Wirtschaftskriminalität Sonderkonjunktur für Wirtschaftskriminelle

Pricewaterhouse Coopers (PWC) stellt der deutschen Wirtschaft ein schlechtes Zeugnis aus - zumindest, wenn es um die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität geht. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat dabei deutliche Rückschritte festgestellt. So geht etwa die Hälfte aller Täter straffrei aus. Die Amerikaner machen es anscheinend besser.

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Auch wenn die Polizei auf Streife ist, Wirtschaftskriminelle bleiben oft unbehelligt. Quelle: dpa Quelle: handelsblatt.com

FRANKFURT. Die Krise treibt die Zahl der Wirtschaftsdelikte massiv nach oben. Dies ist das wichtigste Ergebnis einer Studie der Unternehmensberatung Pricewaterhouse-Coopers (PWC) unter 500 international tätigen Großunternehmen. Danach erwarten 40 Prozent der befragten Manager einen Anstieg von Wirtschaftsspionage, Datenklau, Produktpiraterie und illegalen Preisabsprachen.

Knapp jeder dritte fürchtet sich vor Kriminellen in den eigenen Reihen. Grund dafür sei die Angst der Angestellten um ihren Job. Dies deckt sich mit Erkenntnissen der Strafverfolger: So rechnet beispielsweise die Staatsanwaltschaft Hamburg "in nächster Zeit damit, dass die globale Finanz- und Wirtschaftskrise zu einem deutlichen Anstieg einschlägiger Wirtschaftsstrafverfahren führen wird", sagt der Hamburger Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers.

Auch die Association of Certified Fraud Examiners bestätigt den Trend. Die in dem Gremium organisierten rund 400 Forensiker und Sicherheitschefs deutscher Unternehmen berichten von steigenden Fallzahlen seit Beginn der Wirtschaftskrise.

Dennoch wollen viele Unternehmen ihr Budget zur Abwehr von Straftaten laut PWC in den kommenden Jahren nicht erhöhen, jedes fünfte will die Gelder sogar kürzen. Dabei kostet jeder aufgedeckte Fall die Unternehmen im Schnitt rund 4,3 Mio. Euro. Das ist knapp dreimal so viel wie noch vor zwei Jahren.

Strafen müssen die Täter, überdurchschnittlich oft Manager, dennoch kaum fürchten. Zwar werden rund 87 Prozent der Ertappten fristlos gefeuert, aus Angst vor Imageschäden wird aber nur jeder zweite "schwerwiegende Fall" überhaupt angezeigt. Sind Topmanager unter den Tätern, ist es gar nur jeder dritte.

Sieben von zehn Betrügern, Dieben oder Korrupten werden durch sporadische Tipps eigener Mitarbeiter oder zufällig ertappt. Obwohl fast zwei Drittel aller Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren Opfer von Wirtschaftskriminalität wurden und sich der durchschnittliche Schaden je Fall mit 4,3 Mio. Euro fast verdreifacht hat, ist Prävention kaum ein Thema in den Chefetagen, moniert die jüngste Studie der Unternehmensberatung Pricewaterhouse-Coopers (PWC) zum Thema Wirtschaftskriminalität.

Dafür befragte PWC 500 Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten. "Bekämpfung ist ein Topthema für Unternehmen, aber es darf nichts kosten", lautete das Fazit der Forensiker. Viele Firmen wollen ihr Budget zur Abwehr von Straftaten nicht erhöhen, jedes fünfte Unternehmen will die Gelder laut Studie sogar kürzen.

Doch das könnte sie teuer zu stehen kommen. Denn laut dem jüngsten Urteil des Bundesgerichtshofs zum Thema (BGH 5 StR 394-08) müssen Compliance-Chefs künftig nicht nur für Lug und Trug und Korruption im eigenen Unternehmen geradestehen, sondern auch für Schäden, die kriminelle Mitarbeiter bei Kunden oder Lieferanten verursachen. Schauen sie nicht gründlich genug hin, machen sie sich strafbar. "Jeder Compliance-Chef steht daher mit einem Bein im Gefängnis", sagte Compliance-Experte Tim Wybitul von der Kanzlei Mayer Brown. Es werde jetzt viel schwerer werden, diese Stellen zu besetzen, prophezeite er.

"Das Urteil wird zu einem Umdenken in den Unternehmen führen", sagte PWC-Forensiker Steffen Salvenmoser. Er beobachte seit geraumer Zeit einen "wachsenden Druck der Justiz" auf die Compliance-Chefs und letztlich auch auf die Vorstände, die Abteilungen besser auszustatten. "Bei vielen Unternehmen sind Betrugsermittler und Compliance-Chefs aber eher ungeliebte Stiefkinder", beschrieb ein Korruptionsermittler eines Dax-Konzerns die aktuelle Lage.

Doch auch der Gesetzgeber macht es den Unternehmen derzeit schwer. "Seit Inkrafttreten des neuen Datenschutzgesetzes stehen Compliance-Chefs häufig zwischen Baum und Borke", sagte Anwalt Wybitul. Denn vergleichen sie Lieferantendaten mit denen ihrer Mitarbeiter im großen Stil, verstoßen sie unter Umständen gegen das Gesetz. Tun sie es nicht, verletzen sie ihre Pflichten als Hüter sauberer Geschäftspraktiken. "Derzeit gilt: Wenn ich nichts tue, mache ich auch nichts falsch", beschrieb PWC-Experte Salvenmoser das Klima.

Besser machen es anscheinend die Amerikaner. So litten 13 Prozent aller befragten Unternehmen unter Korruption, aber nur zwei Prozent der Töchter amerikanischer Unternehmen in Deutschland. Das zahlt sich aus, denn die Kosten für Anwälte und Aufarbeitung von Korruptionsfällen sind mit rund 1,7 Mio. Euro doppelt so hoch wie die bei anderen Delikten. Noch teurer kommen Kartelle. Jedes zehnte deutsche Unternehmen war nach eigenen Angaben in den letzten zwei Jahren an illegalen Preisabsprachen beteiligt. Bei den deutschen Töchtern von US-Unternehmen waren es noch nicht einmal halb so viele.

Kartellprobleme und Wettbewerbsdelikte, Industriespionage und Produktpiraterie werden den Unternehmen im Zuge der Finanzkrise stärker als bisher zu schaffen machen, schätzen die Experten. Zwar betraf nur jeder fünfte der insgesamt 213 angegebenen Fälle von schwerer Wirtschaftskriminalität Spionage, Preisabsprachen oder gefälschte Markenprodukte, der durchschnittliche Schaden lag aber mit 5,8 Mio. Euro deutlich über der Schadenshöhe anderer Straftaten. Und fast jeder zweite befragte Manager befürchtet aufgrund des "hohen finanziellen Drucks" auf die Unternehmen eine Zunahme von Wirtschaftskriminalität durch die Finanzkrise. Diese Einschätzung teilen sowohl Strafverfolger als auch unternehmenseigene Sicherheitsexperten. "Es sind nicht die Bösen von außen, die die Unternehmen schädigen, das machen sie derzeit sehr gut untereinander", sagte Salvenmoser.

Kriminalität in Zahlen

Delikte

Am häufigsten litten die befragten Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren unter Betrug und Unterschlagung (41 Prozent). Dahinter rangieren Spionage, Preisabsprachen und Produktpiraterie mit 39 Prozent. In jedem achten Fall ging es um Korruption.

Täter

Die meisten Delinquenten waren Männer um die 40, die mindestens zehn Jahre im Unternehmen waren. Gut zwei Drittel kamen aus dem Management, 29 Prozent gehörten sogar zum Top-Management.

Strafen

Zwar flogen 87 Prozent der Täter raus. Angezeigt wurde aber nur jeder zweite. Noch vor zwei Jahren waren es 61 Prozent.

Kosten

Durchschnittlich mussten Firmen 830 000 Euro zur Aufarbeitung ausgeben.

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