90 Jahre WirtschaftsWoche Eine Odyssee

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Etliche Management- und Chefredakteurwechsel

Auch in den Folgejahren machte uns das Blatt mehr Sorgen als Freude. Dabei mussten wir selbstkritisch erkennen, dass es uns an Magazin-Know-how mangelte. Nur vordergründig sind Zeitungsmachen und Magazinverlegen fast das Gleiche. Bei einem Magazin spielen Layout, Bild und Dramaturgie eine wichtigere Rolle als bei Tageszeitungen, sollten Texte meist leichter erfassbar und erzählerischer sein, braucht es Führungskräfte mit spezifischer Erfahrung. So kam es über fast zwei Jahrzehnte zu etlichen Management- und Chefredakteurwechseln.

Unsere Lernkurve ging einher mit ständigen Investitionen in die Redaktion und in das Marketing. Das Blatt wurde attraktiver, besser, Auflage und Marktanteile wuchsen. Dank eines boomenden Print-Anzeigengeschäftes ging es auch finanziell erfreulich bergauf. Bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Mit dem Kollaps der New Economy in 2001 knickte auch das Ertragsstandbein Anzeigenerlöse ein: minus 35 Prozent binnen Jahresfrist. Nur acht Jahre danach wiederholte sich mit der Finanzkrise das Schockerlebnis in vergleichbaren Dimensionen.

Umsatzeinbußen sind nur zum Teil konjunktureller Natur

Den meisten Verlagen war klar, dass Umsatzeinbußen und die parallel hierzu erfolgten Auflagenrückgänge nur zum Teil konjunktureller Natur waren. Mittel- und langfristig weit bedeutsamer waren die gravierenden Marktveränderungen, welche das Internet mit sich brachte – und welche die Digitalisierung noch mit sich bringen wird. Rasend schnell hatten sich Technologiewettbewerber gebildet, gegen die mittelständische Unternehmen finanziell hoffnungslos unterlegen waren und bleiben.

Spitzenposition im Bereich Wirtschafts- und Finanzpublikationen

Der Versuchung, auf das Allheilmittel „cost cutting“ zu setzen, auf redaktionelle Synergien und die Reduzierung der Marketingausgaben, haben wir widerstanden. Stattdessen hatten wir uns früh entschieden, noch stärker auf die sich verändernden Wünsche und Bedürfnisse unserer Leser und Nutzer einzugehen. Während sich das Feld der Wirtschafts- und Finanzpublikationen in den letzten zehn Jahren deutlich lichtete, eroberte die WirtschaftsWoche in diesem Zeitraum die Spitzenposition in ihrem Segment. Die Digitalisierung erforderte eine Anpassung der journalistischen Angebote. Wegen der sozialen Netzwerke, des „user-generated content“, sind Nachrichten sekundenschnell an jedem Ort und gratis erhältlich.

Was jedoch in Zeiten der Globalisierung und der Überflutung mit Informationen Mangelware ist, sind Medien, die Relevantes und Richtiges von Unwichtigem und Falschem trennen, die Ursachen von Fehlentwicklungen erforschen und Problemlösungen sowie Orientierungshilfen bieten. Der Fokus auf tief recherchierte, intelligent analysierte, klug kommentierte Informationen wird an Wert gewinnen. Diese Nutzwerte in jeder technologisch möglichen Form interessierten Zielgruppen anzubieten bleibt das Ziel der WirtschaftsWoche.

Die WirtschaftsWoche hat auf ihrer langen Reise viele Fährnisse umschifft und überwunden und in der Marktführerschaft ihr Zuhause gefunden. Ich bin überzeugt davon, dass das Blatt und seine Sprösslinge auf ihrem Weg durch das digitale Zeitalter neue, spannende Herausforderungen mit Klugheit und dem Glück der Tüchtigen erfolgreich meistern werden.

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