Als die Bundesregierung vor kurzem eine Bilanz ihrer Wohnungspolitik zog, sparte sie nicht an Eigenlob. Das Erreichte „könne sich sehen lassen“, meinte die Bundeskanzlerin. Und Horst Seehofer, der Bauminister, war sogar der Meinung, derartige Impulse für den Bau habe „bisher in den letzten vierzig Jahren, die ich überblicken kann, noch keine Regierung gesetzt“.
Nun ja. Eine unabhängige Bilanz der vergangenen Jahre fällt nicht ganz so selbstzufrieden aus. Wohnen wird von allen Parteien fast unisono als „die soziale Frage unserer Zeit“ bezeichnet. Das Erreichte fällt dann aber doch hinter dieser Rhetorik zurück. Hier der Check für vier Kernversprechen aus dem schwarz-roten Koalitionsvertrag: was wurde gehalten – was gebrochen?
Bauen
„Wir starten eine Wohnraumoffensive: 1,5 Millionen neue Wohnungen und Eigenheime.“
Die Bilanz des Statistischen Bundesamtes ist ziemlich klar: diese Marke wird die Regierung nicht erreichen können. In den Jahren 2018 bis 2021 dürften rund 1,2 Millionen Wohnungen fertiggestellt werden. Der Fairness halber sei gesagt: der Neubau wächst seit einigen Jahren immerhin wieder auf einem recht hohen Niveau. Vor gut einem Jahrzehnt wurden in Deutschland pro Jahr im Schnitt kaum mehr als 150.000 Wohnungen neu errichtet. Mittlerweile nähert sich diese Zahl der 300.000. Der Markt hat also auf die Knappheit der Vergangenheit reagiert, Genehmigungen wurde erteilt, die niedrigen Zinsen dürften ihr Übriges getan haben.
Und trotzdem: zum eigenen Ziel fehlt der Regierung noch einiges. Mal ganz abgesehen davon, dass die plakative Zahl vom 1,5 Millionen nichts darüber aussagt, ob die richtigen Wohnungen am richtigen Ort zum richtigen Preis gebaut werden. Aber das ist eine andere Geschichte.
Baukindergeld
„Wir werden die Eigentumsbildung für Familien finanziell unterstützen. Dafür führen wir für den Ersterwerb von Neubau oder Bestand ein Baukindergeld als Zuschuss aus dem Bundeshaushalt in Höhe von 1.200 Euro je Kind und pro Jahr ein, das über einen Zeitraum von zehn Jahren gezahlt wird.“
330.000 geförderte Familien, bisher fast sieben Milliarden Euro Ausgaben: das Baukindergeld ist das, was Politiker gemeinhin einen Riesenerfolg nennen. Extrem populär ist es in jedem Fall. Klingt ja auch gut: glückliche Eltern samt Kindern im Eigentum dank Staat. Die Förderung kam als Erfindung der Union in den Koalitionsvertrag, mittlerweile feiert sie auch der SPD-Finanzminister als Erfolg.
Ganz so einfach ist es trotzdem nicht. Denn systematische Eigentumsförderung stellt das Baukindergeld leider nicht dar, trotz der Unsummen, die dafür ausgegeben werden. Das liegt an der Art und Weise, wie es beantragt werden kann: erst dann, wenn die Immobilie bereits erworben wurde. Und das wiederum bedeutet, dass die Förderung nachträglich diejenigen prämiert, die ohnehin genug Kapital für einen Kauf hatten. Das Baukindergeld ist also klassische Rechte-Tasche-linke-Tasche-Subventionierung der Mittelschicht, die sie quasi vorher mit ihren eigenen Steuern bezahlt hat. Denen, die zu wenig Gespartes oder etwas zu wenig Einkommen haben, um einen Immobilienkredit zu bekommen, hilft das Programm hingegen gar nicht.
Mietpreisbremse
„Die Mietpreisbremse wird frühzeitig bis Ende 2018 auf Geeignetheit und Wirksamkeit bewertet.“
Bei der seit 2015 geltenden Mietpreisbremse hatte es die große Koalition eilig. Die neue Regierung kam erst im März 2018 ins Amt, aber schon Ende desselben Jahres sollte eine Evaluierung stehen. Hintergrund: nach fünf Jahren, also 2020, wäre das Gesetz ausgelaufen.
So kam es dann nicht. Die bestehende Mietpreisbremse wurde zunächst gleich Anfang 2019 angepasst und 2020 um weitere fünf Jahre verlängert. Die Bremse gilt nun weiterhin in so genannten angespannten Wohnungsmärkten; welche das sind, legen die Länder in Abstimmung mit ihren Gemeinden fest. Dort können Vermieter dann bei Neu- und Wiedervermietungen in der Regel maximal zehn Prozent mehr als die ortsübliche Vergleichsmiete verlangen.
So unumstritten die Verlängerung innerhalb der Koalition war, so umstritten ist die Mietpreisbremse sonst. Die FDP hält sie generell fürs falsche Instrument und verweist darauf, dass sie im Zweifel Investoren abschrecke, die für den dringend nötigen Neubau sorgen müssen (auch wenn Neubau nicht direkt von der Bremse betroffen ist). Im linken Spektrum geht sie vielen nicht weit genug oder bietet noch zu viele Schlupflöcher.
Fakt ist: im Mieterland Deutschland war der Eingriff ziemlich beliebt. Aber den Preisanstieg gerade in Metropolen oder Unistädten wurde trotzdem allenfalls leicht gebremst. Und viele Eigentümer versuchen lieber zu verkaufen.
Eigentumsförderung
„Wir prüfen einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer beim erstmaligen Erwerb von Wohngrundstücken für Familien (…).“
Im Gegensatz zum Baukindergeld, das zügig und im Grunde eins zu eins umgesetzt wurde, erging es dem Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer wie so vielen Prüfaufträgen, die sich Politiker in ihre Koalitionsverträgen schreiben: sie werden meist nicht einmal ernsthaft geprüft.
Schade eigentlich. Experten hielten einen solchen Freibetrag schließlich für einen klugen Weg, um gerade Bürgern mit kleinerem Geldbeutel den Weg zum Eigentum zu ebnen – jedenfalls für deutlich zielführender als das Baukindergeld. Denn ein Freibetrag auf die Grunderwerbsteuer würde die Kaufnebenkosten deutlich senken – nehmen manche Bundesländer doch satte sechs Prozent des Kaufpreises. Zusammen mit Maklercourtage und Notar kommen teilweise zehn oder mehr Prozent zusammen, die Käufer in aller Regel aus eigenen Mitteln stemmen können müssen.
Ein Freibetrag auf das erste selbst genutzte Haus oder die erste Eigentumswohnung – etwa auf einen Kaufpreis in Höhe von 500.000 Euro – würde diese Nebenkostenhürde spürbar senken. Doch in der Koalition fand sich niemand, der diese gute Idee vorantreiben wollte. Hier gilt also klar: Prädikat ungenügend.
Mehr zum Thema: Mit ihren Eingriffen auf dem Immobilienmarkt erreichen Grüne, Linke und Koalitionspolitiker, dass das Angebot knapper wird, die Preise steigen. Mit der richtigen Strategie können Vermieter den Eingriffen wenigstens ausweichen.