Web 2.0 - Flop 2.0 Internet-Startups in Geldnöten

Auch in Deutschland geraten Internet-Startups in Geldnöte. Die ersten mussten aufgeben, andere suchen händeringend nach neuen Finanzierungsquellen.

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Auf Internet-Startups kommen Quelle: REUTERS

Ein Dutzend Pakete stapelt sich im Flur der Düsseldorfer Internet-Agentur Marketing Factory. Darin verpackt sind Zelte oder Flachbildschirme – letzte Bestellungen, die der Internet-Shop Schutzgeld noch abwickelt. Anfang November hat der virtuelle Händler dichtgemacht. Dabei hatte die Idee, mit der das Unternehmen vor zwei Jahren antrat, als der große Trend im Internet gegolten: das sogenannte Live-Shopping. Dabei bietet ein Händler pro Tag ein Produkt an – mal ein Messerset, eine Spielekonsole oder einen Fernseher.

„Ich komme mir vor wie im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern“, sagt Schutzgeld-Gründer Peter Faisst heute. Obwohl sie es besser wissen, wahren bei Hans Christian Andersen alle Personen den schönen Schein, bis ein kleines Kind ruft: „Der Kaiser ist ja nackt.“ Die vermeintlich prachtvollen Gewänder des Königs stehen in Faissts Fall für Web 2.0, das interaktive Internet, das dank seiner Millionen Nutzer das große Geschäft verspricht. Das Kind, das sagt, was jeder weiß, ist hier der Schutzgeld-Gründer selbst. Als einer der Ersten seiner Zunft hat er offen ausgesprochen, was viele seiner Kollegen ebenfalls erfahren – mit hippen Web-2.0-Shops ist oft kein Geld zu verdienen.

Das Startup-Sterben in der Internet-Wirtschaft hat auch in Deutschland begonnen. Die WirtschaftsWoche hat 151 junge Internet-Unternehmen zu ihrer Einschätzung der Krise befragt und ernüchternde Ergebnisse ans Tageslicht gebracht: Mehr als die Hälfte der Befragten sieht die Existenz ihrer Unternehmen bedroht. „Das Schlimmste ist die Angst“, sagt ein Gründer, „im Moment haben viele das Gefühl zu fallen, wissen aber nicht, wo der Boden ist.“ Sieben von zehn Unternehmen reagieren auf die empfundene Bedrohung mit Kostensenkungen. Trotzdem versuchen viele, ihren Optimismus zu bewahren: 67 Prozent wollen im kommenden Jahr sogar neue Stellen schaffen.

Doch frisches Kapital aufzutreiben wird immer schwieriger, sagt fast ein Drittel der Startups. Immer häufiger platzt eine schon sicher geglaubte Finanzierungsrunde kurzfristig. Mehr als 20 Unternehmen mussten diese Erfahrung in der letzten Zeit machen. So auch das Münchner Unternehmen Kazzong, das einen Download-Service für Musik entwickelte: Für die beiden Gründer Martin Simma und Matthias Riedl schien alles perfekt, sie hatten einen Investor gefunden, der eine sechsstellige Summe für die Geschäftsidee bereitstellen wollte.

Der Vertrag war aufgesetzt, als die Finanzkrise die Pläne des jungen Unternehmens eiskalt durchkreuzte. Statt beim Notar den Vertrag mit ihrem Investor zu unterzeichnen, mussten Simma und Riedl beim Amtsgericht Insolvenz anmelden. Das Münchner Büro wurde geschlossen, die fünf Mitarbeiter mussten gehen. „Der Investor hat viel Geld in der Krise verloren und deswegen in letzter Minute einen Rückzieher gemacht“, sagt Simma, „was für uns bedeutete: Wir müssen zumachen.“

So geht es mittlerweile vielen InternetStartups, denn die Kapitalgeber halten ihr Geld zusammen. „Ich bin vorsichtiger“, sagt Lukasz Gadowski, Gründer des erfolgreichen Internet-Shops Spreadshirt, der heute als Business Angel andere Gründer finanziert. „Folgefinanzierungen eigener Startups werden schwerer, und ich möchte Reserven haben.“ 80 Prozent der befragten Unternehmen mussten die Erfahrung machen, dass das Einsammeln von Kapital schwieriger geworden ist. Da reicht es schon, dass ein Geldgeber sich an anderer Stelle verspekuliert hat, und schon fehlt das Geld für Investitionen.

Dabei versprach der inzwischen insolvente Musik-Download-Dienst Kazzong ein erfolgreiches Investment zu werden: Das Unternehmen hatte das kritische erste Jahr überstanden und nach Simmas Angaben bereits Verträge mit Plattenfirmen und Anbietern sozialer Netzwerke unterschrieben. Musiker konnten dank Kazzong ihren Internet-Auftritt um einen eigenen Songshop ergänzen – und bei jedem Download verdiente Kazzong ein paar Cent mit. Im Sommer hatte die Firma eine neue Abspielsoftware entwickelt, die bei der Kundschaft gut ankam. Das Ziel, Ende kommenden Jahres erstmals schwarze Zahlen zu schreiben, schien zum Greifen nah.

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