Neuregelung der Goodwill-Abschreibung bewirkt Kurssprünge bei Dax-Werten Goodwill-Regeln: Bilanz-Effekt schönt die Gewinne

Mit der Ankündigung eines Gewinnsprungs um 20 Prozent überraschte der Henkel- Konzern kürzlich die Anleger. Prompt kletterte der Kurs um zwei Prozent. Investoren waren jedoch einer optischen Täuschung erlegen. Der bei Übernahme von Firmen entstehende so genannte Goodwill wird nach einer neuen Regel nicht mehr linear über viele Jahre abgeschrieben, sondern bleibt voll in den Bilanzen stehen. Das lässt den Gewinn höher erscheinen.

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DÜSSELDORF. Goodwill ist die Differenz zwischen dem Kaufpreis für ein Unternehmen und der Summe der Vermögenswerte abzüglich der Schulden. Eine Art Aufpreis also, den der Käufer bezahlt, weil er sich von dem Neuerwerb gute Geschäfte erwartet. Nach der Fusionswelle zum Höhepunkt der Aktienblase ist der Goodwill in vielen Bilanzen eine gewichtige Position. Überraschungen wie bei Henkel wird es jetzt öfter geben. Denn ab 2005 ist die neue Bilanzregel (IFRS 3) Pflicht. Sie bietet Anlegern, die den Hintergrund kennen, Chancen auf Kursgewinne. „Die Kursreaktion bei Henkel zeigt, dass Marktteilnehmer sich nicht unbedingt rational verhalten“, sagt Wertpapieranalyst Michael Köhler von der Landesbank Rheinland-Pfalz (LRP), der eine Studie zu den Auswirkungen auf die Dax-Werte mitbetreut hat. Portfoliomanager Wolfgang Schuhmann von der Vermögensverwaltung Gebser & Partner glaubt sogar, dass der Effekt auf die Kurse länger anhalten kann. „Gängige Bewertungskennzahlen wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis werden wesentlich günstiger aussehen. Das könnte viele Anleger auf Dauer beeinflussen.“ Unter den Dax-Unternehmen stellen Metro, Altana und Schering bereits in diesem Jahr ihre Bilanzierung um. Während bei den Pharmakonzernen ein vergleichsweise geringer Effekt zu erwarten ist, dürfte der Wegfall der Goodwill-Abschreibung bei Metro immerhin schon mit 80 Cent je Aktie zu Buche schlagen, was einem Gewinnsprung von 40 Prozent entspricht. Beim Stromkonzern RWE wird der rechnerische Gewinn sogar um 78 Prozent steigen, errechnete das Analystenteam. Wenn 2005 die restlichen Konzerne nachziehen, dürfte der Reisekonzern Tui mit einem Plus von knapp 170 Prozent die Liste der optischen Gewinner anführen (siehe Tabelle). Besonders kaufenswert sei die Telekom-Aktie, Allianz, Bayer und die Lufthansa, weil dort neben starken Goodwill-Effekten auch die Fundamentaldaten stimmten, ermittelten die LRP-Analysten. Der Wegfall der Goodwill-Abschreibungen ist ein vorhersehbarer optischer Effekt. Echte marktrelevante Nachrichten dürfte es dagegen künftig bei den so genannten „Impairment-Tests“ geben. Danach müssen die Konzerne regelmäßig prüfen, ob die Goodwill-Positionen noch ihr Geld wert sind. Wurde ein Kauf zu teuer bezahlt, muss entsprechend abgeschrieben werden. Prominentestes Beispiel ist eine Wertberichtigung in Höhe von insgesamt 100 Mrd. Dollar, die der Time- Warner-Konzern zwei Jahre nach der Fusion mit AOL vornahm, eine Summe, die dem Bruttosozialprodukt Ungarns entsprach. Die US-Gaap-Standards sehen schon länger keine lineare Goodwill-Abschreibung mehr vor. Die Deutsche Telekom, die auch nach US-Gaap bilanziert, musste nach Impairment- Tests auf die erworbenen Telekomfirmen Voicestream und Powertel Abschreibungen in Höhe von 24 Mrd. Dollar vornehmen. Für Unsicherheit sorgt, dass Unternehmen beim Impairment-Test und der Bewertung teilweise abgeschriebener Posten beachtliche Ermessensspielräume haben. „Die neuen Regeln sind ein Versuch, die Realität exakt abzubilden, aber ob das gelingt, bleibt die Frage“, sagt Bilanzexperte Bernhard Pellens von der Uni Bochum. Bei Dienstleistern ist der Goodwill oft sehr hoch, weil ihr Wert zum Großteil aus immateriellem Vermögen besteht. Zitterpartien erwarten Anleger bei Tui. Der Goodwill macht hier 30 Prozent der Bilanzsumme aus, errechnete das LRP-Team. In seinem Wandel vom Industriekonglomerat zum Reisekonzern hatte Tui Milliarden für Erwerbungen wie Thomson Travel oder Nouvelles Frontières ausgegeben.

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