug, um seine Mühen zu rechtfertigen. Der ehemalige Sommelier im Restaurant Wielandshöhe von Sternekoch Vincent Klink betreibt heute zwei Weingeschäfte in Stuttgart. Wenn er sich vom Kaufmännischen erholen will, geht er in seinen steilen Wingert, in dem er Trollinger anbaut. Gut 2000 Quadratmeter groß ist das Stück in der Aufsicht. „Dank der Neigung sind es aber tatsächlich noch einmal gut 20 Prozent mehr Fläche“, sagt Kreis, der die Weinarbeit auch macht, um die Kulturlandschaft zu erhalten.

Diese Motivation teilt er mit Nebenerwerbswinzer Schneider von der Mosel. Seit fünf Jahren bemüht er sich mit einer kleinen Gruppe aus Freunden und Bekannten um den steilen Abschnitt „Enkircher Ellergrub“, deren Treppen so steil wie in einem schmalen Kirchturm nach oben gehen. „Klitzekleiner Ring“ nennt sich die Gesellschaft von zehn Nebenerwerbswinzern ironisch in Anspielung auf den 100 Jahre alten Verein „Großer Ring“, dem 31 der renommiertesten Güter der Weinbauregion Mosel-Saar-Ruwer angehören. Dem Wein, den die zehn Mitglieder des „Klitzekleinen Rings“ der Lage Enkircher Ellergrub unter Schweiß abtrotzen, drucken sie in großen Lettern den Sinn seines Daseins auf die Flasche: Bergrettung.

Wie die aussehen könnte, lässt sich keine zwölf Kilometer Luftlinie entfernt begutachten. Volle Rebhänge prägen die Landschaft rund um Bernkastel-Kues. Beste Basis für den Stoff, die in der Gunst von Weinfans aus aller Welt ganz oben stehen. Mit 100 Punkten – mehr geht nicht – bewerten die Weinkritiker Armin Diel und Joel Payne in der noch aktuellen Ausgabe des Gault Millau WeinGuide Deutschland einen Wein des Weinguts Fritz Haag aus Brauneberg.

Entwicklung von Ernterobotern

In der Lage Brauneberger Juffer-Sonnenuhr wachsen Riesling-Trauben, die in der Steillage so lange reifen dürfen, bis sie als Trockenbeerenauslese mit nur sechs Prozent Alkohol abgefüllt werden. Wer eine der wenigen höchst begehrten Flaschen ergattert hat, kann Ruhe bewahren. Bis 2040 schätzen Diel und Payne kann der Tropfen bei guter Lagerung noch weiter an Format gewinnen.

Lichtblicke wie diese sind es, die die Forschungsanstalt Geisenheim vor vier Jahren im Rheingau ein Projekt starten ließ, das helfen soll, Steillagen vor der Rodung zu bewahren. In Zeiten, wo die Erntehelfer aus Polen ausbleiben, sei umso dringender technische Hilfe nötig, sagt Klaus Schaller, Leiter der Forschungsanstalt. Hubschrauber können, von GPS gesteuert, selbst kleinste Parzellen mit Pflanzenschutzmitteln besprühen, in der Entwicklung befinden sich Ernteroboter, die per Joystick vom Winzer gesteuert werden.

Eile ist geboten, wenn die mechanische Hilfe für einige Lagen nicht zu spät kommen soll. Denn Flächen, die sieben Jahre lang unbestellt blieben, dürfen nicht ohne Weiteres wieder mit Rebstöcken bepflanzt werden. Soll eine Parzelle wieder rekultiviert werden, muss ein Antrag gestellt werden, Pflanzrechte werden zwischen den Bundesländern verkauft wie die Emissionsrechte zwischen den Nationen.

Für Weinkritiker Armin Diel ist es mit einer Neubestockung allein aber auch nicht getan. Erst der Berg im Zusammenspiel mit Mensch und Rebstöcken sei in der Lage, große Weine hervorzubringen. Dafür benötige man jedoch möglichst alte Reben, die metertief in die Böden ragen. Olaf Schneider kann nicht einmal genau sagen, wie alt die Reben schon sind, die der Klitzekleine Ring von einem örtlichen Winzer gepachtet hat, der diese Aufgabe nicht mehr bewältigen wollte. Für Schneider zählt nur, dass der Hang zunächst in Betrieb bleibt und der Wein von dort ein typischer Moselriesling ist, wie es ihn nur hier geben kann. Sobald ein Winzer kommt und die Reben dort bearbeiten will, würde Schneider die Pacht sofort abtreten: „Wir ziehen dann weiter und retten den nächsten Berg.“

* Quellen: Deutscher Weinbauverband (2002), Statistisches Bundesamt (1992), KTBL 2003

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