Wohnimmobilien Heuschrecken werden Hausmeister

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Vermietungsprofis in der Minderheit Quelle: GdW

Der Branchenführer versucht darüber hinaus, durch größere Kundennähe das Geschäft zu stabilisieren. So testet das Unternehmen an neun Standorten eigene Hausmeister, die als Annington-Mitarbeiter "klar erkennbar" sind. Die Bochumer wollen in Befragungen „starke Zustimmung“ ihrer Kunden herausgefunden haben: „Der Kontakt wird noch enger und persönlicher. Die Erfahrungen mit den eigenen Hausmeistern sind so positiv, dass wir das Projekt in den kommenden Monaten deutlich ausweiten werden.“ Damit nähert sich die Deutsche Annington dem Auftritt vieler Gemeinnnütziger. Die Annington-Hausmeister kümmern sich in guter Wohnungswirtschafts-Tradition um die Mieter, halten Sprechstunden ab und schauen Handwerkern auf die Finger.

Andere Großvermieter locken mit Incentives – etwa die GSW in Berlin. Während in der Hauptstadt die Mieten wieder steigen und Demonstranten dagegen auf die Straße gehen, verschenkt das Unternehmen schon mal ein Doppelbett gratis. Ziel: junge Paare angesichts der überalternden Kundschaft "für eine Wohn-Karriere bei der GSW zu gewinnen". Um in weniger begehrten Lagen etwa in Spandau Leerstände zu reduzieren, wird bei Überschneidungen zwischen altem und neuem Vertrag zwei Monate die Kaltmiete erlassen. Mit "Hammer-Wohnungen" lockt die Gagfah: Wer in eine Gagfah-Wohnung in Wuppertal-Ronsdorf zieht, bekommt einen Obi-Gutschein im Wert von bis zu 1000 Euro oben drauf nach dem Motto: Nehmt die Renovierung doch selbst in die Hand.

Gagfah als "Wohnheuschrecke" stigmatisiert

 "Einige Finanzinvestoren schwenken auf Bestandshaltung um, stecken also mehr Geld in die Substanz und werden ihre Portfolios länger halten als geplant", sagt Ingeborg Esser, Hauptgeschäftsführerin beim Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW). Ihre Strategie ähnele nun der anderer Vermieter. Private Equity kann so, laut Esser, nur noch mittlere einstellige Renditen erzielen.

Die mittelfristige Wirkung: Anleger mit besonders hohen Renditeerwartungen dürften kaum noch als Käufer weiterer Mietwohnbestände in Erscheinung treten. "Sinkende Renditen von Portfoliounternehmen am deutschen Wohnungsmarkt belasten auch die institutionellen Anleger, die in Private-Equity-Fonds mit Immobilienfokus investiert haben", sagt Christoph Kaserer, Kapitalmarktexperte an der Technischen Universität München.

Die Armortisation der Investments dauere entsprechend länger, die Anleger erhielten ihren Kapitaleinsatz später zurück. "Künftig dürften daher etwa Manager von Pensionsfonds zögern, Geld in Immobilienbeteiligungen zu stecken", vermutet Kaserer.

Aber auch von der Politik bekommen die Mietwohnungskonzerne Druck. In Nordrhein-Westfalen untersucht eine Enquêtekommission des Landtags die Folgen der Privatisierung öffentlicher Wohnungsbestände für die Mieter. Per Kurier ließ Gagfah-Chef Brennan deshalb Abgeordneten des NRW-Landtags vorsorglich einen Brief zustellen, der der WirtschaftsWoche vorliegt. Darin wirft er Öffentlichkeit und Medien vor, die Gagfah als "Wohnheuschrecke" zu stigmatisieren, die Mieter ausquetsche, Unternehmen aussauge, das Sozialgut Wohnung herunterwirtschafte und deshalb auszurotten sei.

Privatisierungsdruck steigt

Doch die Erfolgsaussichten solcher Interventionen sind zweifelfhaft. Mittlerweile verhindern Mieter, dass ihre Wohnungen wie im Fall des Essener Chemiekonzerns Evonik bei Finanzinvestoren landen. Auch beim Verkauf der 21 500 Wohnungen der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) dürfte ein Private-Equity-Investor kaum Chancen haben, sagt Matthias Moser. Moser kaufte vor elf Jahren für die Investmentgesellschaft Terra Firma Eisenbahnerwohnungen en gros und legte damit den Grundstein für die Deutsche Annington.

Heute leitet der Branchenkenner den Bereich Alternative Investments beim traditionellen Augsburger Immobilienkonzern Patrizia Immobilien, der zu 51,55 Prozent dem bayrischen Finanzinvestor First Capital Partner gehört. Als Teil eines Konsortiums will Patrizia sich um die LBBW-Wohnungen bewerben. Dass ein reiner Finanzinvestor noch einmal kommunales deutsches Wohnungsportfolio kaufen kann, bezweifelt Moser: "Die Zeit der großen Private-Equity-Gesellschaften im Immobiliengeschäft ist vorbei.

Und auch bei einem weiteren Großpaket stehen die Zeichen eher gegen die Renditejäger. Anfang 2012 will der Bund sein Immobilienunternehmen TLG zur Privatisierung ausschreiben. Ein Drittel des TLG-Wertes entfällt auf 12000 ostdeutsche Wohnungen im mittleren Preissegment. Das Bundesfinanzministerium als Verkäufer legt ausdrücklich Wert auf den "Erhalt des Unternehmens und seiner Arbeitsplätze unter dem neuen Eigentümer".

Fraglich ist, ob die Kommunen wie vor der Krise zusätzlich Bewegung in den Markt bringen. 2010 wurde kein einziges größeres kommunales Wohnungspaket verkauft. Nach einer aktuellen Studie des Berliner Instituts für Stadtforschung erwägen nur 13 Prozent der Städte und  Gemeinden, Wohnungsbestände zu verkaufen.

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