Emissionsrechte Industrie fürchtet EU-Emmissionshandel

Der Industrie droht Ungemach - Emissionsrechte verteuern die Produktion. Ein Klimaschutz ohne Sonderregeln treibt zuerst energieintensive mittelständische Unternehmen in den Ruin.

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Steinkohlekraftwerk in Quelle: AP

Heinz-Peter Schlüter ist ein typischer Vorzeigemittelständler.

Der Inhaber des Düsseldorfer Aluminiumherstellers Trimet beschäftigt an fünf deutschen Produktionsstandorten 1600 Mitarbeiter und setzt eine Milliarde Euro um. Ohne seine Werkstoffe bekämen Auto- und Flugzeughersteller Probleme.

Doch statt sich in vorweihnachtlicher Stimmung zu ergehen, starrt Schlüter gebannt nach Brüssel, wo in den kommenden Tagen weitreichende Entscheidungen fallen. „Das ist ein Damoklesschwert über uns“, sorgt sich der Unternehmer.

In der EU gehen die Verhandlungen über den Handel mit Emissionsrechten in die heiße Phase. Die Kommission will künftig Unternehmen durch den Kauf von Emissionsrechten dazu zwingen, ihren Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) zu verringern.

Die französische Ratspräsidentschaft drängt darauf, die Verschmutzungsrechte von 2013 an vollständig in öffentlichen Auktionen zu versteigern. Die Idee als solche gilt als modern, bietet sie doch den Unternehmen einen wirtschaftlichen Anreiz, auf die klimaschädlichen fossilen Energieträger zu verzichten.

Doch wie Brüssel die Regelung durchziehen will, stößt bei vielen Unternehmen auf erbitterten Widerstand. Weniger die Stromkonzerne, die dank ihrer Marktmacht die Kosten der Zertifikate eher auf die Kunden abwälzen können als andere Unternehmen, laufen Sturm. Betroffen sind vor allem die energieintensiven Industrien, vielfach aus dem Mittelstand. Sie fürchten, dass die Emissionsrechte die Herstellungskosten zum Teil drastisch erhöhen und viele Fabriken unrentabel machen – wenn es keine gezielten Ausnahmeregelungen gibt.

„Die Emissionszertifikate verteuern unseren Stromverbrauch exorbitant“, sagt Trimet-Eigentümer. Würde Trimet 30 Euro pro Tonne CO2 bezahlen müssen – und dieser Preis gilt unter EU-Energiepolitikern noch als moderater Tarif –, würde das Unternehmen statt 40 Millionen Euro Gewinn 110 Millionen Euro Verlust erwirtschaften, rechnet Schlüter vor.

Die Auktionierung der Zertifikate ist nicht nur ein Kostenfaktor

Neben den Aluminiumherstellern sind von der Vollversteigerung vor allem die Stahl- und Keramikindustrie sowie die Hersteller chemischer Grundstoffe betroffen. Auch Papierfabriken befürchten, dass die Kosten für die Emissionszertifikate praktisch ihren kompletten Gewinn auffressen werden.

Die Auktionierung der Zertifikate ist nicht nur ein Kostenfaktor – er droht auch die Geschäftsmodelle ganzer Industrien auszuhebeln.

Zudem sehen sich Schlüsselunternehmen in Gefahr, die Zulieferteile oder -stoffe für Spezialhersteller produzieren. Diese Kunden würden – so die Furcht – mit in den Sog gerissen, „die Wertschöpfungskette klappt um wie Dominosteine“, sagt ein Energieeinkäufer eines mittelständischen Lackfabrikanten.

Heute tagt der Ministerrat in Brüssel. Die Unternehmer der energieintensiven Branchen fürchten, dass „quasi beim Dessert“ ein Formelkompromiss ausgehandelt wird, sagt der Energieeinkäufer eines Chemieunternehmens. Bisher sah ein Entwurf aus dem Berliner Wirtschaftsministerium vor, Ausnahmen vom obligatorischen Erwerb der Emissionszertifikate zu machen.

Zu diesem Zweck würde Minister Michael Glos (CSU) Branchen, die als Vergangenheitswert "mehr als vier Kilogramm Kohlendioxid pro Euro Bruttowertschöpfung" ausstoßen, die Zertifikate auch in Zukunft kostenlos zukommen lassen. Nur: Glos hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Bisher stoßen die deutschen Sonderwünsche in Brüssel auf wenig Gegenliebe.

Das Emissionshandelssystem besteht bereits seit 2005, bislang nehmen vor allem Stromproduzenten und große Industrieanlagen wie Koksöfen oder Stahlwerke am europäischen Emissionshandel teil. Mit insgesamt 10.000 Anlagen umfasst das System fast die Hälfte aller CO2-Emissionen in der EU.

Bisher erhielten die Unternehmen die Zertifikate jedoch weitgehend kostenlos. Dieses System hat nicht funktioniert: Die Mitgliedstaaten verteilten anfangs zu viele Rechte, die Preise fielen in den Keller, der Anreiz für CO2-Einsparungen war gering. Das soll sich nun ändern. In der neuen Handelsperiode ab 2013 sollen die Zertifikate jährlich auf EU-Ebene verteilt und weitgehend versteigert werden.

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