Zusammenschlüsse Wie sich das Scheitern von Fusionen verhindern lässt

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Vier Hauptrisikogruppen bei Fusionen

Die daraus entstandene Datenbank ist Grundlage eines Schnelltests, bei dem für die geplante Fusion ein sogenannter PMI (Post Merger Integration)-Risiko-Index ermittelt wird. „Durch Benchmarking mit der Datenbank berechnet die Messzahl Risiko und Erfolgsaussichten einer Integration“, beschreibt Gerds das Prinzip. In der Studie wurden 35 Risikofaktoren identifiziert und vier Risikobereichen zugeordnet:

Synergie-Risiken

resultieren aus der Zahlenbasis. Ist die schwach, lassen sich Kostensenkungspotenziale schlecht beziffern. Auch die Umsetzungskomplexität solcher Synergieziele entscheidet über die Ergebnisse: Einkaufssynergien etwa lassen sich viel schneller erreichen als höhere Marktanteile durch gemeinsame Entwicklung neuer Produkte. Wie tragfähig das Umsetzungskonzept ist, hängt davon ab, wer damit beauftragt wird: „Stabsabteilungen allein schaffen das in der Regel nicht, die sind zu weit weg vom operativen Tagesgeschäft“, sagt Gerds.Struktur-Risiken entstehen immer dann, wenn Aufbau und Führung der Unternehmen nicht zusammenpassen, etwa wenn die Entlohnungsstrukturen sehr unterschiedlich sind. Die Vereinheitlichung unterschiedlicher Geschäftsprozesse, etwa bei der Entwicklung neuer Produkte oder beim Kundenmanagement, muss vorbereitet werden – das kostet Zeit und kann schlimmstenfalls zum Scheitern führen.People-Risiken – Probleme bei der Zusammenführung der Belegschaften – gibt es auf allen Ebenen, „zum Beispiel, wenn von zwei Finanzvorständen nur noch einer gebraucht wird“. Das größte Konfliktpotenzial entsteht dort, wo große Überlappungen zwischen den Unternehmen bestehen und Fertigungslinien zusammengelegt und Fabriken geschlossen werden.Projekt-Risiken sind einfacher beherrschbar, werden nach Erfahrung der beiden Experten aber meist vernachlässigt. Vor allem Unternehmen, die kaum Erfahrung mit Übernahmen haben, fehlt es häufig an Know-how. „Externe Berater sind nur bedingt in der Lage, diese Lücke zu schließen“, sagt Gerds. Vorbildlich sei das Projektmanagement von General Electric: „Die beordern sofort einen erfahrenen Integrations-Verantwortlichen in die Führung des übernommenen Unternehmens.“

HP und Compaq als leuchtendes Beispiel

Grafik: Probleme bei Fusionen

Zu welchem Risikotyp eine geplante Übernahme gehört, ergibt sich aus dem Abgleich des Risikoprofils mit der Datenbank und der daraus folgenden Einstufung in vier Risikoklassen. Beim Typ „Mikado“ – nach Erkenntnis von Schewe und Gerds gehört dazu gut ein Drittel aller Fusionen – gibt es in keinem der vier Bereiche überdurchschnittliche Risiken. Die Erfolgschancen liegen darum bei rund 75 Prozent.

Ein gelungenes Beispiel ist der vor gut sieben Jahren beschlossene Zusammenschluss der Computerhersteller Hewlett-Packard und Compaq. Berater Gerds: „Die Zahlenbasis war solide, ein Businessplan für das fusionierte Unternehmen lag knapp ein halbes Jahr vor Vertragsunterzeichnung vor, das Projektteam für die Detailarbeit stand schon acht Monate vorher in den Startlöchern.“ Auch die Synergieplanung war vorsichtig: Kosteneinsparungen von 2,5 Milliarden Dollar waren geplant, erreicht wurden 3,5 Milliarden Dollar. Um Frust und Verunsicherung bei Personal und Führungsmannschaft entgegenzuwirken, stand die Besetzungsliste schon einen Monat vor Vertragsabschluss fest, ein Bonusprogramm für alle Hierarchiestufen schaffte neue Motivation.

Dagegen zählt die Anfang 2008 angekündigte Übernahme des deutschen Finanzdienstleisters AWD durch die schweizerische Versicherungsgruppe Swiss Life nach Gerds Ansicht eher zum Typ „Domino“ – mit hohen Risiken in zwei von vier Bereichen. 17 Prozent aller Fusionen gehören zu dieser Gefahrenklasse, die Erfolgschancen sinken auf 27 Prozent. „Struktur- und Personalrisiken sind zwar gering, weil der AWD vorerst nur an die Schweizer Mutter angehängt wird“, sagt Gerds. Alle Standorte bleiben erhalten, niemand muss mit Entlassung rechnen. Kritischer sieht Gerds Synergie- und Projektrisiken: „Binnen vier Jahren soll das AWD-Geschäftsvolumen fast verdoppelt werden – das ist sehr ambitioniert.“ Denn gleichzeitig müssten die angeschlagenen Swiss-Life-Töchter in Großbritannien und Österreich saniert werden.

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