Lebensmitteleinzelhandel Die Marken der Discounter leiden

Die öffentliche Wahrnehmung der Marken leidet massiv. Davon könnte die Konkurrenz aus dem Ausland profitieren, schreibt Boris Hedde von Psychonomics in seiner Kolumne.

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Brandindex-Ergebnisse

Nicht nur bei Lidl sind Mitarbeiter überwacht worden. Auch die Discounter Penny, Plus, Netto und Norma sollen ihre Angestellten mit versteckten Kameras und Detektiven überwacht haben. Hinzu kommt, dass Aldi – Platzhirsch unter den Discountern – unterstellt wird, Gewerkschaften beeinflusst zu haben.

Und die Handelsketten Edeka und Plus stehen beim Kartellamt unter Beobachtung wegen einer anvisierten Übernahme. Auf das Markenimage der Discounter wirkt sich das katastrophal schlecht aus – wie der BrandIndex zeigt. 

Der BrandIndex als forschungsbasiertes Tool zur täglichen Markenmessung ermöglicht tagesgenaue Analysen - 550 Marken in Deutschland werden jeden Tag neu von 1000 befragten Personen hinsichtlich ihres aktuellen Images bewertet.  Innerhalb von drei Tagen nach Bekanntgabe der Bespitzelungsvorwürfe stürzte etwa die Marke Lidl um 37 Prozentpunkte ab und fand sich, nachdem die Marke zuvor noch an Position zwei der Discountermarken stand, nun auf dem letzten Platz wieder.

Lidl versuchte dieser Entwicklung mit einer groß angelegten Kampagne am ersten April entgegenzuwirken. In vielen großen Zeitungen wurden Entschuldigungsanzeigen abgedruckt.

Dies hatte zur Folge, dass das Image der Marke nicht weiter abfiel. Eine Erholung des Markenwertes wurde dadurch jedoch nur bedingt möglich. Als an den Folgetagen Datenschutzbeauftragte kritisierten, dass im Rahmen der Mitarbeiter-Bespitzelungen die EC-Karten-Pin-Eingabe gefilmt worden sei, fiel die Marke Lidl erneut ab und konnte sich seitdem nicht mehr erholen.

Interessant war im Verlauf des Lidl-Skandals, dass die Marken der Vollsortimenter anfangs von der Entwicklung profitieren konnten. Im BrandIndex wiesen zum Beispiel gerade die Marken Edeka und Kaiser’s verbesserte Positionen aus. Mit der zeitlich aber kurz danach liegenden Nachricht, dass über Lidl hinaus auch bei Edeka und Plus Bespitzelungen erfolgt seien, wurde dieser Imagegewinn zunichte gemacht.

Das vom Lidl-Skandal nicht tangierte Markenimage von Aldi verlor erst, nachdem Medien berichteten, Aldi habe versucht, Betriebsräte zu beeinflussen.  Aldi, die sonst am besten positionierte Marke in der Lebensmittelbranche in Deutschland, verlor beim Image binnen Tagen um zehn Prozentpunkte.

Ebenso befindet sich die Marke Plus seit den Spionage-Enthüllungen in einem Abwärtstrend und fiel über den Skandalverlauf ebenfalls um zehn Prozentpunkte.  Erwartungsgemäß weist der BrandIndex für alle negativ beteiligten Marktteilnehmer ein überproportional schlechtes Arbeitgeberimage aus. Im Rahmen der Aspekte Preis-Leistungs-Bewertung und Qualität finden sich ebenfalls Ausschläge. Hier zeigt sich, dass es im Sinne eines verbesserten Gesamtimages an Kommunikations-Maßnahmen bedarf, die über das Arbeitgeberimage hinausgehen und weitere Markenthemen beinhalten sollten.  

Wie geht es nun weiter bei den Lebensmittel-Discountern? 

In Zeiten, in dem fast alle großen Marken das Thema gute Unternehmensführung und soziale Verantwortung auf die Agenda setzen, sind die Bespitzelungsvorwürfe und die negativen Schlagzeilen in einen doppelten Sinn negativ für die Unternehmen.

In der Öffentlichkeit wird diskutiert, ob bestimmte Handelsketten zu boykottieren sind. Und von Seiten der Herstellermarken stellen sich Fragen, inwieweit deren Image langfristig getroffen werden kann, wenn ihre Produkte und Marken in einem negativen Umfeld vertrieben werden.

Davon könnte die Konkurrenz aus dem Ausland profitieren, die in der Öffentlichkeit als unbescholten gilt  – wie zum Beispiel Carrefour aus Frankreich oder DelHaize aus Belgien. Diese Lebensmittelkonzerne könnten die Gunst der Stunde nutzen und den hiesigen Markteintritt forcieren – und den hiesigen Discountern Marktanteile abknöpfen.

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