Altpapier-Flut Die Mülltonne spürt den Amazon-Effekt

Versandkartons sind sperrige Dinger - und es werden immer mehr. Quelle: imago images

Deutschland sammelt so viel Altpapier wie noch nie. Schuld sind Onlinehändler wie Amazon und Co. – die Versandkartons bringen die Mülltonnen zum Überquellen. Und auch Asien will den Müll aus Europa nicht mehr haben.

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Versandkartons sind sperrige Dinger. Sie sind oft um ein Vielfaches größer, als der Artikel, den sie schützen sollen. Und kaum ein Verbraucher macht sich die Mühe, die Pappe kleinzuschneiden oder zu reißen. Die meisten stopfen sie einfach so in die Mülleimer.

Weil die Deutschen immer mehr online bestellen, finden sich auch immer mehr Kartons in den blauen Tonnen. Und immer mehr Experten warnen: Deutschland hat ein Abfall-Problem.

Die Lage

Wie das Umweltbundesamt gerade in einer aktuellen Studie zeigt, verursachten Wirtschaft und Verbraucher im Jahr 2017 etwa 226,5 Kilogramm Müll pro Einwohner, drei Prozent mehr als im Jahr zuvor. 98,9 Kilogramm davon waren Pappe und Papier. Die Masse an Plastikmüll ist nicht mal halb so groß, etwa 38,5 Kilogramm pro Kopf. Dabei wird die Diskussion um Plastikprodukte in der Öffentlichkeit viel intensiver geführt.

Diese Diskrepanz ist nicht unbedingt berechtigt: Papier und Pappe sind nicht zwingend ein umweltfreundliches Material, die Herstellung verbraucht viel Wasser und erzeugt CO2. Laut Statistischem Bundesamt erzeugte die Papierindustrie allein im Jahr 2016 rund 9,6 Millionen Tonnen CO2.

Und der Papierberg wächst. Rasant. Seit 1991 hat die Masse an Papiermüll pro Kopf um über 40 Prozent zugenommen. Allerdings gab es 1991 auch noch keinen Onlinehandel. Wenn überhaupt, bestellten die Deutschen per Katalog. Als das Internet aufkam, wuchs die Hoffnung, dass die Masse an Papiermüll durch die Digitalisierung eher sinkt. Das Gegenteil trat ein. Mit dem Onlinehandel ist Pappe und Papier als Verpackungsmaterial gefragt wie nie.

Die Treiber

Und so gilt das Einkaufen im Internet als der wesentliche Treiber für den wachsenden Papiermüll: Knapp 1,7 Milliarden Sendungen stellten die Zusteller der Paket- und Kurierdienste in Deutschland 2017 zu, heißt es im Bericht des Bundesumweltamtes. Jede dieser Sendungen kam in einem Karton oder einer Versandtasche. Amazon gilt dabei als die wichtigste Plattform: Experten schätzen, dass der Online-Gigant selbst und die Verkäufer auf der Plattform für rund ein Drittel des Umsatzes im deutschen Onlinehandel verantwortlich sind – und damit auch für sehr viel Verpackungsmüll. Amazon selbst teilt dazu mit: Man wolle Verpackungen, "die den anfallenden Abfall auf ein Minimum reduzieren und gleichzeitig eine unbeschädigte Lieferung gewährleisten."

Alleine schuldig ist der Onlinehandel nicht, es gibt auch andere Treiber. Den Möbelhandel zum Beispiel. Vor einigen Jahrzehnten noch kauften die Verbraucher mehr fertig gezimmerte Möbel oder beauftragten gleich Handwerker. Heute gehen die Kunden oft mit Kartons aus den Möbelhäusern nach Hause und zimmern sich ihre Regale und Tische dann selbst zusammen. Auf dem Weg greifen sie vielleicht sogar noch nach einem Coffee-to-Go-Becher. Alles zusammen landet im Altpapier.

Die Folgen

Die Mülltonnen quellen über, beklagt der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU). „Die Kartons aus dem Versandhandel machen zwar nur ein Drittel des Gewichtes des Mülls in der Papiertonne aus – aber zwei Drittel des Volumens“, sagt Patrick Hasenkamp, Vize-Vorstand des Verbandes. Weil Verbraucher die Kartons selten kleinreißen, sondern nur in die Mülltonnen stopfen, sei der Platz schnell ausgeschöpft. Kommunen müssen deshalb öfter Entsorger beauftragen, die Tonnen zu entleeren. Deshalb steigen die Kosten.

Gleichzeitig können die Städte nicht mehr so viel Geld wie früher mit dem Müll aus dem Papiercontainer verdienen. Normalerweise sammeln die Entsorger den Papiermüll ein, sortieren ihn in verschiedene Sorten und verkaufen diese dann an Papierfabriken oder ins Ausland weiter. Im Gegensatz zu Kunststoffabfällen ist Altpapier ein begehrter Rohstoff, in Deutschland setzt die Papierindustrie schon heute 75 Prozent Recyclingmaterial ein, berichtet der Entsorgerverband BVSE.

Doch seit zwei Jahren fallen die Preise auf den internationalen Märkten. Und auch der Müll aus der Papiertonne ist nicht mehr so viel wert wie zuvor.

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