Energiepolitik Wie Vattenfall die Atomkraft wieder salonfähig machen will

Lars Josefsson, Chef des Energiekonzerns Vattenfall, verfolgt eine raffinierte Taktik, um Atomkraft in Deutschland nach den Wahlen salonfähig zu machen. Wie er die Anti-Atom-Stimmung zwischen Rhein und Oder knacken will.

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Protest gegen das Quelle: dpa

Lars Göran Josefsson ist wieder in Berlin. Nach dem SAS-Frühflug mit Ankunft um 8.30 Uhr in Berlin-Tegel hat er deutschen Boden unter den Füßen – und ist damit in der höchst kompliziert denkenden, von Ängsten und Sorgen gequälten Energienation Deutschland sicher gelandet. Vor der Ankunftshalle steht schon sein geräumiger VW-Konferenzwagen mit den cremefarbenen Sitzen, auf denen er sich niederlässt und dann die 20 Minuten durch den Berliner Stadtverkehr zur Chausseestraße 23 gefahren wird.

Der Mann aus dem hohen Norden ist Chef des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall und seiner deutschen Ableger in einem. Einen eigenen deutschen Statthalter gibt es nicht mehr, seitdem dieser nach einem Transformatorenbrand im Vattenfall-Kernkraftwerk Krümmel in eine Art Bunkermentalität verfallen war und dadurch das Image des skandinavischen Konzerns schwer geschädigt hatte. Es gibt zwar noch einen Vorstand Atomtechnik für die Vattenfall-Kernkraftwerke in Deutschland – neben Krümmel auch Brunsbüttel. Doch der ist kein Deutscher mehr, sondern Schwede und sitzt in seiner Heimat, weitab von den deutschen Medien.

Vattenfalls Deutschland-Mission ist klar und radikal

Umso mehr hat seitdem Josefsson die Zügel in Deutschland in der Hand. Dreimal im Monat ist er für einen Tag in Berlin. Nach außen wirken seine Leute hierzulande unauffällig – ihre Braunkohlekraftwerke in Ostdeutschland werden wegen des hohen Kohlendioxidausstoßes als Klimakiller, ihre Atommeiler als dunkle Mächte gefürchtet. Da empfehlen sich leise Töne. Dafür hält Josefsson im Stillen dagegen. Nie würde er es laut sagen, doch seine Mission in Deutschland ist so klar wie radikal: Er will die Anti-Atom-Stimmung zwischen Rhein und Oder knacken. Dazu befleißigt er sich eines Vierklangs, der – wie weiches Wasser den Stein – den Widerstand gegen die Kernkraft auflösen soll: schwedisch-weltläufiger Charme, Unauffälligkeit im Auftreten, hartes Vorpreschen, wo nötig – und der Aufbau eines Netzwerks in und um Deutschland.

Der gelernte Radaringenieur hat einen Plan geschmiedet. Er hat den Tag X nach der Bundestagswahl im Herbst als Tag der Umkehr für die Energiebranche in Deutschland auserkoren. Er strickt fieberhaft an einem Deal zwischen Energieproduzenten und Politik – falls Angela Merkel, deren Einflüsterer er ist, Kanzlerin bleibt, womit er fest rechnet. Dann will er zusammen mit den anderen Energie-Konzernchefs, so hofft er, die Laufzeiten der Kernkraftwerke deutlich verlängern – und somit Vattenfall die Geldquellen in Deutschland lange bewahren. In Schweden wurden gerade die Laufzeiten von Atommeilern auf 60 Jahre verlängert – selbst die dortigen Sozialdemokraten als ehemalige Atomgegner plädierten dafür. In Deutschland dürfen die Kernkraftwerke gerade mal 30 Jahre lang laufen. „Die Politik muss sich der Physik beugen“, sagt Josefsson schmunzelnd. Und vergisst nicht zu erwähnen, dass „Frau Merkel Physikerin ist“.

Der Vattenfall-Chef gibt sich dabei alle Mühe, das Gute so deutlich wie möglich nach außen zu kehren. Vor zehn Tagen wurde er zum Berater für Klimaschutzfragen von UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon ernannt. In derselben Frage berät er – inoffiziell und ohne formales Mandat, aber in vielen Telefongesprächen auch von Stockholm aus – die Kanzlerin. Und wenn er in Berlin ist, mag das Vormittagsprogramm noch so voll gestopft mit Konferenzen gewesen sein – beim Mittagessen im Biergarten des Restaurants Bochardt, bei Schnitzel und zwei Glas Bier, stellt der ehemalige Manager des schwedischen Handyherstellers Ericsson pure Lauterkeit zur Schau. „Wir müssen den dramatischen Klimawandel aufhalten“, sagt Josefsson und blinzelt in die Sonne.

Klingt gut, auf den ersten Blick aber auch merkwürdig. Denn Vattenfall gehört mit seinen ostdeutschen Braunkohlekraftwerken zu den großen Luftverpestern der Welt. Hinter solchen und anderen freundlich-nachdenklichen Worten des 58-Jährigen steckt jedoch pures politisches Kalkül, das in Drohungen umschlagen kann: „Der politische Perfektionismus in Deutschland“, sagt Josefsson klipp und klar, „führt in eine Sackgasse.“

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