Chinas mächtiger Messenger WeChat – die App, die das ganze Leben digitalisiert

WeChat Quelle: imago images

Vom WhatsApp-Abklatsch zur Mega-Plattform: Mit WeChat bezahlen, verwalten, kaufen, chatten und surfen über eine Milliarde Chinesen. Von diesem radikalen Erfolg können Tech-Unternehmen im Westen nur träumen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Huang Xiaolong ist stolz auf sein neues Gefährt: Ein Prius von Toyota mit der neuesten Hybrid-Technik. Der 41-Jährige braust damit über die Hochautobahn von Shenzhen. Plötzlich flackert Blaulicht in seinem Rückspiegel. Per Lautsprecher fordert ihn die Polizei auf, anzuhalten. „Verdammt, zu schnell gefahren“, murmelt Huang und fährt an den Rand. „Den Barcode, bitte“, sagt die Verkehrspolizistin freundlich. Huang zeigt ihr sein Smartphone. „Sie können weiterfahren“, antwortet sie kurz angebunden, nachdem sie mit ihrem Smartphone den Barcode gescannt hat. Die Buße wird ihm automatisch von seinem Konto abgezogen.

Noch ist der elektronische Identitätsausweis nur in der südchinesischen Hightech-Metropole Shenzhen möglich. Aber schon in einigen Wochen soll das Verfahren auf die gesamte Provinz Guangdong ausgeweitet werden – und dann kurze Zeit auch auf ganz China. Dank WeChat – der Killeranwendung des chinesischen Internet-Giganten Tencent. Diese App ist für inzwischen so ziemlich alle Lebenslagen in der Volksrepublik von Nutzen. So gut wie alle wichtigen Funktionen des Internets finden sich komprimiert in dieser einen App. Über eine Milliarde aktiver Nutzer hat die Anwendung. WeChat-Betreiber Tencent hat damit die mit Abstand meist genutzte App Chinas erfunden – und die perfekte Mega-Plattform, von der viele Tech-Unternehmen im Westen nur träumen können.

Dabei haben vor gar nicht allzu langer Zeit viele gespöttelt, WeChat sei ja bloß ein Abklatsch von WhatsApp. Auf den ersten Blick ist die Ähnlichkeit auch nicht von der Hand zu weisen. Auf beiden Logos sind weiße Sprechblasen auf grünem Hintergrund abgebildet. Und so wie WhatsApp hatte auch WeChat als reiner Messengerdienst begonnen.

Sehr viel früher als beim US-Pendant war auf WeChat jedoch Videotelefonie möglich und das Verschicken lustiger Smileys und anderer Emoticons. Inzwischen kann die chinesische App sehr viel mehr. Jeder Nutzer bekommt auf WeChat einen personalisierten Barcode zugeteilt. Und das hat auf einen Schlag Dinge ermöglicht, von dem WhatsApp und sämtliche anderen Messengerdienste dieser Welt weit entfernt sind.

Den größten Erfolg hat Tencent mit dem Bezahldienst von WeChat erzielt. Egal ob beim Online-Handel, in Kaufhäusern, Restaurants, selbst beim Obststand am Wegesrand – ein Scan über den Barcode reicht und schon ist das Geld vom WeChat-Konto abgehoben, das wiederum verknüpft ist mit dem Bankkonto. Extra-Lesegeräte sind nicht nötig. Ein Smartphone hat in China inzwischen so gut wie jeder. Auch die Obsthändlerin muss dem Kunden bloß ihren Barcode zeigen. Der kann ihn scannen oder umgekehrt. Schon ist bezahlt. Bargeld oder Kreditkarten werden nicht mehr benötigt. Viele Chinesen leben dank WeChat inzwischen bargeldlos.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%