Zusammenschlüsse Wie sich das Scheitern von Fusionen verhindern lässt

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Ein Drittel aller Fusionen vom Typ "Poker"

Ein knappes Drittel aller Fusionen gehört zum Typ „Poker“: Mit drei überdurchschnittlich hoch belasteten Risiko-Bereichen gelingt die Integration nur noch in 17 Prozent aller Fälle. Für Gerds typisch in dieser Kategorie ist der misslungene BMW-Rover-Deal von 1994. Fast sechs Milliarden Euro wurden in den Sand gesetzt, 2000 stießen die Bayern die britische Tochter wieder ab. „Das Scheitern war absehbar“, urteilt der Berater.

Hohe Struktur-Risiken gab es etwa bei den völlig unterschiedlichen Geschäftsprozessen: Die Qualitätsstandards passten nicht zusammen, auch der Beschluss, die Rover-Modellpalette vollständig zu erhalten, statt sie auf Klein- und Geländewagen zu beschränken, erhöhte das Risiko. Zusätzliche Probleme verursachten der Exodus an der Rover-Spitze und die schlechte Vorbereitung des Projekts: Erst fünf Jahre nach Übernahme setzte BMW ein Sanierungsteam bei Rover ein. „Bestehen in allen vier Bereichen hohe Risiken, sollte das Management besser die Finger davon lassen“, rät Gerds. Der damalige Daimler-Chef Jürgen Schrempp tat das Gegenteil und fusionierte den Autobauer 1998 mit dem US-Konkurrenten Chrysler. Der Deal gehört zu jenen 16 Prozent aller Fusionen vom Typ „Russisches Roulette“ – bei dem 99 Prozent aller Projekte scheitern.

Bei der „Hochzeit im Himmel“, wie Schrempp die Fusion nannte, lief alles schief, was nur schieflaufen konnte. Mangels Know-how war die Fusion schlecht vorbereitet. Einsparpotenziale wurden von Stabsabteilungen ohne Beteiligung der Praktiker kalkuliert, die ursprünglich auf drei Jahre veranschlagte Integration nach elf Monaten für beendet erklärt, die meisten Chrysler-Führungskräfte kehrten dem Unternehmen den Rücken. Auch die Synergieeffekte blieben aus, weil die strikte Markentrennung einen gemeinsamen Einkauf erschwerte.

Den Mut, ein monatelang vorbereitetes Projekt kurz vor Unterzeichnung der Übernahmeverträge abzublasen, haben allerdings nur wenige. „Die Mehrheit handelt nach der Devise Augen zu und durch, denen reicht es, wenn Finanz-, Rechts- und Steuerexperten grünes Licht geben. Ob und wie Organisation und Abläufe, Kultur und Personal zusammenpassen, interessiert kaum jemanden“, wundert sich Betriebswirtschaftler Schewe. An den Kosten kann das kaum liegen: Deloitte berechnet für einen Ein-Tages-Workshop zur Ermittlung des PMI-Risiko-Index rund 10.000 Euro. Schon eine gewöhnliche Financial Due Diligence kostet ein Mehrfaches – in komplizierten Fällen kann allein das finanzielle Screening mehrere Hunderttausend Euro kosten.

Entscheidungsträger haften - möglicherweisee

Für eine schiefgegangene Fusion müssen die Entscheidungsträger möglicherweise haften. „Es kommt darauf an, ob eine schuldhafte Pflichtverletzung zu einem Schaden geführt hat“, erläutert Thomas Stohlmeier, Anwalt und Partner der Kanzlei Clifford Chance in Düsseldorf. Aber während früher ein Verschulden nachgewiesen werden musste, tragen inzwischen Vorstände und Geschäftsführer die Beweislast dafür, „dass sie mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gehandelt haben“.

Wer auf angemessener Informationsgrundlage entscheidet und im gutem Glauben handelt, das Unternehmensinteresse zu fördern, muss später nicht mit haftungsrechtlichen Konsequenzen rechnen. „Kritisch wird es aber, wenn nicht sicher ist, ob die Entscheidung auf einer angemessenen Informationsgrundlage gefällt wurde“, warnt Jurist Stohlmeier. Bei Unternehmenskäufen müsse zwar nach Einzelfall differenziert werden, auch Kosten und Zeitdruck der Entscheidung spielten eine Rolle, „aber gerade bei großen oder strategisch bedeutsamen Übernahmen halte ich eine Due Diligence, die auch die Integrationsrisiken abdeckt, in der Regel für unverzichtbar“.

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