Weniger Luxus In London bleiben reiche Russen weg

Spendable Russen sagen zu britischen Nobelclubs immer öfter „Njet“. Ihren Platz nehmen Reiche aus China und Südafrika ein. Diese können die Russen jedoch nicht wirklich ersetzen – aus einem einfachen Grund.

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Ein Mann greift zu einer Champagner-Flasche. Eine Flasche Champagner für 530 Euro? In Londoner Nobelclubs vollkommen normal. Quelle: dpa

Frankfurt Die Entwicklungen an den Märkten weltweit lassen sich in London am Geschäft von Nachtclubs ablesen. Im Nobel-Stadtteil Mayfair verzeichnet das im polynesischen Stil gehaltene Etablissement Mahiki derzeit deutlich weniger Russen als Gäste und dafür mehr Feierfreudige aus Ländern wie China oder Nigeria.

„Wir haben deutlich weniger russische Namen im Reservierungsbuch“, sagte Michael Evans, Creative Director des von Prominenten wie Rihanna und Prinz Harry besuchten Nachtclubs, in dem eine Flasche Roederer Cristal Champagner für rund 530 Euro verkauft wird. „Was in der Welt vor sich geht, lässt sich leicht an unserer Gästeliste ablesen.“

Angesichts der anhaltenden Gewalt in der Ukraine und der Bestrebungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin, das Land weniger abhängig vom Westen zu machen, halten sich reiche Russen bei Luxuskäufen zurück und tätigen weniger Geschäfte mit Investmentbanken und Anwaltskanzleien in London. So sucht die Metropole, die schon immer Gäste aus weit entfernten Ländern mit starkem Wirtschaftswachstum hatte, nach neuen Kunden, wobei China und die südlich der Sahara gelegenen Länder Afrikas als mögliche Nachfolger Russlands gehandelt werden.

Übernahmen mit Beteiligung russischer Firmen laufen häufig über die Londoner Niederlassungen global tätiger Investmentbanken. Ihr Volumen ist Bloomberg-Daten zufolge in der ersten Jahreshälfte auf 16,6 Milliarden Dollar um 39 Prozent eingebrochen. Außerdem fällt es russischen Unternehmen schwerer, am internationalen Kapitalmarkt Geld zu beschaffen – ein Geschäft, das ebenfalls häufig über London läuft.

Im Juni haben HSBC und Lloyds von einem Kreditgeschäft Abstand genommen. Gegenstand war die Finanzierung einer Transaktion über 1,5 Milliarden Dollar für den staatlichen Energiekonzern OSO Rosneft, wie aus informierten Kreisen verlautete.

Zudem dürfte laut Angaben des russischen Finanzministeriums eine Eskalation der Spannungen in der Ukraine das Wirtschaftswachstum in Russland praktisch zum Stillstand bringen. Die Europäische Union und USA haben darüber hinaus weitere Sanktionen angedroht, sollten die Unruhen nicht beendet werden, und könnten dabei ganze Branchen ins Visier nehmen.

Die Konsumausgaben russischer Besucher Großbritanniens lagen im Zeitraum von Januar bis Mai bereits 22 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor, berichtet Global Blue, ein Dienstleister für Mehrwertsteuerrückerstattungen bei Käufen im Ausland. Die Ausgaben chinesischer Gäste legten im gleichen Zeitraum um acht Prozent zu.


Russische Kunden sind unersetzlich

Allerdings dürften die Ausgaben der in London lebenden Chinesen nicht den Konsum der reichen Russen ersetzen. „Die vermögendsten chinesischen Bewohner Großbritanniens sind meistens zwischen 18 und 24 Jahre alt“ und Studenten aus reichen Familien, die britische Universitäten besuchen, beschreibt Alex Cheatle, Vorstandschef des Concierge-Dienstleisters Ten Group. Die in Großbritannien lebenden Russen seien dagegen meist ältere Geschäftsleute, die sich zumindest zeitweise mit ihren Familien auf der Insel niederlassen und entsprechend Geld ausgeben. Ein russischer Kunde habe für eine Weihnachtsfeier seiner Angestellten individuell angefertigte Geschenke bestellt, die jeweils Schmuck im Wert von mehreren Tausend Pfund enthielten, erklärt Cheatle.

Für die Ablösung Russlands in der Londoner Wirtschaft gibt es keinen einzelnen Kandidaten. Mehrere Schwellenländer haben jedoch an Bedeutung gewonnen. So ging im April der nigerianische Ölproduzent Seplat Petroleum Development in London an die Börse und ist als erstes Unternehmen aus Nigeria sowohl an der Heimatbörse als auch in Großbritannien gelistet.

Auch China ist ein wichtiger Geschäftspartner. Hierbei konkurriert London als Geschäftszentrum allerdings mit Hongkong, New York, Toronto und Sydney um die Gunst der Chinesen. Unterstützend wirken dabei bessere politische Beziehungen. Zudem habe London es geschafft, sich chinesischen Unternehmen als Plattform für eine weitere weltweite Expansion darzustellen, erläutert William Buckley, Partner bei der Kanzlei Linklaters. Ein Beispiel ist der Immobilienentwickler ABP China (Holding), der im vergangenen Jahr ankündigte, für eine Milliarde Pfund ein rund 140.000 Quadratmeter großes Geschäftszentrum für asiatische Unternehmen in Ostlondon zu erstellen.

Der britische Finanzminister George Osborne hat erklärt, er wolle Großbritannien zum wichtigsten chinesischen Finanzzentrum außerhalb Asiens machen. Nach Lobbybemühungen von Einzelhändlern, Hotels und Fluggesellschaften hat die britische Regierung ihre Visa-Regelungen gelockert.

Allerdings sollte London nicht davon ausgehen, dass die Chinesen, auch wenn sie in großer Zahl auftreten, vollständig die Rolle der reichen Russen übernehmen, warnt Peter Wetherell, Chef der gleichnamigen Immobilienagentur. So gäben sie meist nicht genug aus, um in den vornehmen Bezirken wie Kensington und Knightsbridge eine Rolle zu spielen und hielten sich meist an weniger noble Viertel am Rande der Innenstadt.

„Der russische Markt war wie eine Champagner-Pyramide“, sagt er. „Das Geld kam oben rein und floss nach unten.“

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