Unabhängiger Fachmann Ex-BGH-Richter soll Spitzel-Skandal bei Telekom aufklären

Der Chef der Deutschen Telekom, René Obermann, holt sich zur Aufklärung des Spitzelskandals in seinem Unternehmen den Datenschutzexperten Gerhard Schäfer. Der ehemalige Richter am Bundesgerichtshof (BGH) soll als unabhängiger Fachmann für die Telekom ein neues Sicherheitskonzept erarbeiten.

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Die Spitzel-Affäre bei der Quelle: dpa

Es gebe entsprechende Aussagen „eines Geschäftsführers einer GmbH“, sagte Oberstaatsanwalt Fred Apostel heute in Bonn. Er habe aber noch keinerlei Unterlagen gesehen, die diese Aussage belegten, sagte Apostel.

Die Telekom selbst hat nach Angaben von Vorstands-Chef René Obermann keine Kenntnis von einer angeblichen Überwachung von Bankdaten. „An dieser Stelle muss ich alle Spekulationen zurückweisen“, sagte er einen Tag nach der Aufnahme von staatsanwaltlicher Ermittlungen in der Bespitzelungsaffäre in Bonn. Die Telekom habe die Staatsanwaltschaft bei ihren Untersuchungen unterstützt. „Alles wird sich im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Arbeit aufklären“, sagte er.

Im Visier der Ermittler stehen derzeit Obermanns Vorgänger Kai-Uwe Ricke und der frühere Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Zumwinkel sowie sechs weitere Personen. Zumwinkel war bereits Anfang des Jahres wegen des Vorwurfs der Verwicklung in die Liechtenstein-Steueraffäre als Post-Vorstandschef zurückgetreten. Offiziell geht es um den Vorwurf der missbräuchlichen Verwendung von Daten und der Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses.

Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete heute, dass die Bespitzelungen durch die Telekom „nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittler“ deutlich weiter gegangen sein sollen als bislang bekannt. „So sollen nicht nur Telefonverbindungen, sondern auch Bankdaten von Journalisten und Aufsichtsräten ausgespäht worden sein“, schrieb die Zeitung. „Zudem sollen mit einer speziellen Software Bewegungsprofile von einzelnen Personen erstellt worden sein.“

Vor einer Woche hatte Obermann eingestanden, dass es 2005 und teilweise auch 2006 zu einem Datenmissbrauch bei der Telekom gekommen war. Ziel der Operation war es, undichte Stellen im Konzern aufzuspüren, über die interne Informationen an die Presse weitergegeben wurden. Obermann war im November 2006 als Nachfolger an die Spitze der Telekom gerückt. Zuvor war er Chef der Telekom-Mobilfunksparte.

Unterdessen ruft die Bespitzelungsaffäre bei der Telekom auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf den Plan. Für nächsten Montag hat der Minister die Vorstandsvorsitzenden der deutschen Telekommunikationsanbieter nach Berlin einbestellt, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ in ihrer heutigen Ausgabe berichtet. Dabei soll es vor allem um den Datenschutz in Unternehmen gehen.

Der ehemalige Telekom-Chef Ron Sommer bestritt, über die Bespitzelung von Journalisten informiert gewesen zu sein. Das hätte er nicht geduldet, sagte er der „Financial Times Deutschland“ (heutige Ausgabe). „Das gilt auch für den gesamten Vorstand und Aufsichtsrat.“ Sommer war zwischen 1995 und 2002 Vorstandschef der Telekom. Nach Informationen der Zeitung soll das Unternehmen bereits im Jahr 2000 den Auftrag gegeben haben, Journalisten zu bespitzeln.

Ministerium wünscht Verhaltenskodex

Angesichts der Spitzelaffäre bei der Deutschen Telekom will die Bundesregierung die Branche zu einer Selbstverpflichtung für mehr Datenschutz bewegen. Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums sagte heute in Berlin, Ziel des Gesprächs am Montag sollte ein Verhaltenskodex sein. „Es bedarf offenbar einer stärkeren Bewusstseinswerdung“ für die Bedeutung des Datenschutzes. Die Unternehmen, die durch ihre Einbindung in den Antiterror-Kampf Zugang zu sensiblen Daten hätten, dürften nicht hinter staatlichen Standards zurück bleiben, mit denen die Rechte der Bürger gesichert seien. Es gebe bei der Telekom offenbar ein Problem mit den Kontrollen, sagte die Sprecherin.

Telekom-Chef Obermann ist zu dem Treffen unter Leitung von Innenstaatssekretär Hans Bernhard Beus eingeladen. Die Einladung richte sich an die Branche, aus der weitere Unternehmen und Verbände erwartet würden, sagte die Sprecherin. Auch das Wirtschaftsministerium werde vertreten sein. Nach Angaben des Innenministeriums zielt das Treffen nicht auf eine Verschärfung der Datenschutzgesetze. Das Justizministerium zeigte sich offener für diese Möglichkeit, vor der aber eine genaue Aufklärung des Falls nötig sei.

Im Dauerstreit zwischen dem CDU-geführten Innen- und dem SPD-geführten Justizressort zeigten sich neue Irritationen. Die Sprecherin von Justizministerin Brigitte Zypries sagte, sie habe keine Erklärung, warum die Ministerin nicht zu dem Treffen eingeladen sei. Regierungssprecher Thomas Steg wies Kritik der Opposition zurück, die Regierung vernachlässige den Datenschutz.

Der Deutsche Journalistenverband und der Deutsche Presserat forderten eine strengere Beachtung der Datenschutzregeln. Der Datenschutzbeauftragte müsse die Kompetenz haben, den Missbrauch von gespeicherten Verbindungsdaten zu verhindern, erklärte der Vorsitzende des DJV, Michael Konken. Der Sprecher des Presserats, Manfred Protze, sagte im Deutschlandradio Kultur, man müsse etwa über die Mitbestimmung in den Unternehmen alle Möglichkeiten ausschöpfen, Missbrauch zu verhindern.

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