Software SAP versucht Stellenabbau der besonderen Art

Erstmals in seiner Geschichte kürzt SAP massiv Jobs. Doch der Softwarekonzern versucht den formvollendeten Stellenabbau: Mit extremer Großzügigkeit, viel Harmonie und eleganter Online-Technik.

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SAP-Zentrale in Walldorf

Als sich Erwin Gunst persönlich an die Mitarbeiter wandte, bediente er sich gewählter Worte. „Die Verhandlungen fanden in einer Atmosphäre von gegenseitigem Vertrauen und Respekt statt und waren geprägt von einem konstruktiven und zielgerichteten Dialog zwischen den Verhandlungspartnern.“ So schrieb der Chief Operating Officer (COO) von SAP Ende Februar in einer E-Mail an die Belegschaft.

Dialog und Partnerschaft, Vertrauen und Respekt, kurzum: Harmonie, Harmonie, Harmonie – so ließe sich das Programm überschreiben, mit dem Deutschlands Vorzeige-Softwarekonzern auf seine ganz eigene Weise versucht, den Folgen der Wirtschaftskrise im eigenen Hause Herr zu werden. Und der Mann, der alles geräuschlos und gefällig nach innen wie außen durchziehen soll, ist Gunst, ein 49-jähriger Belgier, der nicht nur verantwortlich fürs operative Geschäft zeichnet, sondern zugleich Arbeitsdirektor von SAP ist, eine Art oberster Personalchef.

In dieser Funktion muss Gunst etwas vollbringen, was es in der 37-jährigen Unternehmensgeschichte von SAP noch nie gab: richtig viele Stellen abbauen. 3000 von weltweit 51.500 Mitarbeitern sollen ausscheiden, das sind rund sechs Prozent, in Deutschland allein trifft es 640 Vollzeitkräfte. So hat es der künftige SAP Allein-Vorstandschef Léo Apotheker Ende Januar angekündigt – und so muss es Gunst nun richten.

Fragt sich nur, wie, wenn so etwas bei SAP in dieser Größenordnung noch nie jemand gemacht hat. Wen auswählen, wo anfangen, wie rechtliche Fehler vermeiden, wie die Stimmung im Unternehmen oben halten und Widerstände minimieren? Und was mit dem Betriebsrat anstellen, den es erst seit Mitte 2006 gibt und der lange als Institution non grata galt?

SAP hangelt sich durch die Fallstricke des Kündigungsschutzes

Wie Gunst das bisher Undenkbare bei SAP exekutiert, ist ein Paradebeispiel dafür, wie ein Unternehmen Riesensummen lockermacht, um ja ohne Blessuren durch wenig bekanntes Terrain zu kommen. Als Wegweiser durch die Fallstricke des Kündigungsschutzes dient Gunst eine 30-seitige Vereinbarung, die er Ende Februar mit dem Betriebsrat nach drei Wochen harter Verhandlungen abschloss. Das Papier, das der WirtschaftsWoche vorliegt, liest sich wie eine Roadmap zur erfolgreichen Vergoldung des Abschieds von Hunderten Mitarbeitern – möglichst geräuschlos, möglichst rasch, in jedem Fall aber elektronisch formvollendet.

Selbstverständlich ließ Gunst sich dabei „vom Ziel eines zwingenden Stellenabbaus von Beginn an nicht abbringen“, wie ein SAP-Betriebsrat bedauert. Die 24 Millionen Euro Einsparungen pro Jahr sind schließlich gesetzt, Schluss, Punkt, aus. Dafür konzedierte Gunst immerhin, dass er die 640 Vollzeitstellen „mittels Fluktuation und Freiwilligkeit“ abbauen werde.

Was einfach klingt, ist in der Praxis kein leichtes Unterfangen: Gunst muss Mitarbeiter finden, die freiwillig weichen, auf die das Unternehmen zugleich aber auch verzichten kann. Dass sich Leute überhaupt freiwillig melden, sprich einen Aufhebungsvertrag unterschreiben, will Gunst durch großzügige Abfindungen fördern. Demnach erhält, wer aus freien Stücken ausscheidet, für die ersten 15 Jahre der Betriebszugehörigkeit pro Jahr zwei Monatsgehälter Abfindung. Das ist rund das Vierfache dessen, was Arbeitnehmer beim Gang vor das Arbeitsgericht erwarten dürfen. Vom 16. Jahr an gibt es nur noch ein volles Monatsgehalt Abfindung.

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