Unwirksame Mietpreisbremse Staat muss nicht für Schäden von Mietern haften

Wohnhäuser in München-Schwabing Quelle: dpa

Per Mietpreisbremse wollte der Staat Wohnraum bezahlbar halten. Vielerorts patzten dabei allerdings die Juristen. Mieter forderten Schadensersatz - doch der Bundesgerichtshof wies sie nun ab.

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Im Immobilienboom will der Staat das Wohnen bezahlbar halten. Mit der Mietpreisbremse sollte genau das in angespannten Wohnungsmärkten erreicht werden. Sie schreibt vor, dass Vermieter bei Neuvermietungen maximal zehn Prozent mehr ortsüblich verlangen dürfen. Nur Neubauten sind ausgenommen. Außerdem darf die Miete das laut Mietpreisbremse zulässige Niveau ausnahmsweise überschreiten, wenn schon der Vormieter mehr Miete gezahlt hat. 

Wohnungsmieter in Frankfurt wähnten sich daher auf der sicheren Seite: Sie hatten Anfang 2017 für 11,50 Euro je Quadratmeter gemietet, obwohl die Vergleichsmiete nur bei 7,45 Euro lag. Auf dieser Basis forderten sie die zu viel gezahlte Miete zurück.

Doch ihre Forderung blieb unerfüllt. Nicht, weil es Zweifel an Miete oder Vergleichsmiete gab. Sondern weil die hessische Landesverordnung, in der die Mietpreisbremse festgeschrieben worden war, vor Gericht 2019 final gekippt worden ist: Sie sei nicht ordnungsgemäß begründet und damit unwirksam, entschied der Bundesgerichtshof (BGH, VIII ZR 120/18). 

Das war kein hessischer Einzelfall, sondern ein bundesweites Phänomen. In zahlreichen Bundesländern gab es bei der Einführung der Mietpreisbremse rechtliche Probleme: In Baden-Württemberg waren es Formfehler, in Brandenburg eine unzureichende Begründung, auch in Bayern, Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen waren die entsprechenden Verordnungen zumindest anfangs unwirksam. Meist haben die Länder mittlerweile nachgebessert, erließen zwischen 2018 und 2020 neue Verordnungen, die nun weitgehend wirksam sind.

Unwirksame Verordnung rettet Vermieter

Für die Vergangenheit bringt das den Mietern nichts. Denn solange es keine wirksame Verordnung zur Mietpreisbremse vor Ort gab, können sie daraus auch keine Ansprüche herleiten - zumindest nicht gegen den Vermieter. Deshalb wendeten sich einige Mieter an eine andere Adresse: ans Land, also den Verantwortlichen für die einschlägige Verordnung. Sie stützten sich auf Amtshaftungsansprüche und forderten, dass das Land ihnen die Mehrkosten ersetzt, die durch die unwirksame Mietpreisbremse entstanden sind. 

Doch in einem ersten Grundsatzurteil zu dieser Frage, der sich auf den hessischen Fall bezog, lehnte der Bundesgerichtshof nun Ansprüche der Mieter ab (III ZR 25/20). 



Schon vor dem Urteilsspruch hatten die Richter Zurückhaltung erkennen lassen. Es sei „ein unüberschaubarer Personenkreis von Mietern und Vermietern“ betroffen. Allerdings stellten die Richter anfangs auch die Option in den Raum, dass sich aus Grundrechten von Mietern vielleicht doch eine Haftung ableiten lasse. Dazu kam es letztlich nicht. Die Vorinstanzen, das Frankfurter Landgericht und Oberlandesgericht, hatten die Forderung der Mieter ebenfalls zurückgewiesen: Bei Gesetzen und Verordnungen erledigten Amtsträger nur eine Pflicht gegenüber der Allgemeinheit, nicht gegenüber einzelnen Personen. Aus diesem Grund könnten Einzelne nach Fehlern beim Erlass solcher Vorschriften auch keinen Schadensersatz einfordern. Auch ein Anspruch aus enttäuschtem Vertrauen komme nicht infrage, weil es schon sehr früh Zweifel an der wirksamen rechtlichen Umsetzung der Mietpreisbremse in Hessen gegeben habe. Niemand habe also auf deren Wirksamkeit vertrauen dürfen.

Das Landgericht München hatte in einem dortigen, vergleichbaren Fall die Ansprüche von Mietern ebenfalls abgewiesen (15 O 19893/17). Auch die Münchner Richter sahen keine Grundlage für individuelle Ansprüche. Damit scheint sich bislang die abweisende Rechtsprechung zur Staatshaftung fortzusetzen, die zum Beispiel auch verlustgeplagte Wirecard-Anleger kennenlernen, die sich auf eine unzureichende Prüfung staatlicher Stellen stützen wollen.

Historischer Präzedenzfall

Insofern ist es keine Überraschung, dass der BGH den Mietern nun kein Geld zugesprochen hat. Er blieb damit bei seiner bisherigen Rechtsprechung, etwa bei einem historischen Präzedenzfall von 1971. Damals ging es um die Forderung von Eigentümern eines Düsseldorfer Mehrfamilienhauses. Sie verlangten Schadensersatz, weil ihr Haus noch zwangsbewirtschaftet wurde. Sie durften Mieter nicht frei aussuchen und das wegen einer nach dem Zweiten Weltkrieg erlassenen Regelung, mit der damals der kriegsbedingt knappe Wohnraum möglichst fair verteilt werden sollte. Dabei waren die Bundesländer zwischenzeitlich längst verpflichtet worden, die Zwangsbewirtschaftung abzuschaffen, wenn sich die Lage am Wohnungsmarkt wieder normalisiert hatte. In Düsseldorf war das nachweisbar der Fall - und trotzdem war die Zwangsbewirtschaftung fortgesetzt worden. Den BGH ließ das kalt: Amtsträger erfüllten ihre Pflichten gegenüber der Allgemeinheit, nicht gegenüber einzelnen Individuen. Die Eigentümer des Hauses gingen daher leer aus.

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Damals waren es die Eigentümer, diesmal die Mieter. In beiden Fällen blieb die Hoffnung auf Staatshaftung unerfüllt.


Mehr zum Thema: Die besten Ratgeber-Artikel zum Thema Immobilie, für Mieter, Vermieter und Eigentümer, haben wir in unserer Rubrik Meine Immobilie gebündelt. Hier können Sie diese finden.

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