Zusätzliche Due-Diligence-Prüfungen Firmenfusionen: Böse Überraschungen vermeiden

Wie sich mit zusätzlichen Due-Diligence-Prüfungen und detaillierten Integrationsplänen böse Überraschungen vermeiden lassen.

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Carly Fiorina, economic Quelle: Meet The Press

Es war einer der größten Deals der IT-Branche: Rund 25 Milliarden Dollar ließ sich der Computer-Hersteller Hewlett-Packard (HP) Anfang 2002 den Kauf des Konkurrenten Compaq kosten. Und einer der umstrittensten: Monatelang stemmte sich die Gründerfamilie Hewlett gegen die von der damaligen HP-Chefin Carly Fiorina und Compaq-Boss Michael Capellas ausgehandelten Übernahmepläne.

Ein Erfolg war die Aktion dennoch: HP ist heute Weltmarktführer, fast jeder fünfte weltweit verkaufte Computer stammt von dem US-Unternehmen. Und statt die Kosten wie geplant in den ersten zweieinhalb Jahren um zwei bis 2,5 Milliarden Dollar zu senken, brachte die Fusion Einsparungen von 3,5 Milliarden. Erreicht wurde das Ziel in nur 18 Monaten – weil der Kandidat vorher auf Herz und Nieren geprüft und die Integration sorgfältig von beiden Seiten vorbereitet worden war.

„Ob sich die erhofften Synergiepotenziale nach einer Übernahme tatsächlich heben lassen, entscheidet sich schon in der Vorbereitungsphase, wenn der Kandidat auf den Prüfstand kommt und die Verschmelzung der beiden Unternehmen im Detail geplant wird“, sagt Jürgen Rothenbücher, Partner und Leiter des Expertenteams für Fusionen bei A. T. Kearney. Gemeinsam mit der Unternehmensberatung untersucht die WirtschaftsWoche in einer fünfteiligen Serie das Management von Mergers and Acquisitions (M&A): Im dritten Teil geht es um die sogenannte Due Diligence, also die genaue Durchleuchtung des Übernahmekandidaten sowie um die Detailplanung für die Zusammenführung.

Dabei kann eine Menge schiefgehen. Das zeigt die misslungene Übernahme der Dresdner Bank durch die Allianz vor gut sieben Jahren. Rund 23 Milliarden Euro ließ sich der Versicherungskonzern den Kauf der damals zweitgrößten deutschen Bank kosten – die geplanten Synergieeffekte blieben allerdings weitgehend aus: Erst nach der Fusion stellte sich heraus, dass beide Unternehmen über weitgehend identische Vertriebsorganisationen verfügten. Die Anpassung   wurde teuer, viele Tausend Arbeitnehmer verloren ihren Job, inzwischen will die Allianz ihre Bank-Tochter lieber heute als morgen loswerden.

Mit mehr Professionalität in der Due-Diligence-Phase wäre die Doppelung im Vertrieb der beiden Unternehmen vermutlich schon vorher aufgefallen. Zu oft beschränken sich die Übernahmestrategen allerdings auf das klassische Instrumentarium: die stichprobenartige Überprüfung von Bilanzen und Kennzahlen durch Wirtschaftsprüfer – die sogenannte Financial Due Diligence – und die Abschätzung des mittelfristigen Wertsteigerungspotenzials.

Im Rahmen dieser „Strategischen Due Diligence“ geht es vor allem um die Positionierung des Übernahmekandidaten: Welche Produkte werden angeboten? Wie sieht das Wettbewerbsumfeld aus? Und vor allem: Hat das Geschäftsmodell überhaupt eine Zukunft?

Die verengte Perspektive auf das, was gestern war und welche Chancen sich übermorgen möglicherweise ergeben, verhindert den Blick darauf, was sich heute schon ohne allzu großen Aufwand verbessern lässt. Due-Diligence-Experte und A.T. Kearney-Partner Günther Jordan empfiehlt darum, auch nach Möglichkeiten zur kurzfristigen Wertgenerierung zu suchen: „Die Beschränkung auf die strategische Due Diligence ist ein Risiko, weil operative Aspekte vernachlässigt werden.“

Das könne zum Beispiel dazu führen, dass das Potenzial eines Übernahmekandidaten unterschätzt und der angemessene Kaufpreis zu gering angesetzt wird: „Wer nicht genau hinschaut, läuft Gefahr, nicht zum Zuge zu kommen, weil ein anderer mehr bietet“, warnt Jordan. Umgekehrt hilft die Analyse aber auch, verdeckte Risiken zu erkennen und zu viel zu bezahlen. „Die operationale Due Diligence ist eine perfekte Ergänzung zu den klassischen Methoden – sie ist wie ein umfassender Gesundheits-check des Zielunternehmens.“

Kandidatenscreening statt Geldvernichtung

Als das Stuttgarter Software-Unternehmen Brokat Technologies – Geschäftsfelder waren die Entwicklung von Programmen für das Internet-Banking und zur Abwicklung von Zahlungsvorgängen per Mobiltelefon – im Jahr 2000 die kleinen US-IT-Firmen Gemstone und Blaze übernahm, war dieser Check versäumt worden. Mit katastrophalen Folgen für den ehemaligen Star der New Economy in Deutschland: Die Integration misslang, weil das bestehende Rechnungswesen mit dem durch die Zukäufe gewachsenen Arbeitsanfall völlig überlastet war. Die Verluste stiegen und zwangen Brokat schon im Jahr darauf zum Verkauf der US-Erwerbungen. Geldvernichtung pur: Gut 830 Millionen Dollar hatten die Stuttgarter für die beiden Firmen bezahlt, gerade mal 22 Millionen konnten sie dafür erlösen, Ende 2001 musste Brokat Insolvenz anmelden.

Das Kandidatenscreening hilft, solche Debakel zu vermeiden, Private-Equity-Finanzierer praktizieren dieses Verfahren darum schon heute regelmäßig. Unter die Lupe genommen wird jedes Detail des operativen Geschäfts – sämtliche Prozesse in den Bereichen Einkauf und Fertigung, Logistik und Vertrieb, IT und Administration kommen auf den Prüfstand. „Wir sprechen mit dem Management und den Fachleuten vor Ort, inspizieren die Produktionsabläufe in den Fabriken, vergleichen Einkaufspreise und -konditionen, Lieferketten, Vertriebsorganisationen und Rabattstaffeln“, sagt Due-Diligence-Experte Jordan.

Im nächsten Schritt werden die gewonnenen Kennziffern einem mehrstufigen Benchmarking unterzogen. Die Zahl der beim Übernahmekandidaten in der Produktion beschäftigten Mitarbeiter beispielsweise wird nicht nur mit den entsprechenden Zahlen des Kaufinteressenten abgeglichen, sondern auch mit Konkurrenten der gleichen Branche, mit Unternehmen anderer Branchen aber ähnlicher Größenordnung sowie mit vergleichbaren Produktionsprozessen. „Dieser umfassende Vergleich schafft Transparenz und zeigt, wie effizient ein Unternehmen geführt wird, wo Stärken und Schwächen liegen und wo noch Verbesserungspotenziale bestehen“, sagt Jordan.

Mehr Geld

Der größte Batzen ist in der Regel im Einkauf zu holen: Nach Jordans Erfahrungen ergeben sich rund 75 Prozent aller bei Fusionen und Übernahmen erzielten Synergien aus der Nutzung von Skalenvorteilen – sei es durch größere Einkaufsmengen, durch eine Verringerung der Lieferantenzahl oder weil eines der zu integrierenden Unternehmen bessere Preise und Konditionen ausgehandelt hat, die der andere übernehmen kann. „Kostensenkungspotenziale sind aber nur eine Seite der Medaille – auch ungenutzte Wachstumschancen oder Preisgestaltungsspielräume können eine kurzfristige Wertschöpfung generieren.“

Damit die interne Gelddruckmaschine schnell in Gang kommt, muss die Integration der Unternehmen aber möglichst früh beginnen. Genau da liegt allerdings auch der Haken: Zwischen Ankündigung und Vollzug – dem Closing – einer Fusion oder Übernahme vergehen in der Regel sechs bis neun Monate. „In dieser Phase passiert wenig bis gar nichts, weil kartellrechtliche Auflagen enge Grenzen setzen“, sagt Jordan. Schlimmstenfalls wursteln die streng voneinander isolierten Integrationsteams beider Unternehmen bei diesem sogenannten Clean-Room-Ansatz konsequent aneinander vorbei.

Hinzu kommt: Fusionen und Übernahmen verunsichern Belegschaft und Leistungsträger. Die Folge: „Die Besten gehen vorher, die abrupte Konfrontation mit der Realität nach dem Closing verzögert die Integration, beides zusammen kann den Erfolg des Deals gefährden“, warnt Jordans Berater-Kollege Sven Massen. Der A.-T.-Kearney-Principal ist Spezialist für eine alternative Vorgehensweise, die die Schwächen des klassischen Clean-Room-Ansatzes vermeiden soll.

Positivbeispiel Procter & Gamble

Bei diesem sogenannten JumpStart-Ansatz entsenden Kaufinteressent und Übernahmekandidat Experten in das von Unternehmensberatern geführte Integrationsteam. Diese bei großen Deals bis zu 50 Köpfe starke Truppe ist nicht nur für die operationale Due Diligence zuständig, sie entwickelt daraus auch sofort Konzepte für Detaillösungen in allen Unternehmensbereichen, die am Tag nach dem Closing fix und fertig aus der Schublade geholt werden können. „Das motiviert die Leute und wirkt wie eine Energiespritze“, erklärt Massen das Konzept. Die Kostenvorteile könnten schneller realisiert werden, die Risiken der Integration seien geringer und auch absatzmäßig ergäben sich schon im Vorfeld der Zusammenführung neue Perspektiven für das Unternehmen.

Bei der von A.T. Kearney begleiteten Übernahme des Rasierklingenherstellers Gillette durch den Konsumgüterproduzenten Procter & Gamble (P&G) vor drei Jahren hat das funktioniert. In den sechs Monaten, die die US-Kartellbehörden brauchten, um den 57 Milliarden Dollar schweren Deal zu prüfen, checkte das durch Fachleute beider Unternehmen ergänzte Berater-Team sämtliche Prozesse und entwickelte gleichzeitig Konzepte für die Zeit nach dem D-Day. „Schon sechs Wochen nach dem Closing waren die eigentlich erst zum Ende des Geschäftsjahres geplanten ambitionierten Einsparziele im Einkauf erreicht“, berichtet Daniel Mahler, Partner bei A. T. Kearney und Leiter des P&G-Mandates.

Was sowohl die Berater als auch die Einkäufer von P&G überraschte: Trotz der unterschiedlichen Größe beider Unternehmen – P&G erzielte im Jahr vor der Übernahme einen Umsatz von über 51 Milliarden Dollar, Gillette knapp zehn Milliarden –, „hatte Gillette bei einigen Lieferanten deutlich bessere Konditionen ausgehandelt“, sagt Mahler.

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