„Aktuelle Angebote und leckere Rezeptideen“, verspricht die Supermarktkette Edeka in ihrem Kunden-Newsletter – eigentlich. In der aktuellen Ausgabe mischt sich zwischen bunte Produktbilder und Schnäppchenversprechen auch eine Umfrage. „Ihre Meinung liegt uns am Herzen“, heißt es da – so weit, so üblicher Werbesprech. Was danach kommt, mutet schon kurioser an: Zwei Plastikflaschen sind zu sehen, die eine etwas länglicher als die andere. Dazu die Bitte, sich die Abbildung in Ruhe anzuschauen. Dann sollen die Flaschendesigns wiedererkannt, zugeordnet und bewertet werden – im Hinblick auf eine etwaige Verwechslungsgefahr.
Die ungewöhnliche Kundenbefragung ist nur eine von vielen Kuriositäten in einem erbitterten Rechtsstreit, den Edeka seit Monaten mit dem Getränkehersteller Eckes-Granini führt. Der hatte der Supermarktkette zuletzt vorgeworfen, das Design seiner Saftflaschen imitiert zu haben – und ein Verkaufsverbot für das Edeka-Konkurrenzprodukt erwirkt, das das Hamburger Landgericht an diesem Donnerstag erneut bestätigt hat. Beigelegt ist der Konflikt damit aber womöglich noch lange nicht.
Doch zurück zum Anfang: Alles beginnt im Januar 2021 damit, dass Eckes-Granini seine Preise erhöhen will – laut Medienberichten um etwa sechs Prozent. „Wir haben jetzt Millionensummen in Nachhaltigkeit investiert“, begründet Deutschlandchef Kay Fischer den Schritt in der „Lebensmittelzeitung“. Nun müssten Händler und Verbraucher höhere Preise akzeptieren. Edeka sieht das anders, will zu den neuen Konditionen nicht bestellen. Eckes weigert sich, zu den alten Konditionen zu liefern. Die Konsequenz: Die Regale, in denen bislang Eckes-Produkte wie „Hohes C“ oder „Granini Trinkgenuss“ standen, bleiben bei Edeka im Spätsommer 2021 leer.
Dann aber füllen sich die Regale wieder – nur nicht mit Produkten von Eckes-Granini. Und genau hier liegt die Krux des nun immer weiter anschwellenden Konflikts begraben. Denn Edeka ersetzt etwa das Fruchtsaftprodukt „Granini Apfel“ durch das Produkt „Albi Apfel“ – eine Tochtermarke der Supermarktkette, deren Flaschendesign dem des ausgelisteten Produkts in den Augen von Eckes-Granini zu ähnlich sei. Der Safthersteller erwirkt eine einstwillige Verfügung gegen die „unlautere Nachahmung unserer ikonischen Granini-Flasche“, wie es von Eckes-Granini gegenüber der WirtschaftsWoche heißt. Ab November 2021 sind die Saftregale bei Edeka deshalb wieder leer.
Inzwischen ist klar, dass das Verkaufsverbot für die fraglichen „Albi“-Saftflaschen fürs Erste bestehen bleibt: Edekas Widerspruch blieb vor Gericht erfolglos. Es handle sich um eine „nachschaffende Nachahmung der Granini-Flasche“, urteilte das Hamburger Landgericht am Donnerstag. Das Albi-Design übernehme prägende Gestaltungsmerkmale, die die wettbewerbliche Eigenart des Originalprodukts ausmachten. Dadurch bestehe „die Gefahr einer Herkunftstäuschung“.
War es das dann für die Saftflaschen von Edeka? Ganz so leicht wird sich die Supermarktkette wohl nicht geschlagen geben. Gegen das Urteil des Landgerichts kann Edeka jetzt Berufung einlegen, über die das Oberlandesgericht zu entscheiden hätte. „Wir prüfen intensiv, ob wir weitere rechtliche Schritte einlegen“, sagt eine Konzernsprecherin der WirtschaftsWoche. Man sei „weiterhin der festen Überzeugung“, dass es sich bei der Flasche der Marke ‚Albi‘ um ein eigenständiges Produkt handle. Zudem sei der Albi-Saft „seit vielen Jahren bei den Verbrauchern und Verbraucherinnen als eigenständige Marke bekannt“.
Die Kundenumfrage im aktuellen Edeka-Newsletter könne durchaus bereits ein erster „cleverer Schachzug“ der Supermarktkette für das nächste juristische Verfahren sein, sagt die Markenrechtlerin Heidi Kneller-Gronen. Normalerweise versuchten Konzerne Nachahmungsvorwürfe vor Gericht zu entkräften, indem sie teure Gutachter beauftragten. „In diesem Fall aber hat Edeka sozusagen bereits ein kostenloses Privatgutachten durch seine Kunden erstellen lassen.“
Mehr zum Thema: Diesmal kracht es besonders heftig beim Preisgefeilsche zwischen Markenherstellern und Handelskonzernen. Verhandlungsexperte René Schumann erklärt die Hintergründe und gibt Tipps für das „Verhandlungs-Judo“.