Performance-Management Manager knöpfen sich Low Performer vor

So manches Unternehmen nutzt die Krise als Feigenblatt, um sich von leistungsschwächeren Mitarbeitern zu trennen. In den Strategieberatungen und Topkanzleien gilt schon immer das Darwin´sche Prinzip des "Survival of the fittest". Einen Durchhänger kann sich da keiner leisten.

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Für IBM ist es keine Option, Mitarbeiter „durchzufüttern“, die die Leistungsanforderungen nicht erfüllen. Quelle: ap

DÜSSELDORF. Frisches Blut muss her, dachte sich der neue Chef. Nach zehn Jahren zeigte der Medienbetrieb mit 40 Mitarbeitern deutliche Verkrustungen, so sein Eindruck. Für ihn war klar: Da kann nur eine "Blutwäsche" helfen. Soll heißen: Jedes Jahr müssen die schlechtesten zehn Prozent gehen. Um den Aderlass arbeitsrechtlich abzudichten, führt der Manager penibel Liste. "Minderleister", die er auf dem Kieker hat, mahnt er für jeden Fehler ab. Das zeigt Wirkung. "Die Leute sind so eingeschüchtert, dass viele nicht einmal wagen, sich gegen Abmahnungen für Lappalien zu wehren und letztlich gehen", erzählt eine ehemalige Mitarbeiterin. Die Blutwäsche mit Schleuderprogramm läuft weiter, natürlich inoffziell.

Kündigungsschutz hin, Sozialauswahl her. Gerade jetzt in der Krise stellen sich Manager die Frage: Wenn wir uns schon von Mitarbeitern trennen müssen - warum nicht von den Low Performern? Das sehen auch viele der Kollegen so. Unschöne Folge der Rezession: Der Konkurrenzkampf am Arbeitsplatz wird härter. Das beobachtet über die Hälfte von knapp 3 800 Fach- und Führungskräften, die E-Recruiter Stepstone in Deutschland befragte. Der Grund für die verschärfte Ellenbogenmentalität: Immerhin 40 Prozent der Manager haben Angst, ihren Job zu verlieren. Das ergab eine Umfrage unter 150 Entscheidern im mittleren Management der Beratung Accenture.

"Up or out! Grow or go!" - in den Strategieberatungen und Topkanzleien gilt schon immer das Darwin´sche Prinzip des "Survival of the fittest". Es gibt Beratungen, die gar wöchentlich Leistungsbeurteilungen durch Kollegen vorschreiben. Einen Durchhänger kann sich da keiner leisten. Jack Welch machte als Chef von General Electric vor, wie man mit Zuckerbrot und Peitsche führt: dicke Prämien für die Stars, die besten 20 Prozent. Platzverweis für die schlechtesten zehn Prozent - jedes Jahr. "Reise nach Jerusalem" für Mitarbeiter.

Das deutsche Arbeitsrecht jedoch schiebt solch rigorosem Performance-Management einen Riegel vor. "Eine Art Bundesligatabelle, von der zu Saisonende die drei Schlechtesten absteigen müssen, ist im Kündigungsrecht nicht zulässig", sagt Jobst-Hubertus Bauer, Arbeitsrechtsexperte der Kanzlei Gleiss Lutz. Der Plan des damaligen Infineon-Chefs Ulrich Schumacher, sich jedes Jahr von den schlechtesten fünf Prozent zu trennen, endete 2003 in einem Debakel. Offiziell wurde das umstrittene Low-Performer-Programm gekippt - ebenso wie der Personalchef.

Unstreitig ist: Um ein Unternehmen wettbewerbsfähig zu halten, braucht es leistungsfähige Mitarbeiter. Heinz Liebmann, Leiter Personalprogramme von IBM: "Stillstand können wir uns nicht leisten. Wir müssen jedes Jahr ein bisschen schneller rennen als die anderen."

Wichtig: Die Leistung der Mitarbeiter ist kontinuierlich zu messen. Um dabei den "Nasenfaktor" auszuschalten, sind vorab klare Kriterien auszuhandeln, die sich an Unternehmenszielen ausrichten. Derzeit laufen landauf, landab die Gespräche über Zielvereinbarungen. Beim Chemie- und Pharmakonzern Bayer etwa nimmt rund ein Drittel der Gesamtbelegschaft von 106 000 Mitarbeitern am Performance-Management teil. Für die leitenden Mitarbeiter darunter ist der Prozess verpflichtend. Die Ziele werden auf einer Online-Plattform eingetragen, unterzeichnet und bei Bedarf übers Jahr angepasst. Der Beschäftigte trägt zum Jahresende seine Selbsteinschätzung ein, der Vorgesetzte kommentiert seinerseits die erreichten Ergebnisse. Franz Loschert, Personalexperte von Bayer: "Offenes Feedback ist uns wichtig."

Viele Arbeitgeber geben vor, wie viel Prozent ihrer Leute am Ende top oder "flop" sein sollen. Bayer jedoch ist davon bewusst abgerückt. Loschert: "Die Vorgesetzten sollen differenzieren können ohne Vorgabe einer konkreten Verteilung." Denn Leistung ist immer relativ.

IBM reagiert auf gute wie schlechte Leistung konsequent. "Das wirkt als enormer Hygienefaktor", sagt Liebmann. Für IBM ist es keine Option, sich den Luxus zu leisten, Mitarbeiter "durchzufüttern", die Leistungsanforderungen nicht erfüllen. Arbeitsrechtlerin Corinna Heuschmid von Rödl & Partner: "Die Störung des Betriebsablaufs durch Low Performer hat meist massive wirtschaftliche Folgen, was vielfach unterschätzt wird."

Nun die Krise als Feigenblatt zu nutzen, um sich von schwächeren Mitarbeitern zu trennen - davor warnt Nelson Taapken, Leiter der Managementberatung von Hewitt. Läuft die Firma gut, scheuten Vorgesetzte sich oft, schlechte Leistung offen anzusprechen oder Geld für Abfindungen in die Hand zu nehmen. "Das ist ihnen einfach unangenehm." Was sie dabei übersehen: Letztlich geht es auf Kosten des Betriebsfriedens, wenn ein Beschäftigter die Gruppe als soziale Hängematte missbraucht. Im Team weiß jeder genau, wer viel oder wenig zum Erfolg beiträgt. Verschließen Vorgesetzte die Augen und tolerieren schwache Leistungen, steigt die Zahl der Minderleister, warnt Taapken.

Denn: "Zwei Drittel aller Low Performer sind hausgemacht", sagt Taapken. Viele Fusionen und Umorganisationen sind an den Menschen vorbeigelaufen, die dann innerlich gekündigt haben. Arbeitgeber sollten sich also zunächst an die eigene Nase fassen: Haben wir wirklich alles für die Motivation aller Mitarbeiter getan? Liegt es vielleicht am Vorgesetzten?

Die wenigsten Schlechtleister sind hoffnungslose Fälle. "Low Performer wieder zu mehr Leistung zu motivieren ist unser primäres Ziel - und auch wirtschaftlicher als eine Neueinstellung", betont Liebmann. Wir suchen nach individuellen Lösungen, denn die Ursachen für Leistungstiefs sind vielfältig. "Entgegen vieler Vorurteile hat schwache Leistung nichts mit dem Alter zu tun." Der Mitarbeiter bekommt bei IBM sechs bis zwölf Monate Zeit, durch Trainings oder Job-Rotation wieder volle Leistung zu zeigen. In zwei Dritteln der Fälle gelingt dies auch.

Sollte dies alles nicht fruchten, trennt sich IBM von Mitarbeitern. "Bei uns gibt es keine Abteilung für Low Performer", betont Liebmann und verweist auf die "Madogiwa-zoku". So nennen Japaner leistungsschwache Arbeitnehmer, die am Fenster des Großraumbüros zum Nichtstun verdammt sind.

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