Wissensmanagement Wenn der Flurfunk online geht

Wissensmanagement-Systeme können den Informationsaustausch unter den Mitarbeitern beschleunigen - und damit Kosten senken. Doch bisher nutzen nur wenige deutsche Mittelständler Instrumente wie Social-Networking-Seiten im Intranet oder Unternehmens-Wikis.

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Aktenordner war gestern: Wissensmanagement-Systeme machen es einfach, die gewünschte Information zu finden. Quelle: ap Quelle: handelsblatt.com

WERTHER. Flurfunk war gestern, jedenfalls bei der Berghoff GmbH & Co. KG im sauerländischen Drolshagen. In der Maschinenhalle des Spezialisten für CNC- und Baugruppenfertigung können die Mitarbeiter Neuigkeiten per Computer abrufen - an fünfzehn eigens dafür eingerichteten Stationen. Die Verbreitung von Nachrichten erfolgt über eine spezielle Software. "Das Programm ist effizienter als ein Schwarzes Brett", sagt Oliver Bludau, Geschäftsführer von Berghoff. Zumal die Mitarbeiter so auch direkt Termine untereinander abstimmen und Wissen für die nächste Schicht hinterlegen können. Kein Sprachrohr der Geschäftsleitung also, sondern eine Software, das die Zusammenarbeit verbessern soll. Experten sprechen von Kollaborations-Software oder von Groupware.

Wissensmanagement ist für mittelständische Unternehmen ein wichtiger Wettbewerbsfaktor geworden. Dabei können Social-Networking-Seiten im Intranet und Unternehmens-Wikis als betriebsinterne Nachschlagewerke ein Schlüssel sein. Das IT-Marktforschungsinstitut Gartner errechnet für das Segment einen Umsatz von 2,5 Mrd. Dollar weltweit.

Der deutsche Mittelstand steuert bisher nur wenig dazu bei. Laut Marktforschungsinstitut Berlecon haben nur dreizehn Prozent der mittelständischen Unternehmen erste Projekte umgesetzt, die Mehrheit hat von Kollaborationsprogrammen noch nichts gehört. Zudem haben zwei Drittel der kleinen und mittelständischen Unternehmen das eigene Wissen auch noch nie genau erfasst, belegt eine Umfrage des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater (BDU) unter rund 4 500 mittelständischen Unternehmen in Baden-Württemberg. Demnach setzen nur 22 Prozent der Firmen Datenbanken oder Groupware ein.

Bei Berghoff in Drolshagen gehört die Wissensmanagement-Software inzwischen zum Alltag. Auch für den Chef: "Ich hatte die Wahl, zwischen zwei Niederlassungen hin und herzupendeln, um persönlich mit allen Mitarbeitern sprechen zu können, oder sie über eine Kollaborationssoftware zu kontaktieren", sagt Bludau.

Ein weiteres Problems: Die Zusammenarbeit in Unternehmen wird zunehmend schwieriger, weil Projekte abteilungsübergreifend organisiert sind. Außerdem arbeiten Mitarbeiter an verschiedenen Standorten oder sind viel unterwegs. "E-Mail reicht als Kollaborations-Dienst nicht mehr aus, es fehlt eine gemeinsame Dateiablage, gemeinsame Aufgabenlisten, ein gemeinsamer Teamkalender, ein zentrales Adressbuch", sagt Martin Fischer, Geschäftsführer der 5 Point AG in Darmstadt. Fischer kennt die Probleme aus eigener Erfahrung, denn sein Unternehmen hat die Wissensmanagement-Software, die es vertreibt, ursprünglich für den Eigenbedarf entwickelt. Heute nutzen 50 000 Anwender weltweit das Programm.

Kunden sind auch Großunternehmen wie Daimler. "80 Prozent der Anwender sind aber Mittelständler", sagt Fischer. Er geht davon aus, dass deren Kommunikations-Effizienz mit dem Einsatz der Software um rund 20 Prozent steigt.

Doch nicht alle Firmen greifen auf fertige Wissens-Software zurück. Die Gebr. Heinemann KG in Hamburg baut sich ein Netzwerk nach eigenen Vorstellungen auf. Das Unternehmen beliefert Duty-Free-Läden und betreibt als Einzelhändler eigene Geschäfte an Flughäfen. "Wir haben das Netzwerk initiiert, weil uns die Förderung des Wir-Gefühls unserer Mitarbeiter wichtig erschien", sagt Claus Heinemann, persönlich haftender Gesellschafter bei Heinemann. "Wir sind ein Familienunternehmen, das international aufgestellt ist und sich in den letzten Jahren sehr dynamisch entwickelt hat." Das Netzwerk setzt auf bestehende, interne Datenbanken auf. Die zentrale Aufgabe sei der bereichsübergreifende Austausch von Informationen an den verschiedenen nationalen und internationalen Standorten, die Vorstellung von Mitarbeitern und die generelle Beschreibung der internen Abteilungen sowie der Tochtergesellschaften. "Das Miteinander spielt bei uns eine große Rolle", sagt Heinemann. Seiner Einschätzung nach werden jüngere Mitarbeiter stärker vom neuen Dienst Gebrauch machen als ältere.

Auch bei anderen Mittelständlern wächst das Interesse an Kollaborations-Software. Florian Koch, Bereichsleiter digitale Medien beim IT-Verband Bitkom, rührt die Werbetrommel: "Die jüngere Generation ist es gewohnt, sich über Communitys auszutauschen", sagt er. Das steigere auch am Arbeitsplatz die Effizienz.

Doch innerbetriebliche soziale Netzwerke scheitern oft am Einspruch des Betriebsrats. Denn der muss bei Datenschutz-Themen beteiligt werden. Außerdem ist die Liste der heiklen Punkte lang, an denen firmeninterne soziale Netzwerke scheitern können. So bemängeln Kritiker zum Beispiel persönliche Profile mit Fotos von Mitarbeitern, weil sie Benachteiligung fürchten. Aus Sicht des Datenschutzes stehen Informationsaustausch und Schutz der Privatsphäre in einem Widerspruch zueinander.

Dementsprechend langsam schreitet die Verbreitung solcher Programme voran. Bitkom-Vertreter Koch bestätigt: "Viele Web-2.0-Systeme basieren darauf, dass Mitarbeiter persönliche Profile mit ihren Kenntnissen und Erfahrungen anlegen. Die Einführung solcher Anwendungen muss mit dem Betriebsrat abgestimmt werden."

So haben erst zwei Mittelständler das Programm Socialcorp des Hamburger Anbieters AKRA installiert. Die Software ist ein Baukasten, mit dem sich Unternehmen ein interaktives Wissensnetzwerk aufbauen können. Das Programm läuft über das Intranet des Unternehmens. Die Benutzer können sich ein Profil mit Angaben über ihre Person und Interessen aufbauen, sie können zudem Artikel schreiben. So entwickeln die Angestellten unternehmensinternes Wissen weiter, archivieren es und tauschen es aus. Womit ein weiteres Innovationshindernis verbunden ist, warnt Bitkom-Experte Koch - nämlich der Faktor Zeit: "Unternehmen brauchen Mitarbeiter, die genug Freiraum haben, das Netzwerk regelmäßig zu pflegen."

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