Spielzeug Märklin-Pleite: Keiner will der Schuldige sein

Wer ist schuld an der Pleite der Modellbahnlegende Märklin? Ein Blick hinter die Kulissen offenbart: irgendwie jeder.

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Ein symbolisches Bild: Quelle: dpa

Freitags ist Bautag im Salzburger Stadtteil Parsch. Eine Handvoll Mitglieder des Salzburger Modelleisenbahnclubs bastelt im ehemaligen Stellwerk an der vereinseigenen Anlage. Hier schnurren nicht nur einfach Züge im Kreis, sondern, darauf sind die Mitglieder besonders stolz, durch eine originalgetreue Landschaft. Ein Architekt hat geholfen, einzelne Häuser wie das Vereinsgebäude detailgetreu nachzubauen. Allein an der Rekonstruktion der Festung Hohenwerfen haben die Eisenbahner ein Jahr lang gebastelt. Seit gut 60 Jahren gibt es den Club, der zwar noch rund 100 Mitglieder zählt, aber immer weniger Aktive. Der Altersdurchschnitt liegt bei rund 60 Jahren.

Der Club spiegelt nur eines der ungelösten Probleme von Märklin wider. Die deutsche Modellbahnlegende, die in ihrem 150. Jubiläumsjahr in die Insolvenz rutschte, ist seit Jahren in immer weniger Kinderzimmern präsent, wurde immer mehr zur Preziose für überwiegend ältere Sammler wie CSU-Chef Horst Seehofer, 59, der jüngst verkündete: "Bei meiner Anlage vergesse ich sogar die Kanzlerin."

Die treuen Sammler sind wohl so ziemlich die Einzigen, die keine Schuld trifft an der Märklin-Pleite, die jetzt 650 Arbeitsplätze in den deutschen Standorten Göppingen und Nürnberg gefährdet. Gemeinsam für die Fahrt aufs Abstellgleis sorgte die junge Generation, die keine Eisenbahn mehr kauft, Manager, die den Sprung der romantischen Marke in die Moderne nicht schafften, Banker und Investoren, die sich nicht grün waren, und gescheiterte Berater.

Schuldzuweisungen für Märklin-Pleite

Am Ende, so ist aus dem Lager der Investoren zu hören, war alles eine Sache weniger Tage. Eigentlich hätten die Kreditlinien über rund 50 Millionen Euro von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und Kreissparkasse Göppingen schon am 31. Dezember 2008 auslaufen sollen, doch die Investoren überzeugten die Institute, bis zum 31. Januar zu warten. Die Forderung der LBBW lautete, die Märklin-Inhaber, die Finanzinvestoren Kingsbridge und Goldman Sachs, müssten noch einmal mindestens fünf Millionen Euro nachschießen. Doch die Eigner machten das davon abhängig, dass ein bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in Auftrag gegebenes Sanierungsgutachten positiv ausfällt.

Das hätte noch funktionieren können. Ursprünglich sollte das Gutachten am 22. Januar vorliegen. Doch von dem Modellbahnhersteller, dessen letzter Geschäftsführer Axel Dietz Ende 2008 hingeworfen hatte, fehlten, wie Insider berichten, angeblich noch wichtige Daten. Neuer Termin für das Gutachten sollte deshalb der 13. Februar sein. Doch die Banken zogen Ende Januar den Stecker und froren die Konten ein. Wie der vorläufige Insolvenzverwalter Michael Pluta am Donnerstag feststellte, zu Recht. Anderenfalls hätten sie sich der "Beihilfe zur Insolvenzverschleppung" schuldig gemacht.

Neue Loks zu teuer - Fans weichen auf Ebay aus

Trotzdem wäre eine Rettung vielleicht noch möglich gewesen. Doch über das Wie gab es offenbar erhebliche Differenzen. Ein Kingsbridge-Partner bot Anfang der Woche an, die von den Banken geforderten fünf Millionen Euro aus seinem Privatvermögen vorzuschießen. Dafür sollten die allerdings auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten und ihre zur Sicherung des Kredits erhaltenen Ansprüche auf Teile des Märklin-Werks in Ungarn abtreten.

Wer die größere Schuld an der Pleite trägt, darum streiten die Investoren auch mit der auf Restrukturierungen spezialisierten Beratung Alix Partners. Alix, so der Vorwurf, habe schlechte Konzepte abgeliefert und dafür hohe Rechnungen geschrieben. Die Alix-Version der Geschichte: Die Investoren und das Management hätten den eingeschlagenen Kurs zur Kostensenkung nicht fortsetzen wollen, sondern auf eine teure Expansion und neue Produktlinien gesetzt. Alix soll bis Ende 2007 rund sechs Millionen Euro kassiert haben. Doch auch 2008 flossen weitere Millionen an Anwälte und Berater. Da war Alix schon nicht mehr an Bord. "Wenn die Beratungskosten nicht bestanden hätten", so das Urteil von Insolvenzverwalter Pluta, "wäre die Firma jetzt nicht pleite."

Jetzt liegt es an den Investoren und an Pluta, ob die Fahrt der deutschen Industrie-Ikone noch ins 151. Jahr weitergeht. Das Grundproblem bleibt: Die zum Teil mehrere Hundert Euro teuren Loks locken immer weniger neue Kunden. Selbst Märklin-Fans weichen gerne auch auf Auktionsplattformen wie Ebay aus. Dort ist das Angebot groß und die Preise für gut erhaltenes Equipment deutlich günstiger.

Seit ihrem Einstieg 2006, als Märklin schon einmal vor der Insolvenz stand, haben Kingsbridge und Goldman Sachs Schätzungen zufolge mehr als 50 Millionen Euro in das Unternehmen gesteckt. Schon deshalb gibt es vielleicht auch noch ein wenig Hoffnung: Solche Summen schreibt niemand gerne ab.

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