Altersvorsorge Lebensversicherungen und Pensionskassen im Sog der Finanzkrise

Mit der Banken-Pleitewelle drohen Anlegern auch an unvermuteter Stelle Einbußen – bei Lebensversicherungen und Betriebsrenten.

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Die fünf Lebensversicherer mit dem höchsten Marktanteil in Deutschland setzen bei der Kapitalanlage vor allem auf Bankanleihen (zur Vollansicht bitte auf die Grafik klicken)

Glück gehabt: Nur eine Million Euro hat die thüringische EthikBank in eine Anleihe der Beinahe-Pleite-Großbank Hypo Real Estate (HRE) investiert. Selbst wenn dieses Papier trotz milliardenschweren Staatsspritzen für die HRE nicht zurückgezahlt werden sollte, müssten die Thüringer nicht in die „Reserven greifen“, so Klaus Euler, Vorstandschef der EthikBank.

Ganz anders sieht es für Anleger aus, die in Versicherungen machen. Die 50 Milliarden Euro schwere Last-Minute-Rettung der HRE kostet die Lebens- und Krankenversicherungen bis jetzt schon 1,4 Milliarden Euro. Warum Versicherungen eine Bank mitretten? Ganz einfach: Eine Pleite der angeschlagenen Hypothekenbank hätte deren Pfandbriefe, in denen Milliardensummen der Lebensversicherungskunden investiert sind, für unbestimmte Zeit unverkäuflich gemacht.

Allerdings stecken die Geldmanager der etwa 100 Lebensversicherungen und 152 Pensionskassen, die 1.100 Milliarden Euro verwalten, auch ohne die Pleite der HRE tief im Schlamassel. In der Vergangenheit konnten sie einzelne Krisen über ihre langfristig ausgerichtete Kapitalanlage ausbügeln. Schließlich müssen Lebensversicherungskunden und Betriebsrentner nicht selten 20 und mehr Jahre auf ihre Leistungen warten.

Nun aber trifft sie mit der jetzigen Finanzkrise und nach dem Platzen der Technologieblase der zweite heftige Schlag innerhalb von nur sechs Jahren. Schon die Aktien-Baisse 2002 brachte mit Gerling und Mannheimer zwei deutsche Versicherungskonzerne sowie eine Reihe von betrieblichen Versorgungswerken in Schieflage. Was jetzt mit dem Erdbeben im Finanzsystem kommt, könnte auch ohne weitere Pleiten Betriebsrentner und Lebensversicherungssparer weit mehr kosten als der Absturz der Technologieaktien.

Anlagealternativen gehen aus

Denn die Lebensversicherer und Pensionskassen hängen voll im Risiko bei möglichen Bankenpleiten. Ein knappes Drittel der 690 Milliarden Euro Anlegergelder haben die Lebensversicherer allein in Bankschuldverschreibungen gesteckt, dazu summieren sich Schuldschein- und Darlehnsforderungen gegen die Geldhäuser und Aktienpakete. Knapp ein Prozent, 6,5 Milliarden Euro, stecken in Private-Equity- oder Hedgefondsanlagen, die dick im Minus stehen und denen wegen der Kreditklemme das Geld ausgeht. Weitere acht Prozent entfallen auf Unternehmensanleihen, deren Kurse ebenfalls unter Druck stehen.

Genau aufschlüsseln will kein Versicherer seine konkreten Risiken und Positionen. Selbst die Frage nach einer groben Verteilung der Anlagen beantwortet Zurich Deutscher Herold nicht, immerhin Nummer drei am deutschen Markt. Man „möchte dazu derzeit keine Auskunft geben“, hieß es bei der Zurich in Bonn.

Diesen Auskunftsstreik kennen Anleger seit Krisenbeginn von Banken. Die aktuelle Weigerung nun auch der Lebensversicherungen und Pensionskassen ist ebenfalls nicht gerade ein Vertrauenssignal. Klar ist: Wo mehr als jeder zweite Versicherten-Euro in Bankpapieren liegt, droht Gefahr. Zumal „wir nicht am Ende der Finanzkrise, sondern noch mitten drin sind. Niemand weiß, welche Verwerfungen noch kommen werden“, warnt Peter Albrecht, Finanzökonom an der Universität Mannheim.

Schon jetzt gehen den Managern von Lebensversicherungs- und Pensionsgeldern die Anlagealternativen aus: Sichere Staatsanleihen bringen derzeit weniger als vier Prozent, Aktien sind im Sinkflug, und auch die Immobilienmärkte bieten ein trostloses Bild. Einige Lebensversicherungen und Pensionskassen können ihren Kunden daher kaum mehr als die magere Garantieverzinsung von 2,25 Prozent bieten – wohlgemerkt nur auf den Teil, der tatsächlich im Anlagetopf ankommt, nach Abzug aller Kosten. Bei einer Lebensversicherung sind dies in der Regel nur 70 bis 75 Prozent der Prämie. Nach Abzug der Inflationsrate macht der Anleger also in jedem Fall ein Verlustgeschäft, sollte nur noch die Garantieverzinsung fließen.

Die Enttäuschung sitzt tief

Wie die Versicherer das Geld der Anleger verteilen (zur Vollansicht bitte auf die Grafik klicken)

Derzeit spricht viel dafür.

Lebensversicherungen. Statt mit Transparenz zu beruhigen, geht die Branche lieber in Abwehrstellung, nach dem Motto „was der Kunde nicht weiß, lässt ihn nicht misstrauisch werden“. AMB Generali etwa verteilte Anfang Oktober ein Schreiben an die Service-Mitarbeiter, wie sie der Finanzkrisen-Panik begegnen sollen. Tenor: Alles ist in Butter, kein Grund zur Sorge.

Ob sich die Angst der Lebensversicherungskunden um ihr Erspartes mit ein paar verbalen Beruhigungspillen beseitigen lässt, ist jedoch fraglich. Zu tief sitzt die Enttäuschung über die in den vergangenen Jahren abgeschmolzenen Überschüsse ihrer insgesamt 94 Millionen Policen. Laut Branchendienst map-report sank die Rendite von Kapitallebensversicherungen von 1998 mit 6,2 Prozent auf zuletzt 5,4 Prozent. Selbst diese niedrigere Rendite, die besonders über lange Laufzeiten erhebliche Einbußen für Anleger bedeutet, konnten die Versicherer nur mit einem Kniff ausschütten: Sie griffen in die stillen Reserven und nutzten Polster in zu konservativ kalkulierten Tarifen, um mehr zu zahlen, als der Anlagemarkt tatsächlich hergab. Im vergangenen Jahr beispielsweise verzinsten sich die Kapitalanlagen der Lebensversicherungen nur noch mit 4,6 Prozent – 0,8 Prozentpunkte weniger, als die Ausschüttung betrug. Je länger die Finanzkrise nun dauert, desto schmaler wird das Polster für schlechte Zeiten. Vor allem die große Abhängigkeit von bankgebundenen Zinspapieren bereiten den Lebensversicherungen Kopfschmerzen. „Wenn eine deutsche Großbank pleiteginge, würde dies den Lebensversicherungen große Probleme bereiten, ihre Leistungsversprechen einzuhalten“, sagt Manfred Poweleit, Herausgeber des map-report. Dass dieses Szenario nicht weit von der Realität entfernt ist, zeigte die Beinahepleite der Hypo Real Estate, deren Pfandbriefe wahrscheinlich so gut wie alle Lebensversicherungen in ihren Portfolios halten.

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