Am Dienstagabend erschütterte eine gewaltige Detonation Libanons Hauptstadt Beirut. Sie war so heftig, dass sie sogar noch in Zypern zu spüren war. Mehr als 100 Menschen starben, etwa 5000 wurden verletzt. Häuser wurden zerstört, Fenster zersprangen, Autos wurden zertrümmert. Hunderttausende Menschen sind obdachlos.
Die Explosionen ereigneten sich im Hafen der Stadt. Die genaue Ursache ist bisher noch ungeklärt. Nach Angaben des libanesischen Ministerpräsidenten Hassan Diab ist im Hafen eine sehr große Menge Ammoniumnitrat explodiert. Etwa 2750 Tonnen des für die Herstellung von Sprengstoff verwendeten Materials seien dort seit sechs Jahren ohne Vorsichtsmaßnahmen in einem Lagerhaus untergebracht gewesen. Das Unglück hat viele Stadtviertel verwüstet hinterlassen – und damit nicht nur die libanesische Hauptstadt, sondern die Wirtschaft des gesamten Landes hart getroffen, wie aus jetzt verfügbaren Satellitenbildern deutlich wird.
Am mutmaßlichen Ausgangspunkt der Katastrophe, dem Lagerhaus im Hafen von Beirut, ist nun auf den Satellitenaufnahmen nur noch ein großer, mit Wasser gefüllter Krater zu sehen. Insgesamt ist der Hafen mit am schwersten von der Explosion getroffen – und das hat auch große Auswirkungen auf die Volkswirtschaft des Landes. Der Libanon importiert jährlich Waren im Wert von etwa 20 Milliarden Dollar. Rund 60 Prozent davon gelangen durch den Hafen ins Land. Die im Vergleich dazu relativ geringen Exporte summieren sich auf etwa vier Milliarden Dollar. Der Hafen ist die wirtschaftliche Hauptschlagader des Landes, über ihn wird die Bevölkerung versorgt. Direkt neben dem Lagerhaus standen etwa Silos, in denen sonst ein Großteil der Getreidevorräte des Landes lagert. Auf den Satellitenbildern ist zu erkennen, dass die Silos nun nicht mehr zu gebrauchen sind.
In der Nähe des Explosionsorts liegt der Beirut Central District. Auf den Satellitenaufnahmen ist zu sehen,wie das Konferenz- und Veranstaltungszentrum Seaside Arena an der äußersten Spitze des Stadtteils demoliert wurde. Der Innenstadtbezirk zieht sich weiter bis um den Place de l’Etoile und gilt als kommerzieller und kultureller Dreh- und Angelpunkt der Stadt. Das in den 1990erJahren von Ministerpräsident Rafic Hariri aufwendig wiederaufgebaute Stadtzentrum Beiruts ist nicht nur ein bedeutendes Banken- und Geschäftsviertel, auch das libanesische Parlament sowie zahlreiche Büros der Vereinten Nationen haben hier ihren Sitz. Mit seinen Kathedralen, dem Nationalmuseum sowie zahlreichen Cafés und Restaurants war der Central District ein beliebter Treffpunkt für Touristen. Die hier ansässigen Luxusboutiquen zogen nicht nur die reiche Oberschicht des Landes an, sondern auch wohlhabende Touristen aus den benachbarten Golfstaaten. Das hier angesiedelte größte Einkaufs- und Freizeitviertel der Stadt, Beirut Souks, beherbergte zudem über 200 Geschäfte, ein Unterhaltungszentrum sowie einen großen Kinokomplex.
Auch das bei Touristen beliebte Ausgehviertel Mar Mikhael mit seinen Bars, Restaurants Kunstgalerien und Geschäften hat es hart getroffen. Der Tourismus ist sehr relevant für das Land und zählt, trotz der in der gesamten Region schwierigen Sicherheitslage, nach wie vor zu den wichtigsten Wirtschaftssektoren des Libanon. Die Tourismuseinnahmen im Jahr 2019 werden auf 2,5 Milliarden Dollar geschätzt.
Dort, wo zuvor allabendlich viele Menschen durch die Straßen schlenderten, ein gutes Essen oder einen Drink genossen, liegen nun Trümmerteile verstreut. Alles ist mit einer Schicht von Asche und Staub überzogen. Noch in den Neunzigern war das Wohnviertel von ölverschmierten Mini-Autowerkstätten, Metzgereien und Haushaltswarenläden geprägt. Auf dem Satellitenbild sind die Trümmer der Häuser oberhalb der beliebten Armenia-Street selbst aus dem All sichtbar.