Werbung Krise lässt viele Werbeagenturen in die Knie gehen

Entlassungen, Insolvenzen, Kurzarbeit: Die Krise zwingt viele Werbeagenturen zu ungewöhnlichen Geschäftsmodellen.

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Agenturchefs Stefan Kolle (links) und Stephan Rebbe Quelle: dpa picture alliance/ Bodo Marks

Wer Ralf Zilligen im Herbst 2009 nach der deutschen Werbebranche fragt, muss eine Sorge schon mal nicht haben – dass der Mann sich vor klaren Worten scheut. „Früher waren Werber die Domina der Wirtschaft“, sagt der hochdekorierte Kreative, der in Düsseldorf die Agenturneugründung Arthur Schlovsky steuert. „Heute sind sie zu ihren knienden Kunden geworden.“

Der ehemalige Chief Creative Officer bei Deutschlands größtem Werbekonzern BBDO hat deshalb sein Outfit in Richtung Demut getrimmt. Anstelle feinen Zwirns mit Hemd und Schlips trägt Zilligen im Job ein graues Sweatshirt mit dunkler Cargo-Hose und Turnschuhe. Seine Botschaft: Hier wird gearbeitet, nicht mit Äußerlichkeiten geblendet – schließlich ist die Lage ernst.

Seit Unternehmen weltweit unter dem Druck der Wirtschafts- und Finanzkrise ihre Marketingbudgets zusammenstreichen, geht es in der Werbebranche drunter und drüber: Die Zahl der Insolvenzen hierzulande ist so hoch wie nie, seit dem Frühjahr haben Dutzende Agenturen Kurzarbeit angemeldet, die Zahl freier Stellen hat sich fast halbiert.

Die Branche steht vor einer Zäsur

Einst große Agenturmarken wie Springer & Jacoby stehen vor dem Verkauf, andere Namen verblassen allmählich. Der weltgrößte Kommunikationskonzern WPP, zu dem Agenturen wie Ogilvy & Mather und JWT gehören, entlässt weltweit derzeit 1000 Mitarbeiter – pro Monat. Gleichzeitig ist der deutsche Agenturmarkt mit mehr als 30.000 Anbietern jeglicher Couleur – von der Werbeschmiede bis zum Online- und Direktmarketinganbieter – noch immer so unübersichtlich wie hoffnungslos überbesetzt. „Der Boden ist völlig übersäuert“, sagt der Chef einer Düsseldorfer Agentur.

Daher steht die Branche vor einer Zäsur, und das nicht allein durch die Krise. Denn zur Krise gesellt sich immer mehr der Umbruch durch das Internet, mit dem die Zahl neuer Unterhaltungs- und Informationsangebote, die Werbeplätze bieten, praktisch ins Unendliche wächst. Zugleich verändern sich die Konsum- und Mediengewohnheiten der Menschen in nie gekanntem Tempo.

Für die Werbeagenturen heißt das: Sie müssen trotz sinkender Einnahmen bisher ungekannten Kunden hinterhetzen, investieren und sich mit der Konkurrenz ein Wettrennen um die besten künftigen Geschäftsmodelle liefern.

Ende eines Mythos

Die Lage heute steht in scharfem Kontrast zu den goldenen Jahren Mitte der Achtziger: Als 1984 mit Sat.1 und RTL die ersten deutschen Privatsender an den Start gingen, brauchten die Unternehmen dringend Werbespots. Das Geschäft lief jahrelang glänzend, Werbung hatte ihren Preis. Bis Anfang der Neunzigerjahre ging das gut. Wie Popstars wurden die Werber gefeiert, manche Kampagne landete im Museum. „In der Zeit wucherten allerdings auch Überheblichkeit, Arroganz und Selbstgefälligkeit in der Branche“, sagt Schlovsky-Chef Zilligen. Dann der Zeitenwandel: Erst das Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000, dann die Anschläge vom 11. September 2001. Konzerne sparten überall und vor allem an der Werbung.

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