Olympia Siemens-Mitarbeiter im Pekinger Bordell

Verschärfte Einreisevorschriften, Razzien im Rotlicht-Milieu, Verhaltenskodex für Ausländer: In China gehen die Vorbereitungen für die Olympischen Spiele in die heiße Phase.

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Bei einer Razzia in China Quelle: AP

Die beiden Siemens-Mitarbeiter wollten es noch einmal richtig krachen lassen. Und so entschlossen sich die Männer, unterwegs auf Geschäftsreise in China, an einem Abend vor rund eineinhalb Wochen zu einem Vergnügen der besonderen Art: Sie steuerten ein Bordell unweit des vierten Autobahnrings in Peking an. Doch der Rotlicht-Spaß der zwei Siemens-Angestellten endete mit einer bösen Überraschung. Irgendwann zu fortgeschrittener Stunde rückte die Polizei in dem Pekinger Puff an. Die Siemensianer mussten ihre Pässe abgeben und wurden vorübergehend festgenommen. Einer der Männer kam für fünf, der andere für zehn Tage in so genannte „Besserungshaft“.

Die Siemens-Führung in Peking sah sich daraufhin zum Handeln genötigt. Kurz nach dem Zwischenfall im Bordell hatten alle Mitarbeiter des deutschen Konzerns in China eine Mitteilung in ihrer E-Mail-Box. „Aufgrund einiger Vorfälle in den vergangenen Tagen, sehen wir die Notwendigkeit, auf folgendes hinzuweisen“, heißt es in der ausführlichen Nachricht. Alle Aktivitäten im Zusammenhang mit übermäßigem Alkoholgenuss, öffentlicher Störung, Auseinandersetzungen und Schlägereien, ernsten Verkehrsdelikten, Drogenkonsum, Glücksspiel, Prostitution, Raubkopien, Verletzungen der Zollvorschriften oder politischen Handlungen könnten vor und während der Olympischen Spiele durch die Behörden geahndet und hart bestraft werden, so die interne Siemens-Warnung an die Mitarbeiter.

Bei Siemens in Peking will man zu dem Vorfall nicht Stellung nehmen. In einer Stellungnahme heißt es lediglich, dass es sich bei dem Rundschreiben an die Siemens-Mitarbeiter um ein „allgemeines Informationsschreiben“ des Managements handle. Mitgeteilt worden sei, dass die Behörden die Kontrolle für Ordnungswidrigkeiten im Vorfeld der Olympischen Spiele erhöhen. „Es wurde an die Mitarbeiter appelliert, sich an die lokalen Gesetze zu halten“, so die Stellungnahme.

Fest steht: Gut acht Wochen vor Beginn des der Olympischen Spiele ziehen die chinesischen Behörden die Zügel an. Denn sie wollen dem internationalen Publikum eine störungsfreie und saubere Olympiastadt, frei von Sünde, Demonstrationen und Kriminalität präsentieren. Aus Angst vor politischen Unruhen wâhrend der Spiele haben die Behörden beispielsweise damit begonnen, Vertreter nationaler Minderheiten aus Peking auszuweisen. „Muslimische Uiguren und Tibeter werden derzeit aufgefordert, Peking zu verlassen“, sagt ein Straßenhändler in der Pekinger Innenstadt. Der Mann kommt aus Kashgar in der Westprovinz Xinjiang, wo die muslimischen Uiguren schon seit längerem gegen die Dominanz der Chinesen aufbegehren.

Zunehmende Probleme bei Visa-Erteilung

Doch die chinesische Regierung treibt auch die Furcht um, Vertreter ausländischer  Menschenrechtsorganisationen könnten die Spiele für politische Demonstrationen nutzen. Darum, aber auch aus Furcht vor Terroranschlägen, hat Peking die Einreise nach China in den vergangenen Wochen drastisch erschwert. Touristen etwa müssen bei der Beantragung eines Visums jeden Stopp ihrer Reiseroute nachweisen und für jede Übernachtung einen Hotelnachweis vorlegen. Eine Übernachtung bei Familienangehörigen in China ist nur Verwandten ersten Grades erlaubt.

Auch Geschäftsreisende klagen über zunehmende Probleme bei der Erteilung einer Einreiseerlaubnis. Für die Beantragung eines Visums, das zur mehrfachen Einreise berechtigt, müssen die Antragsteller neuerdings ein Einladungsschreiben einer chinesischen Behörde vorlegen. Einige Ausländer in China mussten für die Verlängerung ihrer Aufenthaltsgenehmigung sogar in ihr Heimatland ausreisen und die Verlängerung bei der dortigen chinesischen Botschaft beantragen. Bislang erteilten die Behörden in China die Verlängerung.

Um einen reibungslosen Ablauf der Spiele im August zu gewährleisten, hat das Pekinger Organisationskomitee für die Olympischen Spiele (Bocog) vor wenigen Tagen einen umfangreichen Verhaltenskodex für Olympia-Besucher aus dem Ausland vorgestellt. „Ausländer müssen die chinesischen Gesetze respektieren und dürfen nicht die nationale Sicherheit gefährden und die soziale Ordnung beschädigen“, heißt es in dem Leitfaden, der, wie bei chinesischen Vorschriften üblich, viel Raum für Interpretationen lässt. Darüber hinaus warnt der Kodex Besucher aus dem Ausland vor dem „Rufen beleidigender Slogans und der Darstellung dieser auf Transparenten“. Auch die öffentliche Darstellung politischer und religiöser Botschaften ist verboten.

Mit Sorge erfüllt die chinesische Regierung offenbar auch, die Zehntausenden Prostituierten in Peking könnten das Ansehen des Landes im Ausland beschädigen. Darum haben die Behörden schon vor Wochen damit begonnen, viele Damen des horizontalen Gewerbes aus der Olympiastadt zu verbannen. Der Pub „Pig and Whistle“ etwa ist vielen Pekingern wegen der vielen Prostituierten aus der Mongolei nur unter dem Namen „Mongolische Botschaft“ bekannt. Doch seit einigen Wochen ist die Kneipe jeden Abend menschenleer.

Um die Fassade eines modernen, funktionierenden Staates zu errichten, der internationale Vorschriften beachtet und durchsetzt, legen die Behörden außerdem vielen Händlern, die in Peking illegal kopierte DVDs und CDs verkaufen, das Handwerk. Bislang hatte etwa die Pekinger Supermarktkette Jenny Lou’s in vielen ihrer Läden eine Ecke für die Händler reserviert. Aus einigen Geschäften sind diese bereits verschwunden und werden wohl erst nach Olympia zurückkehren.

Potemkinsche Dörfer in Peking

Darüber hinaus wollen die Olympiaorganisatoren den Besuchern in Peking saubere Gewässer präsentieren – der Eindruck soll entstehen, die Umweltverschmutzung sei in China weniger gravierend als häufig behauptet. Dazu haben sich die Verantwortlichen etwa ganz besonderes ausgedacht – sie graben der Pekinger Nachbarprovinz Hebei im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser ab. Aus den Reservoirs in Hebei wird das Wasser derzeit in großem Stil nach Peking geleitet und dort unter anderem in die vielen Kanäle gepumpt, die die Stadt durchziehen. Die Folge: Aus den schwarzen, stinkenden Kloaken der Hauptstadt sind in den vergangenen Wochen Kanäle mit verhältnismäßig sauberem Wasser geworden. Nur: Die Bauern in der Nachbarprovinz klagen, ihnen fehle nun das Wasser für den Anbau von Mais und Kartoffeln. Das ohnehin von Dürren geplagte Umland trocknet weiter aus.

Doch gut möglich, dass während der Olympischen Spiele nur wenige Touristen aus dem Ausland die sauberen Kanäle bestaunen können. Denn die verschärfte Visavergabe führt schon jetzt zu einem drastischen Rückgang bei den Buchungen. Erst die Hälfte der Zimmer in Pekinger Drei- und Vier-Sterne-Hotels sei bislang für den Zeitraum der Olympischen Spiele gebucht, erklärte vor wenigen Tagen ein Vertreter der Pekinger Toursimusbehörde. Und so droht, was einmal als große Party geplant war, zu einem langweiligen Ereignis in kleinem Kreis in einer sterilen Stadt ohne Atmosphäre zu werden.

Dabei hatte noch vor gut einem Jahr ein chinesischer Regierungsverteter einer kleinen Gruppe deutscher Journalisten erklärt, man habe mit großer Aufmerksamkeit die Fußball-WM 2006 in Deutschland beobachtet, auch um daraus zu lernen. „Die Atmosphäre war locker und entspannt“, so der Regierungsvertreter damals. „Es war ein Riesenfest, genauso wollen wir das auch haben.“

Damit wird es wohl nichts werden.

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