Wahlen in Brandenburg und Thüringen „Die Bürger dürsten nach politischer Erneuerung“

Die AfD setzt ihren Siegeszug in Deutschland fort. Bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Thüringen kann die Newcomer-Partei auf ein zweistelliges Ergebnis hoffen. Entsprechend euphorisch fallen die Reaktionen aus.

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Jubel und Euphorie: Parteichef Bernd Lucke freut sich über die Ergebnisse für die AfD. Quelle: dpa

Als Bernd Lucke in Potsdam eintrifft, ist die Stimmung noch verhalten optimistisch. Der Bundesparteichef der Alternative für Deutschland (AfD) ist von Berlin, wo er an einer Großkundgebung gegen Antisemitismus teilnahm, in die brandenburgische Landeshauptstadt geeilt, um den erwarteten Wahlerfolg seiner Partei mitzufeiern. Zu diesem Zeitpunkt wusste der Flurfunk schon zu berichten, dass es sehr gut für die AfD aussehen könnte. Die Aktivisten der erst vor eineinhalb Jahren gegründeten Partei konnten denn auch die 18-Uhr-Prognose kaum erwarten.

Zum Bersten voll ist das „Le Manège“ im historischen Potsdamer Kutschstall, als es nur noch Sekunden sind bis die ersten Zahlen über den Bildschirm flimmern. „Zehn, neun, acht, …“, zählen die AfD-Sympathisanten zu rhythmischem Klatschen den Countdown. Kurz danach ein lauter Aufschrei und dann noch lauteres Klatschen. Die Partei hat die Erwartungen übertroffen: Zehn Prozent in Thüringen, zwölf Prozent in Brandenburg.

Alexander Gauland, der Spitzenkandidat der Brandenburg-AfD, ist überwältigt. Freudestrahlend tritt er ans Rednerpult und ballt wie einst Boris Becker nach gewonnenen Big Points die Fäuste. „Wir sind in der deutschen Politik angekommen, die anderen dürfen sich warm anziehen“, sagt Gauland.

Lucke sekundiert: „Die Bürger dürsten nach einer politischen Erneuerung in Deutschland.“ Sie hätten die „Profillosigkeit der Alt-Parteien“ satt und wollten zurück zu einer „werteorientierten Politik“. Der AfD-Chef nennt das Euro-Thema, die Familienpolitik, die Verschuldung der öffentlichen Haushalte und eine geordnete Zuwanderung, für die sich die AfD stark machen wolle.


„Mir fehlen die Worte“

Tatsächlich muss die AfD jetzt im politischen Alltag zeigen, wie sie den Realitätstest bestehen will. Heute wird aber erst das „fantastische Wahlergebnis“ (Lucke) gefeiert, das dem Brandenburger AfD-Chef fast die Sprache verschlägt. „Mir fehlen die Worte“, sagt Gauland. Dann spricht er von einem wundervollen Tag, einem wundervollen Ergebnis – und schiebt noch einen Superlativ hinterher: „Es ist der glücklichste Tag in meinem Leben.“

In dem tosenden Applaus geht unter, dass Gauland auch sagt, was auf seine Partei nun zukommen wird. „Wir müssen noch viel lernen.“ Man sei noch neu im parlamentarischen Geschäft. Für Gauland selbst gilt das nicht. Lange Zeit gehörte er der CDU an, und er war Staatssekretär in Hessen. Der Einzug seiner Partei in den Potsdamer Landtag ist für den 73-Jährigen die Krönung seiner politischen Karriere. Er ist der älteste Abgeordnete im Potsdamer Landtag. Und damit Alterspräsident.

Über die Machtoptionen seiner Partei verliert Gauland an diesem Abend kein Wort. Aus gutem Grund: Im Handelsblatt-Interview erklärte er kürzlich, warum ihn das Thema nicht umtreibt. „Da müsste eine Revolte in der CDU ausbrechen, damit eine Koalition mit uns möglich wird“, sagte er. Das sei eher unwahrscheinlich. „Daher glaube ich nicht, dass wir uns damit beschäftigen müssen.“

AfD-Chef Lucke sieht den Ball ohnehin im Feld der Union. „Ich gehe davon aus, dass der Widerstand in der zweiten Reihe der CDU gegen die Ausgrenzungspolitik von Kanzlerin Merkel wachsen wird“, sagt Lucke im Gespräch mit dem Handelsblatt. Er erwarte, dass die Union künftig „verstärkt die politische Auseinandersetzung“ mit seiner Partei suchen werde.

Die CDU-Spitze bleibt aber der von Merkel ausgegebenen Marschroute treu. „Die AfD ist eine Herausforderung für alle Parteien. Wir sehen die AfD nicht als Partner“, erklärte am Abend CDU-Generalsekretär Peter Tauber und gab damit fast wortgleich wieder, was die Kanzlerin vergangene Woche gesagt hatte.

Immerhin: Wie Lucke sieht auch die SPD die Union unter Handlungsdruck. Mit Blick auf die AfD erklärte Parteivize Ralf Stegner: „Diese anti-europäische und teilweise offen ausländerfeindliche Partei muss auf unseren entschiedenen politischen Widerstand treffen. Insbesondere die Union ist hier stärker gefordert als bisher.“

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