Stabilos neuer Digitalstift Dieser Stift soll Kindern die perfekte Handschrift beibringen

Stabilo EduPen. Quelle: PR

Stabilo ist Spezialist für analoge Textmarker. Nun setzt das Unternehmen auf einen Sensor-Stift, der Kindern das Schreiben beibringen soll. Der Verkauf läuft mäßig. Bislang. Der Chef träumt weiter vom ganz großen Markt.

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Wenn Horst Brinkmann übers Schreiben bei Kindern spricht, dann spricht er vom Rhythmus, vom Schreibfluss, von den kleinen Os und den großen As, die die Kinder malen und vor allem „wie“ sie das tun. Am Anfang, so erklärt der Chef des Stifteherstellers Stabilo, seien sie ganz akkurat und genau, malen die Buchstaben mehr ab als dass sie schreiben. Erst später lernten die Kinder flüssiger zu werden, einen Takt zu finden, wann sie den Stift anheben, wann sie langsamer und wann sie schneller schreiben. Im besten Fall entstehe daraus eine Liebe, die vielleicht ein ganzes Leben hält. „Aber wenn wir heute mit Lehrkräften sprechen, sagen die uns: Kinder können nur noch eine halbe Stunde schreiben – maximal“, sagt Brinkmann – und spricht damit ein elementares Problem an.

Kinder in Deutschland haben Probleme mit der Handschrift. Das zeigt eine Umfrage des Instituts Schreibmotorik unter 2000 Lehrerinnen und Lehrer, dessen Ergebnisse sich besorgniserregend lesen. Gerade einmal vier Prozent der Lehrer im Sekundarbereich seien zufrieden mit der Handschrift der Kinder. Grundschullehrer sagen, dass fast 40 Prozent aller Kinder Probleme hätten, eine gute und lesbare Handschrift zu entwickeln. Die Gründe nannten die Lehrer bei der Umfrage gleich mit: Zu wenig Routine, schlechte Motorik und Koordination stehen oben auf der Liste, als das Institut die Studie 2019 veröffentlichte.

Stabilo will dieses Problem lösen – und damit Geld verdienen. Mehr als zehn Jahre lang hat das Unternehmen in Forschung und Entwicklung investiert. Herausgekommen ist ein Stift, den Stabilo seit einigen Jahren an Ergotherapeuten und Grundschulen verkauft und der einmal ein großer Umsatzbringer werden soll. 500 Euro will Stabilo für diese Erfindung von seinen Kunden haben, die bisher allerdings nur wenige Abnehmer findet. Einige hundert der Stifte verkaufe man im Jahr, erzählt Brinkmann im Interview und sagt: „Wenn Sie das am Gesamtumsatz festmachen wollen, brauchen Sie sicherlich eine Kommastelle hinter der Null.“ Doch Brinkmann ist überzeugt: „Wir erreichen bald einen Tipping Point bei der Handschrift. Dann wird der EduPen gefragter sein denn je“.

Doch kann das wirklich sein?

Der digitale Stift sieht in Kinderhänden vergleichsweise groß aus, hat aber die normale Größe eines Buntstifts in den Farben weiß, schwarz, ein bisschen Orange. Kinder können ihn, wie einen herkömmlichen Bleistift, über Papier ziehen und anhand von vielen verschiedenen Sensoren merkt der Stift, wie das Kind schreibt – und was es dabei alles falsch macht. Das kann beispielsweise der Druck sein, wenn Kinder zu verkrampft sind, oder der Schreibfluss stimmt nicht. Das wird an eine App gemeldet, in der Lehrkräfte sehen, wo sie ansetzen müssen und auch Übungen vorgeschlagen bekommen, die dem Kind helfen könnten. Das Patent ist gut, finden Lehrer und Ergotherapeuten, den ganz großen Durchbruch hat der Stift in den vergangenen fünf Jahren jedoch nicht erlebt.

Dass die Idee ein Flop wäre, will Brinkmann trotzdem nicht gelten lassen. Im Gegenteil: Für den Stabilo-CEO ist der Stift ein gigantischer Erfolg und gerade erst der Anfang eines komplett neuen Standbeins. Denn umso größer das Problem mit dem Schreiben wird, desto größer sei sein potenzieller Absatzmarkt.

Zudem konnte Stabilo dank des Stifts in den vergangenen Jahren lernen, was es bedeutet, ein Softwareprodukt zu entwickeln. Wie kommen die Daten in die Cloud? Wie geht man mit Updates um? Wie müssen Prozesse in einer digitalen Entwicklung laufen? Das sind so Fragen, die sie sich am Anfang stellten, produzierte Stabilo doch seit 1855 nur analoge Produkte wie Stifte oder Textmarker. Nahezu jeder kennt die Textmarker des Konzerns, die ihm im 50. Jubiläum ein goldenes Jahr 2021 einbrachten. Eine Sonderedition zum Geburtstag hat Brinkmann zufolge richtig eingeschlagen und das gesamte Geschäft ist im hohen einstelligen Prozentbereich gewachsen. Statt immer weniger Stifte, wie es der Drang hin zu Computern und Tablets vermuten lässt, verkaufen sie immer mehr.

Trotzdem will der Konzern sich vorbereiten und sich seinen Anteil am Markt der digitalen Schreibgeräte sichern. Bei den Stiften für Schulen sind sie mittlerweile in der sechsten Version, bald kommt die siebte und mit der hofft Brinkmann irgendwie auch auf diesen Tipping-Point, den Punkt, an dem es kippt. Seit der Umfrage von 2019 ist viel passiert: Corona hat sie ins Homeschooling getrieben, Grundschüler mussten das Schreiben zu Hause ohne Anleitung der Lehrer lernen, ohne zu wissen, ob sie gerade zu viel Druck auf den Stift ausüben oder zu wenig, ob sie einen guten Rhythmus beim Schreiben entwickeln, ob sie zu lange brauchen, um das A oder das O zu malen und ohne Kontrolle darüber, wie sie Stifte halten sollen.

Die Ergebnisse der nächsten Studie dürften vermutlich schlechter ausfallen als die, die schon 2019 für viel Kummer bei Lehrern und Eltern gesorgt haben. „Wenn die Schüler immer schlechter schreiben, wird ein ‚Übe nochmal‘ irgendwann nicht mehr reichen. Da ist eine Hilfe wie der EduPen eine Möglichkeit für Lehrer, nachzubessern“, glaubt Stabilo-Boss Brinkmann. Einen Hinweis darauf, das er Recht haben könnte, gibt es bereits: Sieben Bundesländer haben Schreibmotorik oder digitale Analyse bereits in den Lehrplan geschrieben, die anderen könnten folgen.

Neben dem „Vormittags”-Markt, wie Brinkmann alles in der Schule  nennt, sieht der Stabilo-Chef insbesondere Potenzial im sogenannten „Nachmittags”-Markt. Dafür bräuchte es aber ein deutlich günstigeres Produkt, das Stabilo – Stand jetzt – nicht bieten kann. Statt 500 Euro müsste der Stift unter 100 Euro kosten, was preislich und technisch etwa in zwei Jahren möglich sein dürfte, schätzt der Stabilo-CEO. Schlussendlich will er die Stifte direkt an die Kinder beziehungsweise ihre Eltern verkaufen, die so auch zu Hause an der Schreibmotorik arbeiten können. „Dann sind wir im Massenmarkt, da wird es interessant“, sagt Brinkmann.

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Noch ein bisschen weiter in der Zukunft liegt der Markt, den Stabilo langfristig anpeilt: Erwachsene. Nicht etwa, weil die das Schreiben nochmal lernen sollten, sondern vielmehr als Ergänzung zum analogen Stift. Helfen soll dabei die sogenannte Schrifterkennung, die das handgeschriebene Wort erkennt und automatisch in einer App ablegt – in Druckbuchstaben, so dass es jeder lesen kann. Was es heute schon für Tablets wie dem iPad gibt, auf denen Menschen mit dem Stift schreiben können, soll so ohne Zusatzgerät möglich werden. „Anwendungen hierfür entstehen in den nächsten zwei bis drei Jahren in Testmärkten. Wir sind gerade in Gesprächen mit verschiedenen Kooperationspartnern“, sagt der Stabilo-Chef. Den Veröffentlichungstermin hat er sich bestimmt schon im Kalender gemarkert.

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