Weltspitze Verhandeln in Australien - Gar nicht so "Down under"

Handelsblatt Online bietet Ihnen mit der Serie "Weltspitze - wie Deutsche international Erfolg haben" praktische Hilfe: Jeden Montag präsentiert der Internationalisierungsberater und Buchautor Sergey Frank eine Kolumne zu dem Thema, wie Unternehmer im Ausland Geld verdienen können. Heute geht es um Verhandeln in Australien.

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Die Oper in Sidney: Australien bietet große Möglichkeiten. Quelle: SID

Australien, einst entlegene Strafkolonie des British Empire und Reiseziel zahlreicher deutscher Einwanderer im 19. Jahrhundert, ist inzwischen zu einem weltweit wichtigen Handelspartner geworden. Deutschland pflegt rege Handelsbeziehungen mit dem sechstgrößten Land der Erde und ist nach Großbritannien der wichtigste europäische Handelspartner Australiens. Über 300 deutsche Unternehmen haben sich dort mit Tochtergesellschaften niedergelassen.

Das Land ist riesig, verfügt mit Sydney, Melbourne, Perth, Brisbane und Adelaide jedoch nur über fünf wirklich große und bedeutende Wirtschaftszentren. Und obwohl der Kontinent fast 24 Flugstunden von Deutschland entfernt ist und näher an Asien als an Europa oder Amerika liegt, ähnelt das Geschäftemachen dort mehr der westlichen Art des Verhandelns als der benachbarten asiatischen. Die australische Mentalität ist sehr stark britisch wie auch amerikanisch beeinflusst. Wenn man geschäftlich nach "Down under" reist, sollte man jedoch nicht versuchen, seinen in den USA oder in Großbritannien sonst problemlos funktionierenden Verhandlungsstil hier eins zu eins anzuwenden. Auch in Australien müssen beim Geschäftemachen einige Dinge beachtet werden, die wir im Folgenden beleuchten wollen.

Verhandeln ohne Umschweife

Die besondere Mischung aus der eher traditionell angehauchten britischen und der moderneren amerikanischen Mentalität zeigt sich zum Beispiel darin, dass Australier während der Verhandlungen einerseits zwar stets mit viel Respekt und Höflichkeit ihrem Geschäftspartner gegenübertreten, dabei aber nicht viel Zeit für Diskussionen verschwenden. So wie in den USA gilt auch hier: "Time is of the essence". Um während der Verhandlungen schnellstmöglich zu einem Konsens zu finden, werden Unterbrechungen während eines Vortrags, indem man Fragen stellt, nicht zwangsläufig als unhöflich angesehen. Sie sind eher Teil der Diskussion und führen nicht, wie zum Beispiel in Asien, zum "Gesichtsverlust".

Wer in Australien Geschäfte machen will, muss auch wissen, dass in "Down under" anders als im benachbarten Asien direkt kommuniziert wird. Australier sehen eine klare Sprache und klar umrissene Vorstellungen als Tugend an und empfinden Unbestimmtheit und Mehrdeutigkeit als eher irreführend. Sie kommen meist ohne große Umschweife zum Punkt und diskutieren äußerst zielorientiert. Diese Zielorientierung ist ein essentielles Prinzip der australischen Geschäftskultur. Der australische Partner will das Geschäft in der Regel schnell über die Bühne bringen.

Lockeres Miteinander

Jedoch will Ihr Geschäftspartner aus "Down under" auch wissen, mit wem er es zu tun hat. Daher kann im Vorfeld der eigentlichen Gespräche ein erstes "Warm-up", durchaus auch in einem Restaurant, stattfinden. Während eines solchen Anlasses, aber auch während der Verhandlungen selbst legt Ihr australischer Geschäftspartner eher wenig Wert auf Status, Titel, Formalitäten und Protokoll. Er spricht in einer formlosen und direkten Weise, nennt Vornamen statt Nachnamen und ist in seiner Gestik und Körpersprache sehr entspannt.

Das bestätigt auch ein Projektmanager eines deutschen Automobilzulieferers in Sydney, der dort seit vielen Jahren arbeitet: "Die australischen Partner haben die Gespräche locker begonnen und sind ohne viel Aufhebens gleich zur Sache gekommen. Die gesamte Kommunikation war direkt und angenehm, ab und zu angereichert mit etwas derbem Humor." Der Vertragsabschluss sei dann in einer Kneipe gefeiert worden.

Diese entspannte Haltung zeigt sich auch hinsichtlich des Timings: Auch wenn Australier Verhandlungen sehr pragmatisch und zielorientiert angehen, machen sie sich nicht so abhängig von Zeitplänen und Tagesordnungen wie Deutsche oder Amerikaner. Australier sind prinzipiell eher "laid back", was sich auch in ihren Verhandlungen zeigt. Jedoch sollte man diese Entspanntheit keinesfalls als Desinteresse oder fehlende fachliche Kompetenz fehlinterpretieren.

Die eigentliche Verhandlung

Ganz wie ihre britischen Vorfahren zeigen sich australische Geschäftsleute in ihrer Unternehmenspräsentation eher bescheiden. Die "Alteingesessenen" wissen, dass man seine Produkte nicht übermäßig loben und mit Superlativen schmücken sollte. Stattdessen sollte man lieber vorsichtig die Vorteile seiner Produkte oder Dienstleistungen herausarbeiten und diese mit Zahlenmaterial unterstreichen.

Ihrem australischen Geschäftspartner ist es wichtig, ein ganzheitliches Bild von Ihrem Unternehmen und dessen Produkten und Leistungen zu bekommen. Aus diesem Grund wird er sich hin und wieder in Ihre Präsentation einbringen und Informationen und Standpunkte von seiner Seite liefern und Fragen stellen. Dabei bietet es sich an, solche Informationen auszutauschen, die zum einen nicht vertraulich sind, und zum anderen die Möglichkeit für neue Optionen mittels Brainstorming bieten. Prinzipiell arbeiten Australier konstruktiv daran mit, mögliche Lösungen zu konstruieren und umzusetzen oder Alternativen zu finden.

Aufgrund seiner starken britischen Wurzeln mit Fair Play und Sportsgeist praktiziert der australische Partner jedoch auch einen harten, aber angemessenen Wettbewerb. Er wählt gerne die Lösung, bei der er als Gewinner dasteht, sein Gegenüber aber nicht als Verlierer. Gegenseitige Zugeständnisse werden daher so gewährt, dass beide Seiten mit dem Verhandlungsresultat zufrieden sind und folglich eine sogenannte "win-win-Situation" erreicht ist.

Zu heftiges Feilschen wird von den Australiern oft als Basarhandel angesehen und wenig geschätzt. Geben Sie folglich ein relativ realistisches Ausgangsangebot ab, das vom geplanten Ziel nicht zu weit entfernt liegt. Der australische Partner erwartet von Ihrer Seite Zugeständnisse im gleichen Umfang, wie er sie Ihnen einräumt.

Verhandeln in Australien - Das sollten Sie beachten

- Australier führen Ihre Verhandlungen auf hohem Niveau. Dabei sind Augenkontakt und eine direkte Ansprache unerlässlich. Wichtig sind ebenfalls eine gute Vorbereitung, Sachlichkeit, Pragmatismus und eine gesunde Portion Humor. Dieser und die Fähigkeit, Smalltalk zu betreiben, können helfen, zu Beginn der Verhandlungen das Eis zu brechen.

- Man sollte seine Fähigkeiten klug herausarbeiten, präsentieren und verkaufen. Es ist besser, die Vorteile des Unternehmens und seiner Produkte oder Dienstleistungen zu demonstrieren, als nur darüber zu reden.

- Die Lebensweise eines reinen Workaholics wird eher kritisch gesehen. Zwar geht das Geschäftsleben vor allem in Sydney mitunter sehr hektisch vonstatten, Australier verstehen es aber auch, sich zum Feierabend oder am Wochenende am Strand oder bei einem Barbecue zu entspannen. In Australien dominiert die Vorstellung, beruflich erfolgreich zu sein, dabei aber gleichzeitig sein privates Leben und die Freizeit zu genießen.

- Aufgrund der Geschichte des Landes als ehemalige britische Kolonie wird vieles, was britisch ist, in Australien immer noch hochgeachtet. So zum Beispiel die Eliteuniversitäten Oxford und Cambridge und die damit verbundenen Traditionen. Vieles in Australien erinnert an das Vereinigte Königreich, so zum Beispiel die Ausbildung, das Gerichtswesen, die Steuer- und Wirtschaftsprüfung, aber auch der Sport. Und auch die überaus positive Angewohnheit, unermüdlich Smalltalk zu betreiben (oft auch mit Unbekannten) und die gewisse Portion trockenen Humors zeugen von der Verbindung zum britischen Vaterland.

- Australien ist eine multikulturelle Gesellschaft, in der viele Geschäftsleute als Immigranten in erster oder zweiter Generation leben. Dies kann mitunter die paraverbale Kommunikation beeinflussen: Ein Australier mit griechischen oder spanischen Einflüssen wird unter Umständen eindrucksvoller und lauter kommunizieren als jemand, der ursprünglich aus Großbritannien, Deutschland oder Skandinavien kommt.

- Die Kleiderordnung ist eher leger, bei formellen Anlässen aber konservativ und klassisch. Dunkelgraue Anzüge mit schwarzen Schuhen und dunklen Socken sind angebracht.

Der Reiz des "Down under"

Die äußerst angenehme australische Mischung aus Freundlichkeit, Gelassenheit, Sonne und faszinierender Natur bietet einen starken Reiz, dem jedes Jahr Tausende junger Backpacker aus Deutschland, Großbritannien und zahlreichen anderen Ländern aufs Neue erliegen. Doch auch als Geschäftsland sollte Australien nicht vergessen werden. Positiv dabei: Australier sind perfekte Geschäftsleute. Sie lieben es jedoch auch, Spaß zu haben. Und dieser sollte auch bei Ihnen neben dem Geschäft in Australien immer seinen Platz finden.

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