Energiekonzerne RWE-Mitarbeiter hadern mit ihrem eigenen Chef

Was tun, wenn der Konzern-Chef Unternehmer ist? Mitarbeiter des Energiekonzerns RWE gewöhnen sich nur schwer an Jürgen Großmann. Warum der knorrige Vorstandschef häufig aneckt.

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Jürgen Großmann, Vorstandsvorsitzender der RWE AG Quelle: RWE

Es klingt nach Idylle: „Die RWE-spezifischen Werte sind Vertrauen und Zuverlässigkeit. Diese Werte sorgen für eine gemeinsame, übergreifende Identität in allen Gesellschaften des RWE-Konzerns“, heißt es im Verhaltenskodex der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke. Doch seit im Oktober 2007 der 57-jährige Stahlunternehmer Jürgen Großmann das Steuer des Stromkonzerns übernahm, kommt sein Lebens- und Arbeitsstil nicht bei allen RWE-Mitarbeitern gut an. Die Kultur eines Konzerns verträgt sich nicht mit einem Vollblut-Unternehmer.

„Am meisten stört uns, dass Herr Großmann das Unternehmen RWE führt, als wäre es sein eigenes“, sagt ein Manager mit kühler Distanz.

Anderthalb Jahre steht der Stahlunternehmer an der Spitze des Energieriesen, dessen Unternehmenskultur seit jeher vor allem auf Bürokratie und Konsens ausgerichtet ist. Nun soll es vor sechs Wochen ausgerechnet an der Konzernspitze zu „Tumult“ und „Turbulenzen“ gekommen sein, wie Aufsichtsräte erzählen. In einer Aufsichtsratssitzung, so wurde berichtet, stand Großmann „vor dem Rückzug“. Auch der Posten von Aufsichtsratschef Thomas Fischer habe zeitweise zur Disposition gestanden. Es wird sogar bereits ein potenzieller Nachfolger gehandelt: der frühere Chef der zum RWE-Reich gehörenden Kölner Rheinenergie, Rolf Martin Schmitz. Der ist tüchtig. Vor allem aber: unauffällig.

RWE-Chef im Bentley-Oldtimer kommt bei Mitarbeitern schlecht weg

Großmann plagt das umgekehrte Problem seines stillen Vorgängers Harry Roels. War der Holländer im Konzern und in der gesamten Branche häufig kaum sichtbar, ist Großmann unübersehbar. Das gilt leider auch für seine privaten Autos. Fotos von Großmann beim Oldtimer-Rennen Mille Miglia im eigenen 1,5 Millionen Euro teuren Bentley, werden in Essen nicht als Stilbruch, sondern als Provokation gesehen.

Zwar ist Großmann für seine Nähe zur SPD bekannt – aber zu der Brioni-Fraktion Gerhard Schröders und nicht zu der eher vermufften Lehrerpartei, die im Ruhrgebiet das Mittelmaß zum Parteiprogramm erhoben hat. Und so leiden beide aneinander – der Konzern am Unternehmer Großmann und Großmann am Konzern. Zunächst warfen ihm die vielen „Doktoren“ – wie er sie nennt – vor, dass er nicht da ist. Sie zählten seine Ausflüge von der Konzernzentrale an die Hamburger Elbchaussee, von wo auch die Georgsmarienhütte geleitet wird – das mittelständische Stahlkonglomerat, das Großmann aufgebaut hat. Sie ärgerten sich, wenn er Geschäftsbesprechungen in seinem Sterne-Restaurant „La Vie“ in Osnabrück abhielt, wo sich auch die Zentrale von Großmanns Stahlwerk Georgsmarienhütte (GMH) befindet, statt im Essener Schloß Hugenpoet. Sie bemängelten, dass der Übergang vom Eigentümer zum Konzernchef nicht so glatt abging wie ein Schulwechsel und Großmann weiter seine Öfen im Auge behielt.

Großmanns Gegner verbünden sich

Entwicklung der RWE-Aktie seit dem Amtsantritt von Jürgen Großmann

Jetzt ist er da, und es ist noch viel schlimmer. „Großmann agiert als Unternehmer“, sagt einer, und das klingt, als sei der Leibhaftige in die Stille der Konzernzentrale eingedrungen, um dort bacchantische Feste zu feiern. „Er reißt Kompetenzen an sich, die früher von Stabsstellen besorgt wurden, verteilt Anti- und Sympathien in Sekundenschnelle und nimmt Mitarbeiter, die ihm gefallen, auch mal mit auf Privatreisen zur Jagd, um in persönlicher Atmosphäre über Geschäftsdetails zu sprechen.“

Großmann könnte sich bestätigt fühlen – aber schon scheint ihn die Konzernerei verdorben zu haben: Das sei alles „Blödsinn“, wettert die RWE-Zentrale, statt schlicht zu sagen: „Sorry, das ist sein Job.“

Entehrt fühlen sich Top-Manager, dass sie nur noch die E-Klasse fahren dürfen wie Großmann, wenn er im Dienst ist. Aber dass er in der Mitarbeiter-Zeitung („Glückauf“) in seiner Stahlhütte schreiben lässt, dass „das Gefühl, Geld zu haben, nicht halb so intensiv ist wie das Gefühl, kein Geld zu haben“ wird bei RWE „als Zynismus“ empfunden, sagt ein Manager.

Oder fürchten sie nur, nachdem Großmann ein paar der vielen Konzernebenen und Nebenvorstandstrutzburgen abgeschafft hat, dass sie vielleicht als Nächste dran sein könnten? Während Großmann durch den Konzern fuhrwerkt, verbünden sich seine Gegner. Der zuverlässige Schmitz wird zum Alternativprogramm. Schmitz sei mit seinem Verständnis für kommunale Empfindlichkeiten „genau der richtige Mann für RWE“, sagt ein Aufsichtsratsmitglied des Konzerns, an dem zu 15 Prozent die nordrhein-westfälischen Kommunen beteiligt sind. Vielen Kommunalpolitikern ist Großmanns als herrisch empfundene Art nicht geheuer – trotz Erfolgen wie der Übernahme des niederländischen Energieversorgers Essent. Auch hier verbündet sich der Kulturkampf mit der Sorge um den Standort von Konzernteilen. Sie wollen Schmitz als Nachfolger von Großmann aufbauen.

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