Zu viele Koalas Wenn der Knuddelbär zur Plage wird

Koalas sind zauberhaft niedlich, Termiten eher nicht. Eines aber haben die Tiere gemeinsam: Sie gelten in Australien mancherorts als Plage. Hunderte der Beuteltiere wurden bereits getötet.

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In einigen Regionen Australiens sind Koalas zur Plage geworden. Quelle: dpa

Adelaide Kaum ein Tier kommt knuddeliger daher als der australische Koala. Der fünfte Kontinent setzt die Beuteltiere bei so vielen Werbekampagnen wie möglich in Szene. Ein Foto mit Koala im Arm ist das Highlight vieler Australien-Urlauber aus aller Welt. Und als die Tierschutzorganisation IFAW nach einem Buschbrand im Januar eine Bitte um Handschuhe für Koalas mit verbrannten Pfoten ins Netz stellte, wurde sie mit Tausenden selbstgenähten Stücken aus aller Welt überschüttet.

Aber nicht jeder ist auf die Beuteltiere gut zu sprechen: „Auf einigen Inseln sind Koalas zur Plage geworden“, sagt der Biologe John Woinarski von der Charles Darwin-Universität in Darwin. Seit 2001 steht der Koala auf der offiziellen australischen Liste regionaler Schädlinge – in der Gesellschaft von Termiten, gefräßigen Seesternen wie den Dornenkronen und dem fleischfressenden Eisvogel Kookaburra, hierzulande Lachender Hans genannt.

In Cape Otway im Süden Australiens wurden in den vergangenen zwei Jahren sogar fast 700 Koalas getötet, weil sich dort zu viele der Tiere die Nahrung streitig machten. „Sie waren sehr krank, halb verhungert“, verteidigt Umweltprofessorin und Koala-Expertin Desley Whisson die Aktion.

Vor 100 Jahren waren Koalas in Südaustralien noch vom Aussterben bedroht. Jäger wollten die Felle, Siedler vernichteten die Lebensräume der Tiere mit rasantem Städtebau. Eine Rettungsmaßnahme der Behörden sei gewesen, 18 Tiere auf der Känguruinsel vor Adelaide auszusetzen, erklärt die Managerin des dortigen Koala-Programms, Robyn Mosher. Das reinste Paradies für Koalas: keine Raubtiere wie Dingos oder Füchse und jede Menge Regen. Ihre geliebten Eukalyptusbäume gab es auch.

Die Koala-Schar wuchs entsprechend rasant: 2001 waren es 27.000 Tiere. Die fraßen die Bäume so kahl, dass viele eingingen. „Die Eukalyptus-Bäume stehen an Bachufern und festigen die Böschung. Mit dem Absterben bekamen wir Erosionsprobleme“, sagt Mosher. Zudem leben in den Bäumen auch andere Tiere wie Panthervögel und Honigfresser.

1996 begann ein Koala-Management-Programm. „Wir haben 11.000 Koalas sterilisiert. Das hat funktioniert: Heute gibt es nach Schätzungen noch 13.000“, so Mosher. Den Tieren schade das nicht. „Sie produzieren weiter die gleichen Hormone, das Paarungsverhalten bleibt.“ Die Vegetation habe sich deutlich erholt. Ob die Bäume die derzeitige Koala-Zahl verkraften können, müsse sich noch zeigen.

Die erste Ansiedlung sei schlichtweg ein Fehler gewesen, sagt Mosher. „Es ist immer falsch, Tiere anzusiedeln, wo sie natürlicherweise nicht vorkommen.“ Dennoch wolle heute niemand die Koalas auf der Känguruinsel wieder komplett ausmerzen.


An der Ostküste brechen die Zahlen dagegen ein

Ganz anders ist die Situation an der Ostküste Australiens: Dort brechen die Koala-Zahlen dramatisch ein, vor allem in Queensland und New South Wales, den Bundesstaaten mit den Riesenstädten Brisbane und Sydney. Von 1990 bis 2010 schrumpfte der Bestand dort um 42 Prozent auf noch 188.000 Tiere, schätzt das Umweltministerium. „Die Ausbreitung der Städte in der Küstenregion bedroht die Koalas, weil Vegetation verloren geht, weil sie von Autos überfahren werden und weil Hunde sie anfallen“, heißt es zur Begründung.

Redland City Council 25 Kilometer östlich von Brisbane an der Küste rühmt sich, die meisten Koalas in wohnnahen Gebieten zu haben. „Es sind noch 1300, aber die Zahl geht zurück“, sagt Bürgermeisterin Karen Williams. Die Stadt hat 38.000 neue Bäume gepflanzt, um kilometerlange Vegetationskorridore zu schaffen, in denen die Koalas sich bewegen können, ohne Straßen überqueren zu müssen. Zudem berät die Stadt Einwohner, die ihre Gärten Koala-freundlich gestalten wollen.

„Koalas sind so gemütlich und langsam, dass Hunde, Schlangen und Echsen eine große Gefahr für sie sind“, sagt Williams. Hunde sollten nachts möglichst nicht frei im Garten herumlaufen.“ Wichtig seien zudem Fluchtmöglichkeiten. „Zum Beispiel sollte man Bäume haben und an hohe Zäune ein Brett lehnen, damit sie hochklettern können.“

Dass knuddelige Tiere wie Koalas und Pandas mehr Aufmerksamkeit bekommen als viele vom Aussterben bedrohte Arten, wurmt so manchen Zeitgenossen. Der britische Komiker und Biologe Simon Watt zum Beispiel tourt mit einer Abendshow „Gesellschaft zum Schutz hässlicher Tiere“ durch die Lande.

„Wir widmen uns den ästhetisch nicht gerade verwöhnten Kindern von Mutter Natur“, sagt er. Zu denen zählt er etwa den breitmauligen Fisch Dickkopf-Groppe oder das wohl mit großem Abstand hässlichsten Nagetier der Welt, dem Nacktmull.

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