Weltwirtschaftsforum Davos - Hauptstadt für fünf Tage

Seite 3/6

Der damalige Nestlé-Präsident Helmut Maucher und ABB-Chef Percy Barnevik gehörten zum engsten Forumskreis. Ex-VW-Chef Ferdinand Piëch, einer der wichtigsten Forumsförderer, kannte Schwab vom gemeinsamen Studium an der ETH Zürich. Der langjährige amerikanische Außenminister Henry Kissinger war an der John F. Kennedy School der Harvard University sein Lehrer. Politiker waren in Davos ein Jahrzehnt lang die Ausnahme. Erst 1982 wurde das Managermeeting erstmals um Staats- und Regierungschefs und Führer von internationalen Organisationen wie der Weltbank ergänzt. Fortan folgten sie Schwabs Einladung bereitwillig und Jahr für Jahr in größeren Zahlen. Das Format des Forums begann sich nachhaltig zu verändern. Heute finanzieren zwar noch immer die 1000 Teilnehmer aus der Wirtschaft mit ihren Mitgliedsbeiträgen die große Sause: 30 000 Schweizer Franken kostet die Mitgliedschaft im WEF pro Jahr und Unternehmen – Voraussetzung, um überhaupt eingeladen zu werden. 14 000 Franken berappen die Teilnehmer dann noch einmal pro Kopf für die Konferenz – ohne Unterkunft und Verpflegung, versteht sich. Inzwischen sind aber noch einmal genauso viele Gäste aus der Politik, von Gewerkschaften und NGOs oder aus der Wissenschaft geladen. Am Mittwoch dieser Woche beispielsweise eröffnete Tony Blair die Konferenz. Die Politprominenz gab Klaus Schwab die Chance, sich als Weltverbesserer in Szene zu setzen. Zwar hat er mit der Zusammenführung verfeindeter Führer durchaus den politischen Dialog befördert. Griechen und Türken suchten 1988 in Davos nach einem Konsens, genauso wie Hans Modrow, Vorsitzender des Ministerrats der DDR, und Bundeskanzler Helmut Kohl wenige Jahre später. Südafrikas Staatspräsident Frederik Willem de Klerk und sein späterer Nachfolger Nelson Mandela sinnierten 1992 gemeinsam über die Zukunft ihres Landes. Und Israels Premier Shimon Perez und Palästinenserführer Jassir Arafat reichten sich 1994 – wenn auch nur widerstrebend – die Hand. So schön die politischen Fensterreden und inszenierten Dialoge für das Marketing des Forums und die internationale Publizität ihres Chefs sein mögen: Für die zahlenden Gäste bringt sie einen zweifelhaftem Nutzen. „Politikerreden brauche ich mir in diesem Rahmen nicht anzuhören. Die kann ich auch in der Zeitung nachlesen. Persönliche Begegnungen im kleinen Kreise bringen da mehr“, sagt etwa Roland Berger, Gründer der gleichnamigen Unternehmensberatung und langjähriger Forumsbesucher. Ernst- Moritz Lipp, ehemaliges Vorstandsmitglied der Dresdner Bank und nun Partner bei der Beteiligungsgesellschaft Odewald & Cie. in Berlin, kritisiert: „Über die Jahre hat die politische Inszenierung das Fachprogramm mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt.“ Und den intimen Charakter des Forums nachhaltig zerstört. Denn mit den Staats- und Regierungschefs kamen die Ministerialen, die Soldaten, Polizisten und politischen Journalisten. Der Andrang der globalen Politprominenz machte die Sicherheit zum ernsthaften Problem. Wer ins Kongresszent‧rum will, muss sich inzwischen durch lange Warteschlangen vorarbeiten und von Metalldetektoren durchleuchten lassen. Als Ex-US-Präsident BIll Clinton vor Jahren erstmals Davos beehrte, standen sich die Leute auf der Straße im Schnee die Beine in den Bauch. Jürgen Großmann, Chef der Georgsmarienhütte, traf vor dem Eingang den früheren Mercedes-Chef Helmut Werner. „Wir schauten beide voll Entsetzen auf die Wartenden“, erinnert sich Großmann. „Es war strahlender Sonnenschein. Da haben wir spontan beschlossen, den Nachmittag über lieber zusammen Ski laufen zu gehen. Die Zusammenfassung von Clintons Rede gab’s dann abends noch im Fernsehen.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%