Wettbewerb Oligopole nicht nur an der Zapfsäule

Nur wenige Unternehmen beherrschen den Benzinmarkt. Für den Kunden bedeutet dies: hohe Preise. Auch bei der Energieversorgung und im Lebensmitteleinzelhandel gibt es oligopolistische Strukturen. Nicht immer sind diese negativ.

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Auf dem Benzinmarkt herrscht Quelle: dpa

Die Preispolitik der großen Benzinverkäufer kann Andreas Mundt mittlerweile exakt vorhersagen – sogar in Minuten. Mundt ist Chef des Bundeskartellamts, über Jahre haben er und seine Leute die Preispolitik der deutschen Tankstellenbetreiber beobachtet. Und sie entdeckten dies: Bei Preiserhöhungen übernahmen stets Shell oder Aral die Führerschaft. Verlangte einer an der Zapfsäule mehr vom Kunden, dauerte es genau drei Stunden, bis der andere nachzog. Nie 2:59 Stunden, nie 3:01 Stunden. Total folgte zur selben Zeit, manchmal eine exakte halbe Stunde später. Für Jet-Kunden schlug die Preisuhr meist fünf Stunden nach der ersten Erhöhung um. Das Unternehmen achtete stets darauf, einen Cent unter den Preisführern zu bleiben.

Der Kraftstoffhandel ist ein Musterbeispiel für eine Marktform, die Ökonomen als marktbeherrschendes Oligopol bezeichnen. „Man kann sich das vorstellen wie eine lang eingespielte Ehe“, erläutert Mundt das Schema, das auch auf anderen Märkten gilt. Jeder weiß, wie der andere auf das eigene Verhalten reagiert, kann sich darauf einstellen. „Und das geht zulasten der Kunden“, sagt Mundt.

Nicht immer so klar wie im Spritgeschäft

Nicht immer ist die Lage so klar wie im Spritgeschäft. Gibt es nur wenige Anbieter auf einem Markt, bedeutet das noch nicht, dass es sich um ein Oligopol handelt, das zulasten der Kunden die Preise übermäßig anhebt. Bei komplexen Produkten wie Autos sind hohe Investitionen notwendig, deren Finanzierung eine gewisse Größe voraussetzt.

Oft sind Oligopole normale Zwischenstation des Wettbewerbsprozesses. Macht ein Unternehmen eine bahnbrechende Erfindung, hat es auf das neue Produkt zunächst ein Monopol. Läuft der Patentschutz aus, kommen Nachahmer auf den Markt, die Wettbewerbssituation verändert sich. Über ein Oligopol, die aus dem altgriechischen hergeleitete Bezeichnung für einen Markt, auf dem nur wenige (oligoi) verkaufen (polein), lässt sich am Ende die theoretische Optimalform, das Polypol, erreichen – wenn auch nur mit jahrelanger Verzögerung. Um zu erkennen, ob ein Markt eine oligopolistische Anbieterstruktur aufweist, nutzen Ökonomen den nach seinem Erfinder benannten Herfindahl-Index. Das Rezept: Man nehme die quadrierten Marktanteile aller Unternehmen und addiere sie. Es ergibt sich eine Zahl zwischen Null und Eins. Je größer die Zahl, desto weniger Wettbewerb herrscht.

Auf dem Benzinmarkt herrscht Quelle: dpa

Auch das genügt jedoch nicht, um auf manipulierte Preispolitik zu schließen, sagt Marktwächter Mundt: „Ein Anfangsverdacht kann sich aus auffälligen Preisentwicklungen ergeben.“ Ein Beispiel für einen Markt, der zwar hoch konzentriert ist, aber keine oligopolistischen Strukturen aufweist, ist der Lebensmitteleinzelhandel. Vier Konzerne beherrschen hier rund 80 Prozent des Marktes, dennoch ist der Wettbewerb knallhart, die Preise liegen deutlich unter denen in vergleichbaren Nachbarländern. Andererseits ist dieser Markt jedoch Beispiel für eine zweite Form des Oligopols – das auf der Nachfrageseite. So treten die Einzelhändler bei ihren Zulieferern als dominante Nachfrager auf, die viele Bedingungen diktieren können.

Und was sagt das Wettbewerbsrecht? Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) legt diverse Kriterien fest, die bei marktbeherrschenden Oligopolen vorliegen müssen. Neben hohen Marktanteilen muss etwa ein großer Homogenitätsgrad der Güter vorliegen. Beim Treibstoff ergibt sich das anschaulich aus den Tauschverträgen der Wettbewerber. Die Konzerne haben sich verpflichtet, bei lokalen Engpässen untereinander Benzin und Diesel auszutauschen, aus Aral wird dann Shell-Super, ohne dass der Kunde es merkt.

Kartellamt will genau hinschauen

Weitere Aspekte sind die häufige Interaktion der Wettbewerber und hohe Markttransparenz, die sich am Beispiel der Tankstellen aus der unmittelbaren Veröffentlichung von Preisveränderungen ergibt. Liegen zudem wechselseitige Abhängigkeiten vor, bei den Tankstellenbetreibern sind das gemeinsame Transportwege und Lagerstätten, ist der Wettbewerb endgültig gestört.

Für das Kartellamt fangen hier die Probleme erst an. Solange die Behörde keine Preisabsprachen nachweisen kann, kann sie keine Strafen verhängen. Mundt ist dennoch überzeugt, dass allein die Veröffentlichung der Praktiken die Hemmschwelle von Kartellbrüdern erhöht. „Die Unternehmen wissen, dass wir in Zukunft auf diesem Markt ganz genau hinschauen.“

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