Bauernproteste und Gülle-Streit Wohin bloß mit all dem Mist?

Landwirte nützen Gülle als natürlichen Dünger auf ihren Feldern. Die Nachfrage steigt. Quelle: imago images/MiS

In den Niederlanden eskaliert der Gülle-Streit. Auch unter deutschen Landwirten wächst die Angst: Wohin bloß mit all dem Mist? Kann ein „Ebay für Gülle“ nicht nur die Rettung bringen, sondern sogar ein gutes Geschäft?

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600 Kubikmeter Gülle von Mastschweinen zu verkaufen, konventionell gezüchtet, heißt es in einer Anzeige, veröffentlicht auf der Internetseite Güllemarkt24. Vor drei Tagen hat ein Bauer aus dem niedersächsischen Dinklage das Angebot eingestellt. Er schreibt, beim Transport nicht helfen zu können, sehr wohl aber bei der Ausbringung auf den Feldern. Der Preis: Verhandlungssache.

Ein Landwirt in Spenge bietet 100 Tonnen Rindergülle an. Im brandenburgischen Baruth stehen sogar 7000 Kubikmeter flüssige Gärreste aus einer Biogasanlage zum Verkauf. „Analysen können zur Verfügung gestellt werden“, schreibt der Inserent.

Bei Güllemarkt24 gehen jeden Tag solche Anzeigen online. Die Plattform ist eine Art Kleinanzeigenportal – für Tiermist und Gülle. Bauern, die zu viel haben, können hier nach Abnehmern suchen. Gemüsebauern können nach dem richtigen Dünger für ihre Felder fahnden. Vermittler suchen neue Lieferanten.

Das Geschäft ist noch klein, die Plattform ist erst seit rund zwei Jahren online, sagt Gülle24-Gründer Steffen Webelsiep. Aber sie wächst. Schnell. In den vergangenen Tagen sei die Zahl der Besucher um rund ein Drittel gestiegen.

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Der Grund für den Ansturm: Gülle – oder Wirtschaftsdünger, wie man in der Branche sagt – ist ein hochpolitisches Thema. Für die Landwirte sind die Tierausscheidungen Fluch und Segen zugleich. Zwar enthalten Gülle und andere Wirtschaftsdünger viele Nährstoffe und können den Ertrag der Felder so steigern. Doch der Tiermist verursacht Emissionen, das Nitrat in Gülle und Dung kann die Böden belasten. Auch in Deutschland wurde in der Vergangenheit oft mehr gedüngt, als gut ist. In vielen Regionen liegen die Nitrat-Werte über den erlaubten Grenzen. Und so gelten mittlerweile strenge Vorschriften, wann und wie viel Wirtschaftsdünger die Landwirte ausbringen dürfen.

In den Niederlanden sorgen die strengen Vorschriften aktuell für landesweite Proteste: Dort gibt es besonders viele Viehbetriebe. Die Werte von Stickstoff in Wasser und Luft liegen weit über dem EU-Durchschnitt. Schon früher haben die niederländischen Betriebe deshalb häufig Gülle über die Grenze gefahren: Tausende Tonnen landeten auf Äckern in Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen, vor allem im Rheinland.

Nun will die niederländische Regierung den Ausstoß von Stickstoff und Ammoniak bis 2030 um 50 Prozent reduzieren. Bauern dürfen deshalb weniger Gülle ausbringen, sollen am besten auch noch weniger produzieren. Daher soll es in den Niederlanden künftig weniger Viehbauern geben – etwa 30 Prozent der Betriebe stehen nun infrage. Selbst von möglichen Enteignungen ist die Rede.

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Die Bauern sind seit Tagen auf der Straße, um gegen die strengeren Vorschriften zu protestieren. Sie blockieren Logistikzentren von Aldi, Albert Heijn und anderen Supermarktketten und sorgen so für leere Regale. In der Nähe des Hauses der niederländischen Umweltministerin schütteten Demonstranten einen Gülletank aus. In Deutschland trafen sich Bauern in der Grenzregion bereits zu Solidaritätskundgebungen. Die Landwirte fürchten, dass in Deutschland ebenfalls strengere Auflagen eingeführt werden könnten.

Die Idee, das Problem der Landwirte über ein „Ebay für Gülle“, zu lösen - eine Plattform, über die Bauern Angebote und Gesuche für Gülle und Wirtschaftsdünger online stellen können - hatten Gründer Steffen Webelsiep und seine früheren Kollegen, als sie noch Landwirtschaft studierten. Über den Namen der Plattform ließen sie damals ihre Kommilitonen abstimmen, „Güllemarkt24“ war der klare Sieger der Umfrage.

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